Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

mir. Und der Brummersumm, der goldene Arm und
die heiligen drei Könige und -- Stopfkuchen auch.

Nein! der Letztere doch nicht. Dafür zog sich
doch mein ganzer Aufenthalt in der Heimath jetzt zu
sehr um seine dicke Person zusammen seit dem
gestrigen Tage. Sie konnten auch daheim, ohne sich
unter ihren Hecken weg zu rühren, was erleben und
es in wundervoll erleuchteter, in lichter Seele zum
Austrag bringen. Die Menschheit hatte immer noch
die Macht, sich aus dem Fett, der Ruhe, der Stille
heraus dem sehnigsten, hageren, fahrigen Conquista-
dorenthum gegenüber zur Geltung zu bringen. Heinrich
Schaumann, genannt Stopfkuchen, hatte dieses mir
gegenüber gründlich besorgt. Ich fuhr wahrlich nicht
ab und vorbei, ohne nach seiner Schanze auszusehen
von meinem Eilzuge.

Anderthalb Eisenbahnminuten von der Stadt
fü[hr]te ja die Bahn unter der rothen Schanze hin,
und man hatte, einen Augenblick lang, einen recht
guten Überblick über den Kriegsmaulwurfshaufen
Seiner Hoheit, des Herrn Grafen von der Lausi[t]z,
Prinz Xaver von Sachsen. Wallböschung, Baumwuc[h]s
und Hausdach hoben sich scharf und klar ab vom
blauen Sommermorgenhimmel, und mit schärfster,
wunderlich wehmüthiger und vergnüglicher Aufmerksam-
keit wartete ich auf das Vorbeifliegen und das Ab-
schiednehmen im Vorbeifliegen.

Und ich erfaßte alles nach Wunsch genau. Es
waren nur zwei helle Pünktchen, aber sie waren da
in der sonnenhellen, grüngoldnen Heimathslandschaft.

mir. Und der Brummerſumm, der goldene Arm und
die heiligen drei Könige und — Stopfkuchen auch.

Nein! der Letztere doch nicht. Dafür zog ſich
doch mein ganzer Aufenthalt in der Heimath jetzt zu
ſehr um ſeine dicke Perſon zuſammen ſeit dem
geſtrigen Tage. Sie konnten auch daheim, ohne ſich
unter ihren Hecken weg zu rühren, was erleben und
es in wundervoll erleuchteter, in lichter Seele zum
Austrag bringen. Die Menſchheit hatte immer noch
die Macht, ſich aus dem Fett, der Ruhe, der Stille
heraus dem ſehnigſten, hageren, fahrigen Conquiſta-
dorenthum gegenüber zur Geltung zu bringen. Heinrich
Schaumann, genannt Stopfkuchen, hatte dieſes mir
gegenüber gründlich beſorgt. Ich fuhr wahrlich nicht
ab und vorbei, ohne nach ſeiner Schanze auszuſehen
von meinem Eilzuge.

Anderthalb Eiſenbahnminuten von der Stadt
fü[hr]te ja die Bahn unter der rothen Schanze hin,
und man hatte, einen Augenblick lang, einen recht
guten Überblick über den Kriegsmaulwurfshaufen
Seiner Hoheit, des Herrn Grafen von der Lauſi[t]z,
Prinz Xaver von Sachſen. Wallböſchung, Baumwuc[h]s
und Hausdach hoben ſich ſcharf und klar ab vom
blauen Sommermorgenhimmel, und mit ſchärfſter,
wunderlich wehmüthiger und vergnüglicher Aufmerkſam-
keit wartete ich auf das Vorbeifliegen und das Ab-
ſchiednehmen im Vorbeifliegen.

