Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
chen, kommen gewiß funfzig aus der Feder solcher
Verfasser, welche innerlich mit dem Himmel murren,
daß sie durch ihre Armuth gehindert werden, auf
eine so prächtige und verschwenderische Art, wie je-
ne, lasterhaft zu seyn. Sie sind Bettelmönche,
welche Mäßigkeit predigen. Jn ihren Augen ist
ein Reicher ohne Unterschied ein ungerechter Mann.
Er und sein Vater müssen Wuchrer gewesen seyn;
wo kämen sonst die Schätze her? Die Tugend adelt
nur, reich macht sie nicht; sagt der Herr Verfasser
mit einer bittern Miene, und schielt ganz kleinmüthig
auf seinen abgetragnen Rock. Sind dergleichen
Scribenten nicht selbst Ursache, daß der Verschwender
und der Wuchrer die Satyren verdächtig machen?

Es ist ein Unglück für die Satyre, wenn sie de-
nen in die Hände geräth, welche witzig gnug sind,
Lachen zu erregen, aber nur aus Muthwillen spotten.
Jn der That sind sie weder boshaft, noch neidisch;
aber sie sind muthwillig. Sie wollen nicht gern
allein lachen; die Welt soll mit lachen. Sie spä-
hen die Fehler des andern aus, nicht, ihn zu bessern,
sondern ihn lächerlich zu machen. Sie sind froh,
daß es Fehler giebt, sonst könnten sie nicht witzig seyn.
Wären alle Menschen tugendhaft; wie sehr würden
sie sich ärgern! Sie warten nicht, bis ihr reifen-

der

Vorbericht.
chen, kommen gewiß funfzig aus der Feder ſolcher
Verfaſſer, welche innerlich mit dem Himmel murren,
daß ſie durch ihre Armuth gehindert werden, auf
eine ſo praͤchtige und verſchwenderiſche Art, wie je-
ne, laſterhaft zu ſeyn. Sie ſind Bettelmoͤnche,
welche Maͤßigkeit predigen. Jn ihren Augen iſt
ein Reicher ohne Unterſchied ein ungerechter Mann.
Er und ſein Vater muͤſſen Wuchrer geweſen ſeyn;
wo kaͤmen ſonſt die Schaͤtze her? Die Tugend adelt
nur, reich macht ſie nicht; ſagt der Herr Verfaſſer
mit einer bittern Miene, und ſchielt ganz kleinmuͤthig
auf ſeinen abgetragnen Rock. Sind dergleichen
Scribenten nicht ſelbſt Urſache, daß der Verſchwender
und der Wuchrer die Satyren verdaͤchtig machen?

Es iſt ein Ungluͤck fuͤr die Satyre, wenn ſie de-
nen in die Haͤnde geraͤth, welche witzig gnug ſind,
Lachen zu erregen, aber nur aus Muthwillen ſpotten.
Jn der That ſind ſie weder boshaft, noch neidiſch;
aber ſie ſind muthwillig. Sie wollen nicht gern
allein lachen; die Welt ſoll mit lachen. Sie ſpaͤ-
hen die Fehler des andern aus, nicht, ihn zu beſſern,
ſondern ihn laͤcherlich zu machen. Sie ſind froh,
daß es Fehler giebt, ſonſt koͤnnten ſie nicht witzig ſeyn.
Waͤren alle Menſchen tugendhaft; wie ſehr wuͤrden
ſie ſich aͤrgern! Sie warten nicht, bis ihr reifen-

