Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Mein Herr,

Man hat mir gesagt, Sie wären seit etlichen
Monaten mit einer Sammlung verschied-
ner deutscher Schriften beschäfftigt. Bey
dieser Gelegenheit bekommen Sie vermuthlich viele
Briefe von gelehrten Männern zu lesen. Jch zweif-
le aber doch nicht, Sie werden Sich auf mein Bitten
die kleine Gewalt anthun, und einen Brief eines
jungen Menschen ansehen, welcher nur vor wenig
Wochen die niedern Schulen verlassen hat, und im
Begriffe steht, auf eine hohe Schule zu ziehen, um,
gewöhnlichermaaßen, längstens binnen drey Jah-
ren zu absolviren. Daß ich mir diese Freyheit neh-
me, dazu veranlaßt mich ein Umstand, von dessen
Wichtigkeit ich Sie bald überführen will.

Jch habe mich sechs Jahr lang in einer Schule
aufgehalten, welche vor allen übrigen Schulen einen
Vorzug, und zugleich den billigen Ruhm hat, daß
viele große, und gelehrte Männer den Grund ihres
Glücks darinnen gelegt haben. So bald ich die er-
sten Jahre überstanden, und mich geschickt gemacht
hatte, die Sache mit einer reifern Ueberlegung
einzusehen; so ließ ich bey einem unermüdeten Eifer
diejenigen Wissenschaften mein Hauptwerk seyn, zu
denen ich den größten Trieb empfand, und welche
ich für die edelsten unter allen hielt. Jch traue Jh-
nen die Einsicht zu, daß Sie von selbst errathen kön-
nen, worinnen also meine vornehmste Bemühung
bestanden habe.

Es




Mein Herr,

Man hat mir geſagt, Sie waͤren ſeit etlichen
Monaten mit einer Sammlung verſchied-
ner deutſcher Schriften beſchaͤfftigt. Bey
dieſer Gelegenheit bekommen Sie vermuthlich viele
Briefe von gelehrten Maͤnnern zu leſen. Jch zweif-
le aber doch nicht, Sie werden Sich auf mein Bitten
die kleine Gewalt anthun, und einen Brief eines
jungen Menſchen anſehen, welcher nur vor wenig
Wochen die niedern Schulen verlaſſen hat, und im
Begriffe ſteht, auf eine hohe Schule zu ziehen, um,
gewoͤhnlichermaaßen, laͤngſtens binnen drey Jah-
ren zu abſolviren. Daß ich mir dieſe Freyheit neh-
me, dazu veranlaßt mich ein Umſtand, von deſſen
Wichtigkeit ich Sie bald uͤberfuͤhren will.

