Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Lobschrift auf Amouretten,
viel Furcht unzählige Beyspiele deswegen hätten
erwecken können; so wenig ließ man sich doch da-
von abwendig machen. Man wußte sich auf ihre
Tugenden zu verlassen, und lediglich diesen hat man
es zuzuschreiben, daß alles nach Wunsch abgelau-
fen ist. Sie ward nach Großenhayn geschickt, ei-
nem Orte, wo schon viel junge Hunde verführet
worden sind. Amourette mußte ohne Hofmeister
dahin gehen. Man hatte seine Ursachen. Sie
hielt sich eine geraume Zeit daselbst auf, bis ein un-
vermutheter Zufall sie nöthigte, wieder in ihre Hei-
math zu kehren. Es traf ungefähr zu, daß ich
gleich bey ihrer Rückkunft gegenwärtig war; und
ich kann nicht läugnen, ich ward damals sehr er-
baut: Denn Amourette brachte ihr redliches und
unschuldiges Gemüthe wieder zurück. Sie hatte
ihre Wohlthäter nicht verkennen lernen, und ersetzte
mit verdoppelten Liebkosungen dasjenige, was sie
bisher entbehren müssen. Sie hatte ihre Stimme
nicht geändert; sie bellte noch eben so, wie vorher;
und man merkte nicht die geringste lächerliche Nach-
ahmung der Fremden an ihr. Jch kann nicht be-
greifen, wie es zugegangen ist, daß sie auf ihrer Reise
keine Schulden gemacht hat? Anfänglich wollte
man es gar nicht glauben; es befand sich aber in
der That so. Jch vermuthe, daß sie keine Liebha-
berinn vom Spielen, und von zärtlicher Gesellschaft,
sondern lediglich auf die Beobachtung ihrer Schul-
digkeit bedacht gewesen ist. Von Moden, und an-
dern galanten Neuigkeiten brachte sie gleichfalls
nicht das geringste mit. Jch führe dieses um des-

willen

Lobſchrift auf Amouretten,
viel Furcht unzaͤhlige Beyſpiele deswegen haͤtten
erwecken koͤnnen; ſo wenig ließ man ſich doch da-
von abwendig machen. Man wußte ſich auf ihre
Tugenden zu verlaſſen, und lediglich dieſen hat man
es zuzuſchreiben, daß alles nach Wunſch abgelau-
fen iſt. Sie ward nach Großenhayn geſchickt, ei-
nem Orte, wo ſchon viel junge Hunde verfuͤhret
worden ſind. Amourette mußte ohne Hofmeiſter
dahin gehen. Man hatte ſeine Urſachen. Sie
hielt ſich eine geraume Zeit daſelbſt auf, bis ein un-
vermutheter Zufall ſie noͤthigte, wieder in ihre Hei-
math zu kehren. Es traf ungefaͤhr zu, daß ich
gleich bey ihrer Ruͤckkunft gegenwaͤrtig war; und
ich kann nicht laͤugnen, ich ward damals ſehr er-
baut: Denn Amourette brachte ihr redliches und
unſchuldiges Gemuͤthe wieder zuruͤck. Sie hatte
ihre Wohlthaͤter nicht verkennen lernen, und erſetzte
mit verdoppelten Liebkoſungen dasjenige, was ſie
bisher entbehren muͤſſen. Sie hatte ihre Stimme
nicht geaͤndert; ſie bellte noch eben ſo, wie vorher;
und man merkte nicht die geringſte laͤcherliche Nach-
ahmung der Fremden an ihr. Jch kann nicht be-
greifen, wie es zugegangen iſt, daß ſie auf ihrer Reiſe
keine Schulden gemacht hat? Anfaͤnglich wollte
man es gar nicht glauben; es befand ſich aber in
der That ſo. Jch vermuthe, daß ſie keine Liebha-
berinn vom Spielen, und von zaͤrtlicher Geſellſchaft,
ſondern lediglich auf die Beobachtung ihrer Schul-
digkeit bedacht geweſen iſt. Von Moden, und an-
dern galanten Neuigkeiten brachte ſie gleichfalls
nicht das geringſte mit. Jch fuͤhre dieſes um des-

