[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. der Verstand durch die Erfahrung die gründlicheEinsicht erhält, welche nöthig ist, das Herz eines Lasterhaften zu durchforschen, um nur diejenigen Fehler zu züchtigen, welche eine Züchtigung verdie- nen. Nein; so bald sie vernehmlich reden und le- serlich schreiben können, so bald reden und schreiben sie böses. Sie spotten, ehe sie denken lernen, und weil noch immer viel gutes unter dem Muthwillen eines so lebhaften Jünglings verborgen liegt, wel- ches sich gemeiniglich mit den Jahren durcharbeitet: So wird man finden, daß sie aufhören, zu spotten; so bald sie anfangen, zu denken. Jnzwischen muß derjeni- ge von ihnen leiden, welcher es nicht verdient hat. Die Satyre wird verhaßt, weil sie ihre Spöttereyen für Satyren ausgeben; und es gehören viele Jahre da- zu, ehe sie das Andenken ihres jugendlichen Muth- willens auslöschen; man gebe einmal acht, ob nicht diese eben diejenigen sind, welche in den gelehrten Kriegen das größte Lärmen machen. Die Schreibart, deren man sich bey der Satyre schen b 2
Vorbericht. der Verſtand durch die Erfahrung die gruͤndlicheEinſicht erhaͤlt, welche noͤthig iſt, das Herz eines Laſterhaften zu durchforſchen, um nur diejenigen Fehler zu zuͤchtigen, welche eine Zuͤchtigung verdie- nen. Nein; ſo bald ſie vernehmlich reden und le- ſerlich ſchreiben koͤnnen, ſo bald reden und ſchreiben ſie boͤſes. Sie ſpotten, ehe ſie denken lernen, und weil noch immer viel gutes unter dem Muthwillen eines ſo lebhaften Juͤnglings verborgen liegt, wel- ches ſich gemeiniglich mit den Jahren durcharbeitet: So wird man finden, daß ſie aufhoͤren, zu ſpotten; ſo bald ſie anfangen, zu denken. Jnzwiſchen muß derjeni- ge von ihnen leiden, welcher es nicht verdient hat. Die Satyre wird verhaßt, weil ſie ihre Spoͤttereyen fuͤr Satyren ausgeben; und es gehoͤren viele Jahre da- zu, ehe ſie das Andenken ihres jugendlichen Muth- willens ausloͤſchen; man gebe einmal acht, ob nicht dieſe eben diejenigen ſind, welche in den gelehrten Kriegen das groͤßte Laͤrmen machen. Die Schreibart, deren man ſich bey der Satyre ſchen b 2
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Vorbericht.
der Verſtand durch die Erfahrung die gruͤndliche
Einſicht erhaͤlt, welche noͤthig iſt, das Herz eines
Laſterhaften zu durchforſchen, um nur diejenigen
Fehler zu zuͤchtigen, welche eine Zuͤchtigung verdie-
nen. Nein; ſo bald ſie vernehmlich reden und le-
ſerlich ſchreiben koͤnnen, ſo bald reden und ſchreiben
ſie boͤſes. Sie ſpotten, ehe ſie denken lernen, und
weil noch immer viel gutes unter dem Muthwillen
eines ſo lebhaften Juͤnglings verborgen liegt, wel-
ches ſich gemeiniglich mit den Jahren durcharbeitet:
So wird man finden, daß ſie aufhoͤren, zu ſpotten; ſo
bald ſie anfangen, zu denken. Jnzwiſchen muß derjeni-
ge von ihnen leiden, welcher es nicht verdient hat. Die
Satyre wird verhaßt, weil ſie ihre Spoͤttereyen fuͤr
Satyren ausgeben; und es gehoͤren viele Jahre da-
zu, ehe ſie das Andenken ihres jugendlichen Muth-
willens ausloͤſchen; man gebe einmal acht, ob nicht
dieſe eben diejenigen ſind, welche in den gelehrten
Kriegen das groͤßte Laͤrmen machen.
Die Schreibart, deren man ſich bey der Satyre
bedienet, will mit einer außerordentlichen Vorſicht
gewaͤhlt ſeyn, wenn ſie nicht anſtoͤßig werden und
den Leſer wider die Satyre aufbringen ſoll. Viele
glauben, recht herzhaft zu lehren, wenn ſie recht an-
zuͤglich ſchreiben. Sie murren die Fehler der Men-
ſchen
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