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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Er stand auf seinem Wall in seinem Sommerschlaf-
rock und hatte sein Tinchen bei sich -- eben so sicher
wie seine lange Philisterpfeife. Sicherlich auch hatte seine
Frau ihren Arm in den seinigen geschoben, und wenn
sie nun endlich auch wußte, wer Kienbaum todtge-
schlagen habe, so wartete sie doch im vollen Verlaß
auf ihren Heinrich das Anspülen jener Welt draußen ab,
die gestern Abend ebenfalls erfahren hatte, wer Kienbaum
totgeschlagen habe. Sie ge[n]ossen trotz allem, was
ihnen aus der letzteren Thatsache aufwuchs, den
schönen Morgen. Es lagen da jetzt Zwei, die man
vordem hatte abseits liegen lassen, unter der Hecke,
und blieben nun ruhig liegen, was auch die Welt,
die Welt da draußen, zu ihrer unbegreiflichen Indolenz
sagen mochte:

"O dieser Stopfkuchen!" --

Hätte er eine Ahnung davon gehabt, daß sein
"guter Freund Eduard" da unten an ihm vorbei[fah]re,
so würde er sicherlich seine Pfeife in die Luft er[h]oben
und seine Hauskappe geschwenkt haben. Und dann
würde auch Frau Valentine Stopfkuchen, geborene
Quakatz ihr Taschentuch haben wehen lassen. Die
aber würde vielleicht dazu gesagt haben:

"Das ist doch aber eigentlich unbegreiflich von
ihm!"

Was mein dicker Freund Heinrich Schaumann
anderes als: "Hm!" hätte erwiedern können, kann ich
nicht sagen.

Vorbei die rothe Schanze! aber doch ein Glück
diese Sicherheit, daß sie ruhig liegen blieb, wo sie lag

Er ſtand auf ſeinem Wall in ſeinem Sommerſchlaf-
rock und hatte ſein Tinchen bei ſich — eben ſo ſicher
wie ſeine lange Philiſterpfeife. Sicherlich auch hatte ſeine
Frau ihren Arm in den ſeinigen geſchoben, und wenn
ſie nun endlich auch wußte, wer Kienbaum todtge-
ſchlagen habe, ſo wartete ſie doch im vollen Verlaß
auf ihren Heinrich das Anſpülen jener Welt draußen ab,
die geſtern Abend ebenfalls erfahren hatte, wer Kienbaum
totgeſchlagen habe. Sie ge[n]oſſen trotz allem, was
ihnen aus der letzteren Thatſache aufwuchs, den
ſchönen Morgen. Es lagen da jetzt Zwei, die man
vordem hatte abſeits liegen laſſen, unter der Hecke,
und blieben nun ruhig liegen, was auch die Welt,
die Welt da draußen, zu ihrer unbegreiflichen Indolenz
ſagen mochte:

„O dieſer Stopfkuchen!“ —

Hätte er eine Ahnung davon gehabt, daß ſein
„guter Freund Eduard“ da unten an ihm vorbei[fah]re,
ſo würde er ſicherlich ſeine Pfeife in die Luft er[h]oben
und ſeine Hauskappe geſchwenkt haben. Und dann
würde auch Frau Valentine Stopfkuchen, geborene
Quakatz ihr Taſchentuch haben wehen laſſen. Die
aber würde vielleicht dazu geſagt haben:

„Das iſt doch aber eigentlich unbegreiflich von
ihm!“

Was mein dicker Freund Heinrich Schaumann
anderes als: „Hm!“ hätte erwiedern können, kann ich
nicht ſagen.

Vorbei die rothe Schanze! aber doch ein Glück
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[281/0291] Er ſtand auf ſeinem Wall in ſeinem Sommerſchlaf- rock und hatte ſein Tinchen bei ſich — eben ſo ſicher wie ſeine lange Philiſterpfeife. Sicherlich auch hatte ſeine Frau ihren Arm in den ſeinigen geſchoben, und wenn ſie nun endlich auch wußte, wer Kienbaum todtge- ſchlagen habe, ſo wartete ſie doch im vollen Verlaß auf ihren Heinrich das Anſpülen jener Welt draußen ab, die geſtern Abend ebenfalls erfahren hatte, wer Kienbaum totgeſchlagen habe. Sie genoſſen trotz allem, was ihnen aus der letzteren Thatſache aufwuchs, den ſchönen Morgen. Es lagen da jetzt Zwei, die man vordem hatte abſeits liegen laſſen, unter der Hecke, und blieben nun ruhig liegen, was auch die Welt, die Welt da draußen, zu ihrer unbegreiflichen Indolenz ſagen mochte: „O dieſer Stopfkuchen!“ — Hätte er eine Ahnung davon gehabt, daß ſein „guter Freund Eduard“ da unten an ihm vorbeifahre, ſo würde er ſicherlich ſeine Pfeife in die Luft erhoben und ſeine Hauskappe geſchwenkt haben. Und dann würde auch Frau Valentine Stopfkuchen, geborene Quakatz ihr Taſchentuch haben wehen laſſen. Die aber würde vielleicht dazu geſagt haben: „Das iſt doch aber eigentlich unbegreiflich von ihm!“ Was mein dicker Freund Heinrich Schaumann anderes als: „Hm!“ hätte erwiedern können, kann ich nicht ſagen. Vorbei die rothe Schanze! aber doch ein Glück dieſe Sicherheit, daß ſie ruhig liegen blieb, wo ſie lag

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/291>, abgerufen am 21.11.2024.