der
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <p><pb facs="#f0018" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
chen, kommen gewiß funfzig aus der Feder &#x017F;olcher<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er, welche innerlich mit dem Himmel murren,<lb/>
daß &#x017F;ie durch ihre Armuth gehindert werden, auf<lb/>
eine &#x017F;o pra&#x0364;chtige und ver&#x017F;chwenderi&#x017F;che Art, wie je-<lb/>
ne, la&#x017F;terhaft zu &#x017F;eyn. Sie &#x017F;ind Bettelmo&#x0364;nche,<lb/>
welche Ma&#x0364;ßigkeit predigen. Jn ihren Augen i&#x017F;t<lb/>
ein Reicher ohne Unter&#x017F;chied ein ungerechter Mann.<lb/>
Er und &#x017F;ein Vater mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wuchrer gewe&#x017F;en &#x017F;eyn;<lb/>
wo ka&#x0364;men &#x017F;on&#x017F;t die Scha&#x0364;tze her? Die Tugend adelt<lb/>
nur, reich macht &#x017F;ie nicht; &#x017F;agt der Herr Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
mit einer bittern Miene, und &#x017F;chielt ganz kleinmu&#x0364;thig<lb/>
auf &#x017F;einen abgetragnen Rock. Sind dergleichen<lb/>
Scribenten nicht &#x017F;elb&#x017F;t Ur&#x017F;ache, daß der Ver&#x017F;chwender<lb/>
und der Wuchrer die Satyren verda&#x0364;chtig machen?</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t ein Unglu&#x0364;ck fu&#x0364;r die Satyre, wenn &#x017F;ie de-<lb/>
nen in die Ha&#x0364;nde gera&#x0364;th, welche witzig gnug &#x017F;ind,<lb/>
Lachen zu erregen, aber nur aus Muthwillen &#x017F;potten.<lb/>
Jn der That &#x017F;ind &#x017F;ie weder boshaft, noch neidi&#x017F;ch;<lb/>
aber &#x017F;ie &#x017F;ind muthwillig. Sie wollen nicht gern<lb/>
allein lachen; die Welt &#x017F;oll mit lachen. Sie &#x017F;pa&#x0364;-<lb/>
hen die Fehler des andern aus, nicht, ihn zu be&#x017F;&#x017F;ern,<lb/>
&#x017F;ondern ihn la&#x0364;cherlich zu machen. Sie &#x017F;ind froh,<lb/>
daß es Fehler giebt, &#x017F;on&#x017F;t ko&#x0364;nnten &#x017F;ie nicht witzig &#x017F;eyn.<lb/>
Wa&#x0364;ren alle Men&#x017F;chen tugendhaft; wie &#x017F;ehr wu&#x0364;rden<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich a&#x0364;rgern! Sie warten nicht, bis ihr reifen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[18/0018] Vorbericht. chen, kommen gewiß funfzig aus der Feder ſolcher Verfaſſer, welche innerlich mit dem Himmel murren, daß ſie durch ihre Armuth gehindert werden, auf eine ſo praͤchtige und verſchwenderiſche Art, wie je- ne, laſterhaft zu ſeyn. Sie ſind Bettelmoͤnche, welche Maͤßigkeit predigen. Jn ihren Augen iſt ein Reicher ohne Unterſchied ein ungerechter Mann. Er und ſein Vater muͤſſen Wuchrer geweſen ſeyn; wo kaͤmen ſonſt die Schaͤtze her? Die Tugend adelt nur, reich macht ſie nicht; ſagt der Herr Verfaſſer mit einer bittern Miene, und ſchielt ganz kleinmuͤthig auf ſeinen abgetragnen Rock. Sind dergleichen Scribenten nicht ſelbſt Urſache, daß der Verſchwender und der Wuchrer die Satyren verdaͤchtig machen? Es iſt ein Ungluͤck fuͤr die Satyre, wenn ſie de- nen in die Haͤnde geraͤth, welche witzig gnug ſind, Lachen zu erregen, aber nur aus Muthwillen ſpotten. Jn der That ſind ſie weder boshaft, noch neidiſch; aber ſie ſind muthwillig. Sie wollen nicht gern allein lachen; die Welt ſoll mit lachen. Sie ſpaͤ- hen die Fehler des andern aus, nicht, ihn zu beſſern, ſondern ihn laͤcherlich zu machen. Sie ſind froh, daß es Fehler giebt, ſonſt koͤnnten ſie nicht witzig ſeyn. Waͤren alle Menſchen tugendhaft; wie ſehr wuͤrden ſie ſich aͤrgern! Sie warten nicht, bis ihr reifen- der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/18
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/18>, abgerufen am 21.11.2024.