Jch habe mich ſechs Jahr lang in einer Schule
aufgehalten, welche vor allen uͤbrigen Schulen einen
Vorzug, und zugleich den billigen Ruhm hat, daß
viele große, und gelehrte Maͤnner den Grund ihres
Gluͤcks darinnen gelegt haben. So bald ich die er-
ſten Jahre uͤberſtanden, und mich geſchickt gemacht
hatte, die Sache mit einer reifern Ueberlegung
einzuſehen; ſo ließ ich bey einem unermuͤdeten Eifer
diejenigen Wiſſenſchaften mein Hauptwerk ſeyn, zu
denen ich den groͤßten Trieb empfand, und welche
ich fuͤr die edelſten unter allen hielt. Jch traue Jh-
nen die Einſicht zu, daß Sie von ſelbſt errathen koͤn-
nen, worinnen alſo meine vornehmſte Bemuͤhung
beſtanden habe.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0183" n="109"/>
        <fw place="top" type="header">
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </fw>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>an hat mir ge&#x017F;agt, Sie wa&#x0364;ren &#x017F;eit etlichen<lb/>
Monaten mit einer Sammlung ver&#x017F;chied-<lb/>
ner deut&#x017F;cher Schriften be&#x017F;cha&#x0364;fftigt. Bey<lb/>
die&#x017F;er Gelegenheit bekommen Sie vermuthlich viele<lb/>
Briefe von gelehrten Ma&#x0364;nnern zu le&#x017F;en. Jch zweif-<lb/>
le aber doch nicht, Sie werden Sich auf mein Bitten<lb/>
die kleine Gewalt anthun, und einen Brief eines<lb/>
jungen Men&#x017F;chen an&#x017F;ehen, welcher nur vor wenig<lb/>
Wochen die niedern Schulen verla&#x017F;&#x017F;en hat, und im<lb/>
Begriffe &#x017F;teht, auf eine hohe Schule zu ziehen, um,<lb/>
gewo&#x0364;hnlichermaaßen, la&#x0364;ng&#x017F;tens binnen drey Jah-<lb/>
ren zu ab&#x017F;olviren. Daß ich mir die&#x017F;e Freyheit neh-<lb/>
me, dazu veranlaßt mich ein Um&#x017F;tand, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Wichtigkeit ich Sie bald u&#x0364;berfu&#x0364;hren will.</p><lb/>
        <p>Jch habe mich &#x017F;echs Jahr lang in einer Schule<lb/>
aufgehalten, welche vor allen u&#x0364;brigen Schulen einen<lb/>
Vorzug, und zugleich den billigen Ruhm hat, daß<lb/>
viele große, und gelehrte Ma&#x0364;nner den Grund ihres<lb/>
Glu&#x0364;cks darinnen gelegt haben. So bald ich die er-<lb/>
&#x017F;ten Jahre u&#x0364;ber&#x017F;tanden, und mich ge&#x017F;chickt gemacht<lb/>
hatte, die Sache mit einer reifern Ueberlegung<lb/>
einzu&#x017F;ehen; &#x017F;o ließ ich bey einem unermu&#x0364;deten Eifer<lb/>
diejenigen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften mein Hauptwerk &#x017F;eyn, zu<lb/>
denen ich den gro&#x0364;ßten Trieb empfand, und welche<lb/>
ich fu&#x0364;r die edel&#x017F;ten unter allen hielt. Jch traue Jh-<lb/>
nen die Ein&#x017F;icht zu, daß Sie von &#x017F;elb&#x017F;t errathen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, worinnen al&#x017F;o meine vornehm&#x017F;te Bemu&#x0364;hung<lb/>
be&#x017F;tanden habe.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0183] Mein Herr, Man hat mir geſagt, Sie waͤren ſeit etlichen Monaten mit einer Sammlung verſchied- ner deutſcher Schriften beſchaͤfftigt. Bey dieſer Gelegenheit bekommen Sie vermuthlich viele Briefe von gelehrten Maͤnnern zu leſen. Jch zweif- le aber doch nicht, Sie werden Sich auf mein Bitten die kleine Gewalt anthun, und einen Brief eines jungen Menſchen anſehen, welcher nur vor wenig Wochen die niedern Schulen verlaſſen hat, und im Begriffe ſteht, auf eine hohe Schule zu ziehen, um, gewoͤhnlichermaaßen, laͤngſtens binnen drey Jah- ren zu abſolviren. Daß ich mir dieſe Freyheit neh- me, dazu veranlaßt mich ein Umſtand, von deſſen Wichtigkeit ich Sie bald uͤberfuͤhren will. Jch habe mich ſechs Jahr lang in einer Schule aufgehalten, welche vor allen uͤbrigen Schulen einen Vorzug, und zugleich den billigen Ruhm hat, daß viele große, und gelehrte Maͤnner den Grund ihres Gluͤcks darinnen gelegt haben. So bald ich die er- ſten Jahre uͤberſtanden, und mich geſchickt gemacht hatte, die Sache mit einer reifern Ueberlegung einzuſehen; ſo ließ ich bey einem unermuͤdeten Eifer diejenigen Wiſſenſchaften mein Hauptwerk ſeyn, zu denen ich den groͤßten Trieb empfand, und welche ich fuͤr die edelſten unter allen hielt. Jch traue Jh- nen die Einſicht zu, daß Sie von ſelbſt errathen koͤn- nen, worinnen alſo meine vornehmſte Bemuͤhung beſtanden habe. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/183
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/183>, abgerufen am 21.11.2024.