willen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lob&#x017F;chrift auf Amouretten,</hi></fw><lb/>
viel Furcht unza&#x0364;hlige Bey&#x017F;piele deswegen ha&#x0364;tten<lb/>
erwecken ko&#x0364;nnen; &#x017F;o wenig ließ man &#x017F;ich doch da-<lb/>
von abwendig machen. Man wußte &#x017F;ich auf ihre<lb/>
Tugenden zu verla&#x017F;&#x017F;en, und lediglich die&#x017F;en hat man<lb/>
es zuzu&#x017F;chreiben, daß alles nach Wun&#x017F;ch abgelau-<lb/>
fen i&#x017F;t. Sie ward nach Großenhayn ge&#x017F;chickt, ei-<lb/>
nem Orte, wo &#x017F;chon viel junge Hunde verfu&#x0364;hret<lb/>
worden &#x017F;ind. Amourette mußte ohne Hofmei&#x017F;ter<lb/>
dahin gehen. Man hatte &#x017F;eine Ur&#x017F;achen. Sie<lb/>
hielt &#x017F;ich eine geraume Zeit da&#x017F;elb&#x017F;t auf, bis ein un-<lb/>
vermutheter Zufall &#x017F;ie no&#x0364;thigte, wieder in ihre Hei-<lb/>
math zu kehren. Es traf ungefa&#x0364;hr zu, daß ich<lb/>
gleich bey ihrer Ru&#x0364;ckkunft gegenwa&#x0364;rtig war; und<lb/>
ich kann nicht la&#x0364;ugnen, ich ward damals &#x017F;ehr er-<lb/>
baut: Denn Amourette brachte ihr redliches und<lb/>
un&#x017F;chuldiges Gemu&#x0364;the wieder zuru&#x0364;ck. Sie hatte<lb/>
ihre Wohltha&#x0364;ter nicht verkennen lernen, und er&#x017F;etzte<lb/>
mit verdoppelten Liebko&#x017F;ungen dasjenige, was &#x017F;ie<lb/>
bisher entbehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Sie hatte ihre Stimme<lb/>
nicht gea&#x0364;ndert; &#x017F;ie bellte noch eben &#x017F;o, wie vorher;<lb/>
und man merkte nicht die gering&#x017F;te la&#x0364;cherliche Nach-<lb/>
ahmung der Fremden an ihr. Jch kann nicht be-<lb/>
greifen, wie es zugegangen i&#x017F;t, daß &#x017F;ie auf ihrer Rei&#x017F;e<lb/>
keine Schulden gemacht hat? Anfa&#x0364;nglich wollte<lb/>
man es gar nicht glauben; es befand &#x017F;ich aber in<lb/>
der That &#x017F;o. Jch vermuthe, daß &#x017F;ie keine Liebha-<lb/>
berinn vom Spielen, und von za&#x0364;rtlicher Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
&#x017F;ondern lediglich auf die Beobachtung ihrer Schul-<lb/>
digkeit bedacht gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Von Moden, und an-<lb/>
dern galanten Neuigkeiten brachte &#x017F;ie gleichfalls<lb/>
nicht das gering&#x017F;te mit. Jch fu&#x0364;hre die&#x017F;es um des-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">willen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0126] Lobſchrift auf Amouretten, viel Furcht unzaͤhlige Beyſpiele deswegen haͤtten erwecken koͤnnen; ſo wenig ließ man ſich doch da- von abwendig machen. Man wußte ſich auf ihre Tugenden zu verlaſſen, und lediglich dieſen hat man es zuzuſchreiben, daß alles nach Wunſch abgelau- fen iſt. Sie ward nach Großenhayn geſchickt, ei- nem Orte, wo ſchon viel junge Hunde verfuͤhret worden ſind. Amourette mußte ohne Hofmeiſter dahin gehen. Man hatte ſeine Urſachen. Sie hielt ſich eine geraume Zeit daſelbſt auf, bis ein un- vermutheter Zufall ſie noͤthigte, wieder in ihre Hei- math zu kehren. Es traf ungefaͤhr zu, daß ich gleich bey ihrer Ruͤckkunft gegenwaͤrtig war; und ich kann nicht laͤugnen, ich ward damals ſehr er- baut: Denn Amourette brachte ihr redliches und unſchuldiges Gemuͤthe wieder zuruͤck. Sie hatte ihre Wohlthaͤter nicht verkennen lernen, und erſetzte mit verdoppelten Liebkoſungen dasjenige, was ſie bisher entbehren muͤſſen. Sie hatte ihre Stimme nicht geaͤndert; ſie bellte noch eben ſo, wie vorher; und man merkte nicht die geringſte laͤcherliche Nach- ahmung der Fremden an ihr. Jch kann nicht be- greifen, wie es zugegangen iſt, daß ſie auf ihrer Reiſe keine Schulden gemacht hat? Anfaͤnglich wollte man es gar nicht glauben; es befand ſich aber in der That ſo. Jch vermuthe, daß ſie keine Liebha- berinn vom Spielen, und von zaͤrtlicher Geſellſchaft, ſondern lediglich auf die Beobachtung ihrer Schul- digkeit bedacht geweſen iſt. Von Moden, und an- dern galanten Neuigkeiten brachte ſie gleichfalls nicht das geringſte mit. Jch fuͤhre dieſes um des- willen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/126
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/126>, abgerufen am 21.11.2024.