Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.tische im Gasthause der Heimathstadt: "Wenigstens Na, Alles in Allem genommen und dazu ehrlich In Anbetracht, daß er "weit draußen im Felde" tiſche im Gaſthauſe der Heimathſtadt: „Wenigſtens Na, Alles in Allem genommen und dazu ehrlich In Anbetracht, daß er „weit draußen im Felde“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="34"/> tiſche im Gaſthauſe der Heimathſtadt: „Wenigſtens<lb/> einmal hättet ihr auch doch ſchreiben können —<lb/> Du und Dein Freund Heinrich.“</p><lb/> <p>Na, Alles in Allem genommen und dazu ehrlich<lb/> geſprochen: was man ſo nennt, zärtlich hatten wir<lb/> uns auch im perſönlichen Verkehr gegeneinander nicht<lb/> gehalten. Aber was man und vorzüglich in jener<lb/> Lebensepoche gute Schulkameraden nennt, das waren<lb/> wir doch geweſen, Stopfkuchen und ich. Wer von<lb/> uns Beiden dem Andern dann und wann die meiſten<lb/> Haare ausgerauft, die blaueſten Beulen und dick-<lb/> geſchwollenſten Augen beigebracht hatte, das mochte<lb/> heute dahin geſtellt bleiben. Es kam jetzt darauf<lb/> an, was die Zeit aus dem dicken, guten Jungen<lb/> gemacht hatte, ob er ſich ſehr verändert hatte, und<lb/> ob er in Folge dieſer Veränderung im Stande war,<lb/> jetzt ebenfalls, wie ſeinerzeit der Bauer Quakatz, der<lb/> ganzen Welt und alſo auch mir die Pforte der rothen<lb/> Schanze vor der Naſe zuzuſchlagen; oder ob er nach<lb/> der gewöhnlichen, verlegen-rathloſen Frage: „Mit wem<lb/> habe ich die Ehre?“ mir beide Hände entgegenzuſtrecken<lb/> und mit halbwegs dem alten Schulton ſagen werde:<lb/> „Hurrjeſes, Du biſt's, Eduard? nu, das iſt aber<lb/> ſchön, daß Du Dich meiner noch erinnerſt!“</p><lb/> <p>In Anbetracht, daß er „weit draußen im Felde“<lb/> wohnte, hielt ich es nicht für nothwendig, die durch<lb/> Sitte und Gewohnheit feſtgeſetzten groß- mittel- und<lb/> kleinſtädtiſchen Beſuchsſtunden innezuhalten und war<lb/> gegen neun Uhr Morgens auf dem Wege zu ihm.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [34/0044]
tiſche im Gaſthauſe der Heimathſtadt: „Wenigſtens
einmal hättet ihr auch doch ſchreiben können —
Du und Dein Freund Heinrich.“
Na, Alles in Allem genommen und dazu ehrlich
geſprochen: was man ſo nennt, zärtlich hatten wir
uns auch im perſönlichen Verkehr gegeneinander nicht
gehalten. Aber was man und vorzüglich in jener
Lebensepoche gute Schulkameraden nennt, das waren
wir doch geweſen, Stopfkuchen und ich. Wer von
uns Beiden dem Andern dann und wann die meiſten
Haare ausgerauft, die blaueſten Beulen und dick-
geſchwollenſten Augen beigebracht hatte, das mochte
heute dahin geſtellt bleiben. Es kam jetzt darauf
an, was die Zeit aus dem dicken, guten Jungen
gemacht hatte, ob er ſich ſehr verändert hatte, und
ob er in Folge dieſer Veränderung im Stande war,
jetzt ebenfalls, wie ſeinerzeit der Bauer Quakatz, der
ganzen Welt und alſo auch mir die Pforte der rothen
Schanze vor der Naſe zuzuſchlagen; oder ob er nach
der gewöhnlichen, verlegen-rathloſen Frage: „Mit wem
habe ich die Ehre?“ mir beide Hände entgegenzuſtrecken
und mit halbwegs dem alten Schulton ſagen werde:
„Hurrjeſes, Du biſt's, Eduard? nu, das iſt aber
ſchön, daß Du Dich meiner noch erinnerſt!“
In Anbetracht, daß er „weit draußen im Felde“
wohnte, hielt ich es nicht für nothwendig, die durch
Sitte und Gewohnheit feſtgeſetzten groß- mittel- und
kleinſtädtiſchen Beſuchsſtunden innezuhalten und war
gegen neun Uhr Morgens auf dem Wege zu ihm.
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