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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Geneigter Leser,

Du wirst mir nicht zumuthen, daß ich dir sagen
soll, wie ich zu dem Manuscripte gekommen
sey, von welchem ich dir gegenwärtigen Aus-
zug liefere. Wenn ich spräche, ich hätte es unter
einem alten Gemäuer gefunden: So würdest du es
vielleicht, als ein schätzbares Alterthum, mit vieler
Ehrfurcht durchlesen. Jch könnte dich wohl auch
bereden, es gehörte in eine Bibliothek, und weil ich
ein Gelehrter bin, so würdest du unfehlbar denken,
ich hätte es mit lehrbegierigen Händen heimlich ent-
wendet. Allein, ich bin nicht gesonnen, dir eine
Unwahrheit vorzusagen; du sollst aber auch die
Wahrheit nicht erfahren. Sey zufrieden, daß ich
dir ein Werk mittheile, welches allen Geschichtschrei-
bern zur Vorschrift, und dir vielleicht zur Erbauung
dienen kann.

Den eigentlichen Verfasser dieser Chronike, und
die Zeit, wenn sie geschrieben worden, kann ich
nicht angeben. Auf dem Titelblatte steht an statt
des Namens ein N. welches der Verfasser sonder
Zweifel um deswillen gethan hat, daß er den Leser
neugierig machte, und desto bekannter würde. Mei-
ne Vermuthung geht dahin, es habe es ein ehema-
liger Pfarrer daselbst geschrieben. Ob ich recht
habe, wirst du aus denen Umständen urtheilen, die
in dem Auszuge selbst vorkommen. Wenn aber
dieser Pfarrer gelebt, und die historischen Nach-
richten gesammlet hat, solches ist noch ungewisser.

Jch
F 5




Geneigter Leſer,

Du wirſt mir nicht zumuthen, daß ich dir ſagen
ſoll, wie ich zu dem Manuſcripte gekommen
ſey, von welchem ich dir gegenwaͤrtigen Aus-
zug liefere. Wenn ich ſpraͤche, ich haͤtte es unter
einem alten Gemaͤuer gefunden: So wuͤrdeſt du es
vielleicht, als ein ſchaͤtzbares Alterthum, mit vieler
Ehrfurcht durchleſen. Jch koͤnnte dich wohl auch
bereden, es gehoͤrte in eine Bibliothek, und weil ich
ein Gelehrter bin, ſo wuͤrdeſt du unfehlbar denken,
ich haͤtte es mit lehrbegierigen Haͤnden heimlich ent-
wendet. Allein, ich bin nicht geſonnen, dir eine
Unwahrheit vorzuſagen; du ſollſt aber auch die
Wahrheit nicht erfahren. Sey zufrieden, daß ich
dir ein Werk mittheile, welches allen Geſchichtſchrei-
bern zur Vorſchrift, und dir vielleicht zur Erbauung
dienen kann.

Den eigentlichen Verfaſſer dieſer Chronike, und
die Zeit, wenn ſie geſchrieben worden, kann ich
nicht angeben. Auf dem Titelblatte ſteht an ſtatt
des Namens ein N. welches der Verfaſſer ſonder
Zweifel um deswillen gethan hat, daß er den Leſer
neugierig machte, und deſto bekannter wuͤrde. Mei-
ne Vermuthung geht dahin, es habe es ein ehema-
liger Pfarrer daſelbſt geſchrieben. Ob ich recht
habe, wirſt du aus denen Umſtaͤnden urtheilen, die
in dem Auszuge ſelbſt vorkommen. Wenn aber
dieſer Pfarrer gelebt, und die hiſtoriſchen Nach-
richten geſammlet hat, ſolches iſt noch ungewiſſer.

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F 5
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[89/0163] Geneigter Leſer, Du wirſt mir nicht zumuthen, daß ich dir ſagen ſoll, wie ich zu dem Manuſcripte gekommen ſey, von welchem ich dir gegenwaͤrtigen Aus- zug liefere. Wenn ich ſpraͤche, ich haͤtte es unter einem alten Gemaͤuer gefunden: So wuͤrdeſt du es vielleicht, als ein ſchaͤtzbares Alterthum, mit vieler Ehrfurcht durchleſen. Jch koͤnnte dich wohl auch bereden, es gehoͤrte in eine Bibliothek, und weil ich ein Gelehrter bin, ſo wuͤrdeſt du unfehlbar denken, ich haͤtte es mit lehrbegierigen Haͤnden heimlich ent- wendet. Allein, ich bin nicht geſonnen, dir eine Unwahrheit vorzuſagen; du ſollſt aber auch die Wahrheit nicht erfahren. Sey zufrieden, daß ich dir ein Werk mittheile, welches allen Geſchichtſchrei- bern zur Vorſchrift, und dir vielleicht zur Erbauung dienen kann. Den eigentlichen Verfaſſer dieſer Chronike, und die Zeit, wenn ſie geſchrieben worden, kann ich nicht angeben. Auf dem Titelblatte ſteht an ſtatt des Namens ein N. welches der Verfaſſer ſonder Zweifel um deswillen gethan hat, daß er den Leſer neugierig machte, und deſto bekannter wuͤrde. Mei- ne Vermuthung geht dahin, es habe es ein ehema- liger Pfarrer daſelbſt geſchrieben. Ob ich recht habe, wirſt du aus denen Umſtaͤnden urtheilen, die in dem Auszuge ſelbſt vorkommen. Wenn aber dieſer Pfarrer gelebt, und die hiſtoriſchen Nach- richten geſammlet hat, ſolches iſt noch ungewiſſer. Jch F 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/163>, abgerufen am 21.11.2024.