Und ich erfaßte alles nach Wunſch genau. Es
waren nur zwei helle Pünktchen, aber ſie waren da
in der ſonnenhellen, grüngoldnen Heimathslandſchaft.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0290" n="280"/>
mir. Und der Brummer&#x017F;umm, der goldene Arm und<lb/>
die heiligen drei Könige und &#x2014; Stopfkuchen auch.</p><lb/>
        <p>Nein! der Letztere doch nicht. Dafür zog &#x017F;ich<lb/>
doch mein ganzer Aufenthalt in der Heimath jetzt zu<lb/>
&#x017F;ehr um &#x017F;eine dicke Per&#x017F;on zu&#x017F;ammen &#x017F;eit dem<lb/>
ge&#x017F;trigen Tage. Sie konnten auch daheim, ohne &#x017F;ich<lb/>
unter ihren Hecken weg zu rühren, was erleben und<lb/>
es in wundervoll erleuchteter, in lichter Seele zum<lb/>
Austrag bringen. Die Men&#x017F;chheit hatte immer noch<lb/>
die Macht, &#x017F;ich aus dem Fett, der Ruhe, der Stille<lb/>
heraus dem &#x017F;ehnig&#x017F;ten, hageren, fahrigen Conqui&#x017F;ta-<lb/>
dorenthum gegenüber zur Geltung zu bringen. Heinrich<lb/>
Schaumann, genannt Stopfkuchen, hatte die&#x017F;es mir<lb/>
gegenüber gründlich be&#x017F;orgt. Ich fuhr wahrlich nicht<lb/>
ab und vorbei, ohne nach &#x017F;einer Schanze auszu&#x017F;ehen<lb/>
von meinem Eilzuge.</p><lb/>
        <p>Anderthalb Ei&#x017F;enbahnminuten von der Stadt<lb/><supplied>hr</supplied>te ja die Bahn unter der rothen Schanze hin,<lb/>
und man hatte, einen Augenblick lang, einen recht<lb/>
guten Überblick über den Kriegsmaulwurfshaufen<lb/>
Seiner Hoheit, des Herrn Grafen von der Lau&#x017F;i<supplied>t</supplied>z,<lb/>
Prinz Xaver von Sach&#x017F;en. Wallbö&#x017F;chung, Baumwuc<supplied>h</supplied>s<lb/>
und Hausdach hoben &#x017F;ich &#x017F;charf und klar ab vom<lb/>
blauen Sommermorgenhimmel, und mit &#x017F;chärf&#x017F;ter,<lb/>
wunderlich wehmüthiger und vergnüglicher Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit wartete ich auf das Vorbeifliegen und das Ab-<lb/>
&#x017F;chiednehmen im Vorbeifliegen.</p><lb/>
        <p>Und ich erfaßte alles nach Wun&#x017F;ch genau. Es<lb/>
waren nur zwei helle Pünktchen, aber &#x017F;ie waren da<lb/>
in der &#x017F;onnenhellen, grüngoldnen Heimathsland&#x017F;chaft.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0290] mir. Und der Brummerſumm, der goldene Arm und die heiligen drei Könige und — Stopfkuchen auch. Nein! der Letztere doch nicht. Dafür zog ſich doch mein ganzer Aufenthalt in der Heimath jetzt zu ſehr um ſeine dicke Perſon zuſammen ſeit dem geſtrigen Tage. Sie konnten auch daheim, ohne ſich unter ihren Hecken weg zu rühren, was erleben und es in wundervoll erleuchteter, in lichter Seele zum Austrag bringen. Die Menſchheit hatte immer noch die Macht, ſich aus dem Fett, der Ruhe, der Stille heraus dem ſehnigſten, hageren, fahrigen Conquiſta- dorenthum gegenüber zur Geltung zu bringen. Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen, hatte dieſes mir gegenüber gründlich beſorgt. Ich fuhr wahrlich nicht ab und vorbei, ohne nach ſeiner Schanze auszuſehen von meinem Eilzuge. Anderthalb Eiſenbahnminuten von der Stadt führte ja die Bahn unter der rothen Schanze hin, und man hatte, einen Augenblick lang, einen recht guten Überblick über den Kriegsmaulwurfshaufen Seiner Hoheit, des Herrn Grafen von der Lauſitz, Prinz Xaver von Sachſen. Wallböſchung, Baumwuchs und Hausdach hoben ſich ſcharf und klar ab vom blauen Sommermorgenhimmel, und mit ſchärfſter, wunderlich wehmüthiger und vergnüglicher Aufmerkſam- keit wartete ich auf das Vorbeifliegen und das Ab- ſchiednehmen im Vorbeifliegen. Und ich erfaßte alles nach Wunſch genau. Es waren nur zwei helle Pünktchen, aber ſie waren da in der ſonnenhellen, grüngoldnen Heimathslandſchaft.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/290
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/290>, abgerufen am 21.11.2024.