Tinchen." Fräulein Valentine wendet sich zu ihrer vierbeinigen Wachtmannschaft, das heißt, sie hebt die Faust gegen sie und schüttelt dieselbe dann gegen die lachende, freundliche Sommerlandschaft jenseit des Grabens. Das bedeutet, daß das Vieh noch weniger als sonst Jemandem ungestraft den Eintritt in das Bollwerk des Grafen von der Lausitz gewähren soll. Und es versteht das und antwortet mit einem dumpfen giftigen Gewinsel und Geknurr: wir Drei aber haben jetzt wahrhaftig wundervoll den Nachmittag allein auf der rothen Schanze. --
Erfreulich war der Anblick gerade nicht, wenn man die Hunde und das Thor hinter sich hatte. Verwildert und verwahrlost erschien Alles umher, jede Arbeit nur halb und widerwillig und nachlässig gethan. Es war keine rechte Ordnung im Garten, im Hofe, im Hause, und in der Scheune wahrscheinlich auch nicht. Alles Geräthe lag und stand umher wie man es eben aus der Hand hatte fallen lassen oder bei Seite ge- stellt hatte. Das Gebüsch und Unkraut wuchs unge- hindert. Die Jauche konnte sich keine besseren Tage wünschen, als wie auf der rothen Schanze, und sie suchte sich denn auch ihre Rinnsale, wo es ihr be- liebte. Die Hühner scharrten, wo sie wollten im Garten. Enten und Gänse watschelten ebenso, wo sie wollten im Hofe und im Hause. Dem Stallvieh sah man es an, daß der Herr häufig nicht zu Hause war und auch dann nicht sein Auge, wie es sein sollte, bei ihm hatte. Daß das Kind vom Hause nicht Alles allein besorgen konnte, und daß das Ge-
Tinchen.“ Fräulein Valentine wendet ſich zu ihrer vierbeinigen Wachtmannſchaft, das heißt, ſie hebt die Fauſt gegen ſie und ſchüttelt dieſelbe dann gegen die lachende, freundliche Sommerlandſchaft jenſeit des Grabens. Das bedeutet, daß das Vieh noch weniger als ſonſt Jemandem ungeſtraft den Eintritt in das Bollwerk des Grafen von der Lauſitz gewähren ſoll. Und es verſteht das und antwortet mit einem dumpfen giftigen Gewinſel und Geknurr: wir Drei aber haben jetzt wahrhaftig wundervoll den Nachmittag allein auf der rothen Schanze. —
Erfreulich war der Anblick gerade nicht, wenn man die Hunde und das Thor hinter ſich hatte. Verwildert und verwahrloſt erſchien Alles umher, jede Arbeit nur halb und widerwillig und nachläſſig gethan. Es war keine rechte Ordnung im Garten, im Hofe, im Hauſe, und in der Scheune wahrſcheinlich auch nicht. Alles Geräthe lag und ſtand umher wie man es eben aus der Hand hatte fallen laſſen oder bei Seite ge- ſtellt hatte. Das Gebüſch und Unkraut wuchs unge- hindert. Die Jauche konnte ſich keine beſſeren Tage wünſchen, als wie auf der rothen Schanze, und ſie ſuchte ſich denn auch ihre Rinnſale, wo es ihr be- liebte. Die Hühner ſcharrten, wo ſie wollten im Garten. Enten und Gänſe watſchelten ebenſo, wo ſie wollten im Hofe und im Hauſe. Dem Stallvieh ſah man es an, daß der Herr häufig nicht zu Hauſe war und auch dann nicht ſein Auge, wie es ſein ſollte, bei ihm hatte. Daß das Kind vom Hauſe nicht Alles allein beſorgen konnte, und daß das Ge-
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Tinchen.“ Fräulein Valentine wendet ſich zu ihrer
vierbeinigen Wachtmannſchaft, das heißt, ſie hebt die
Fauſt gegen ſie und ſchüttelt dieſelbe dann gegen die
lachende, freundliche Sommerlandſchaft jenſeit des
Grabens. Das bedeutet, daß das Vieh noch weniger
als ſonſt Jemandem ungeſtraft den Eintritt in das
Bollwerk des Grafen von der Lauſitz gewähren ſoll.
Und es verſteht das und antwortet mit einem dumpfen
giftigen Gewinſel und Geknurr: wir Drei aber haben
jetzt wahrhaftig wundervoll den Nachmittag allein
auf der rothen Schanze. —
Erfreulich war der Anblick gerade nicht, wenn
man die Hunde und das Thor hinter ſich hatte.
Verwildert und verwahrloſt erſchien Alles umher, jede
Arbeit nur halb und widerwillig und nachläſſig gethan.
Es war keine rechte Ordnung im Garten, im Hofe, im
Hauſe, und in der Scheune wahrſcheinlich auch nicht.
Alles Geräthe lag und ſtand umher wie man es eben
aus der Hand hatte fallen laſſen oder bei Seite ge-
ſtellt hatte. Das Gebüſch und Unkraut wuchs unge-
hindert. Die Jauche konnte ſich keine beſſeren Tage
wünſchen, als wie auf der rothen Schanze, und ſie
ſuchte ſich denn auch ihre Rinnſale, wo es ihr be-
liebte. Die Hühner ſcharrten, wo ſie wollten im
Garten. Enten und Gänſe watſchelten ebenſo, wo
ſie wollten im Hofe und im Hauſe. Dem Stallvieh
ſah man es an, daß der Herr häufig nicht zu Hauſe
war und auch dann nicht ſein Auge, wie es ſein
ſollte, bei ihm hatte. Daß das Kind vom Hauſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/56>, abgerufen am 27.05.2024.
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