[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.eines Wittwers. vernünftigen Umgang, durch eine edle Bemühungeines beiderseitigen Vergnügens, und, ich weis nicht durch was für schöne Benennungen mehr, ausdrückt. Man findet vielleicht diese Bedeutung in den Wörter- büchern, oder in den Schriften philosophischer Jung- gesellen, dergleichen der Zuschauer gewesen ist; ich glaube aber nicht, daß eine solche Auslegung im ge- meinen Leben einen großen Nutzen habe. Wenig- stens war derjenige Ehestand ganz anders beschaffen, in welchen mich das Verhängniß gesetzt hatte. Auch meiner Frau kann ich es nachrühmen, daß sie sich einen ganz andern Begriff davon machte. Sie war meine Frau, weil ich ihr Mann war; sie hatte mich ge- heirathet, um sich ernähren zu lassen. Dieses hielt sie für ihre Pflichten des Ehestandes; und ich muß es ge- stehen, daß sie dieselben niemals gebrochen hat. Jch bewundre ihre Einsicht, wenn ich daran ge- Meine
eines Wittwers. vernuͤnftigen Umgang, durch eine edle Bemuͤhungeines beiderſeitigen Vergnuͤgens, und, ich weis nicht durch was fuͤr ſchoͤne Benennungen mehr, ausdruͤckt. Man findet vielleicht dieſe Bedeutung in den Woͤrter- buͤchern, oder in den Schriften philoſophiſcher Jung- geſellen, dergleichen der Zuſchauer geweſen iſt; ich glaube aber nicht, daß eine ſolche Auslegung im ge- meinen Leben einen großen Nutzen habe. Wenig- ſtens war derjenige Eheſtand ganz anders beſchaffen, in welchen mich das Verhaͤngniß geſetzt hatte. Auch meiner Frau kann ich es nachruͤhmen, daß ſie ſich einen ganz andern Begriff davon machte. Sie war meine Frau, weil ich ihr Mann war; ſie hatte mich ge- heirathet, um ſich ernaͤhren zu laſſen. Dieſes hielt ſie fuͤr ihre Pflichten des Eheſtandes; und ich muß es ge- ſtehen, daß ſie dieſelben niemals gebrochen hat. Jch bewundre ihre Einſicht, wenn ich daran ge- Meine
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines Wittwers.</hi></fw><lb/> vernuͤnftigen Umgang, durch eine edle Bemuͤhung<lb/> eines beiderſeitigen Vergnuͤgens, und, ich weis nicht<lb/> durch was fuͤr ſchoͤne Benennungen mehr, ausdruͤckt.<lb/> Man findet vielleicht dieſe Bedeutung in den Woͤrter-<lb/> buͤchern, oder in den Schriften philoſophiſcher Jung-<lb/> geſellen, dergleichen der Zuſchauer geweſen iſt; ich<lb/> glaube aber nicht, daß eine ſolche Auslegung im ge-<lb/> meinen Leben einen großen Nutzen habe. Wenig-<lb/> ſtens war derjenige Eheſtand ganz anders beſchaffen,<lb/> in welchen mich das Verhaͤngniß geſetzt hatte. Auch<lb/> meiner Frau kann ich es nachruͤhmen, daß ſie ſich<lb/> einen ganz andern Begriff davon machte. Sie war<lb/> meine Frau, weil ich ihr Mann war; ſie hatte mich ge-<lb/> heirathet, um ſich ernaͤhren zu laſſen. Dieſes hielt ſie<lb/> fuͤr ihre Pflichten des Eheſtandes; und ich muß es ge-<lb/> ſtehen, daß ſie dieſelben niemals gebrochen hat.</p><lb/> <p>Jch bewundre ihre Einſicht, wenn ich daran ge-<lb/> denke, wie nachdruͤcklich ſie die Meynung derer zu<lb/> behaupten wußte, welche glauben, daß die Herr-<lb/> ſchaft der Maͤnner in den Geſetzen der Natur nicht<lb/> den geringſten Grund habe. Den Anfang zu ihrer<lb/> unumſchraͤnkten Macht legte ſie durch Blicke, und<lb/> ſchmeichleriſche Mienen; ich ward erweicht, und gab<lb/> mit Vergnuͤgen nach. Sie gieng weiter; ſie befeſtig-<lb/> te ihre Gewalt durch Worte, und ein ernſthafteres<lb/> Verlangen. Jch ſchwieg, und ließ mir alles gefallen,<lb/> um wenigſtens den Reſt der eingebildeten Herrſchaft<lb/> zu erhalten. Endlich machte ſie ihren Sieg voll-<lb/> kommen; ſie befahl, ſie drohte, und ich wußte durch<lb/> nichts, als durch einen blinden Gehorſam, mein<lb/> Schickſal ertraͤglich zu machen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Meine</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0151]
eines Wittwers.
vernuͤnftigen Umgang, durch eine edle Bemuͤhung
eines beiderſeitigen Vergnuͤgens, und, ich weis nicht
durch was fuͤr ſchoͤne Benennungen mehr, ausdruͤckt.
Man findet vielleicht dieſe Bedeutung in den Woͤrter-
buͤchern, oder in den Schriften philoſophiſcher Jung-
geſellen, dergleichen der Zuſchauer geweſen iſt; ich
glaube aber nicht, daß eine ſolche Auslegung im ge-
meinen Leben einen großen Nutzen habe. Wenig-
ſtens war derjenige Eheſtand ganz anders beſchaffen,
in welchen mich das Verhaͤngniß geſetzt hatte. Auch
meiner Frau kann ich es nachruͤhmen, daß ſie ſich
einen ganz andern Begriff davon machte. Sie war
meine Frau, weil ich ihr Mann war; ſie hatte mich ge-
heirathet, um ſich ernaͤhren zu laſſen. Dieſes hielt ſie
fuͤr ihre Pflichten des Eheſtandes; und ich muß es ge-
ſtehen, daß ſie dieſelben niemals gebrochen hat.
Jch bewundre ihre Einſicht, wenn ich daran ge-
denke, wie nachdruͤcklich ſie die Meynung derer zu
behaupten wußte, welche glauben, daß die Herr-
ſchaft der Maͤnner in den Geſetzen der Natur nicht
den geringſten Grund habe. Den Anfang zu ihrer
unumſchraͤnkten Macht legte ſie durch Blicke, und
ſchmeichleriſche Mienen; ich ward erweicht, und gab
mit Vergnuͤgen nach. Sie gieng weiter; ſie befeſtig-
te ihre Gewalt durch Worte, und ein ernſthafteres
Verlangen. Jch ſchwieg, und ließ mir alles gefallen,
um wenigſtens den Reſt der eingebildeten Herrſchaft
zu erhalten. Endlich machte ſie ihren Sieg voll-
kommen; ſie befahl, ſie drohte, und ich wußte durch
nichts, als durch einen blinden Gehorſam, mein
Schickſal ertraͤglich zu machen.
Meine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |