[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Geneigter Leser! Die vornehmste Sorge eines Schriftstellers Geld-
Geneigter Leſer! Die vornehmſte Sorge eines Schriftſtellers Geld-
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Geneigter Leſer!
Die vornehmſte Sorge eines Schriftſtellers
geht dahin, wie er ſich des Beyfalls ſeiner
Leſer verſichern moͤge. Die meiſten ſchrei-
ben heutiges Tages aus Hunger; viele ſuchen be-
ruͤhmt zu werden; einige wenige haben die Abſicht
zu erbauen; alle aber bemuͤhen ſich, ihre Schriften
beliebt zu machen. Meine gegenwaͤrtige Abſicht
iſt keine von dieſen dreyen. Jch ſchreibe einzig und
allein darum, damit ich meine Gedanken will ge-
druckt leſen. Dieſes iſt meine vornehmſte Leiden-
ſchaft. Jch habe dir es ſchon einmal zugeſtanden;
ich will es auch itzt nicht leugnen. Jſt es ja eine
Suͤnde; ſo iſt es doch nur eine Erbſuͤnde. Mein
Vater iſt ein Autor geweſen; mein Großvater hat
Buͤcher geſchrieben; von meines Urgroßvaters Faͤ-
higkeit habe ich nur geſtern noch eine nicht uͤbelge-
rathne Probe aus dem Wuͤrzladen bekommen; und
bloß eine unvermuthete Feuerbrunſt iſt Schuld dar-
an, daß wir den Fleiß meines Aeltervaters nicht he-
wundern koͤnnen. Wird man es mir alſo wohl
uͤbel nehmen, wenn ich dem angebohrnen Triebe, zu
ſchreiben, nicht widerſtehen kann? Daß unſre
Frauenzimmer noch itzt gern Liebesbriefe abfaſſen,
ſolches koͤmmt uns gar nicht fremd vor. Denn ſchon
Eva hat ſehr zaͤrtlich an ihren Adam geſchrieben, wie
man den Beweis davon in Zieglers Heldenliebe fin-
det. Hier ſiehſt du alſo, geneigter Leſer, meine Be-
fugniß zum Schreiben. Und ob ich gleich weder aus
Geld-
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