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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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eines Märtyrers.
den schlecht belohnt. Man mied meine Gesell-
schaft, man verachtete, man verspottete, man ver-
abscheute mich, und ich erfuhr, daß einige sich ver-
schworen hatten, mich öffentlich zu beschimpfen.
Es wäre auch gewiß geschehen, wenn ich nicht bey
Zeiten die Vorsicht gebraucht, und mich an einen
andern Ort begeben hätte, um die angefangnen
Studien zu vollenden.

Das Schicksal führte mich zu einem Manne,
der mir freyen Unterhalt gab, und mir große Ge-
fälligkeiten erwies. Er glaubte, seine Gemüths-
neigung habe mit der meinigen viele Aehnlichkeit;
und dieses bewog ihn zum Mitleiden. Jch kann
nicht sagen, daß er ein hitziger Verehrer der Wahr-
heit gewesen wäre. Seine große Leidenschaft be-
stund in der Begierde, Recht zu behalten, seine vor-
gefaßte Meynung zu vertheidigen, und mit allen
aufs unbarmherzigste zu verfahren, welche anders
urtheilten. Er war einer von denen Gelehrten,
welche die Fähigkeit nicht haben, selbst etwas nütz-
liches zu schreiben, aber mit desto größerm Vorwitze
die Schriften andrer durchwühlen. Ein Comma,
ein Punkt, ein einziger Buchstabe war vermögend,
ihn in die größte Wuth zu bringen, und diejenigen
in den Bann zu thun, welche ihm widersprachen.
Er besaß einen erstaunenden Vorrath von Büchern
nach seinem Geschmacke; wie er denn glaubte, der
sey kein rechtschaffner Gelehrter, welcher nicht we-
nigstens sechs bis acht Pfund Bücher geschrieben

habe.

eines Maͤrtyrers.
den ſchlecht belohnt. Man mied meine Geſell-
ſchaft, man verachtete, man verſpottete, man ver-
abſcheute mich, und ich erfuhr, daß einige ſich ver-
ſchworen hatten, mich oͤffentlich zu beſchimpfen.
Es waͤre auch gewiß geſchehen, wenn ich nicht bey
Zeiten die Vorſicht gebraucht, und mich an einen
andern Ort begeben haͤtte, um die angefangnen
Studien zu vollenden.

Das Schickſal fuͤhrte mich zu einem Manne,
der mir freyen Unterhalt gab, und mir große Ge-
faͤlligkeiten erwies. Er glaubte, ſeine Gemuͤths-
neigung habe mit der meinigen viele Aehnlichkeit;
und dieſes bewog ihn zum Mitleiden. Jch kann
nicht ſagen, daß er ein hitziger Verehrer der Wahr-
heit geweſen waͤre. Seine große Leidenſchaft be-
ſtund in der Begierde, Recht zu behalten, ſeine vor-
gefaßte Meynung zu vertheidigen, und mit allen
aufs unbarmherzigſte zu verfahren, welche anders
urtheilten. Er war einer von denen Gelehrten,
welche die Faͤhigkeit nicht haben, ſelbſt etwas nuͤtz-
liches zu ſchreiben, aber mit deſto groͤßerm Vorwitze
die Schriften andrer durchwuͤhlen. Ein Comma,
ein Punkt, ein einziger Buchſtabe war vermoͤgend,
ihn in die groͤßte Wuth zu bringen, und diejenigen
in den Bann zu thun, welche ihm widerſprachen.
Er beſaß einen erſtaunenden Vorrath von Buͤchern
nach ſeinem Geſchmacke; wie er denn glaubte, der
ſey kein rechtſchaffner Gelehrter, welcher nicht we-
nigſtens ſechs bis acht Pfund Buͤcher geſchrieben

habe.
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[127/0201] eines Maͤrtyrers. den ſchlecht belohnt. Man mied meine Geſell- ſchaft, man verachtete, man verſpottete, man ver- abſcheute mich, und ich erfuhr, daß einige ſich ver- ſchworen hatten, mich oͤffentlich zu beſchimpfen. Es waͤre auch gewiß geſchehen, wenn ich nicht bey Zeiten die Vorſicht gebraucht, und mich an einen andern Ort begeben haͤtte, um die angefangnen Studien zu vollenden. Das Schickſal fuͤhrte mich zu einem Manne, der mir freyen Unterhalt gab, und mir große Ge- faͤlligkeiten erwies. Er glaubte, ſeine Gemuͤths- neigung habe mit der meinigen viele Aehnlichkeit; und dieſes bewog ihn zum Mitleiden. Jch kann nicht ſagen, daß er ein hitziger Verehrer der Wahr- heit geweſen waͤre. Seine große Leidenſchaft be- ſtund in der Begierde, Recht zu behalten, ſeine vor- gefaßte Meynung zu vertheidigen, und mit allen aufs unbarmherzigſte zu verfahren, welche anders urtheilten. Er war einer von denen Gelehrten, welche die Faͤhigkeit nicht haben, ſelbſt etwas nuͤtz- liches zu ſchreiben, aber mit deſto groͤßerm Vorwitze die Schriften andrer durchwuͤhlen. Ein Comma, ein Punkt, ein einziger Buchſtabe war vermoͤgend, ihn in die groͤßte Wuth zu bringen, und diejenigen in den Bann zu thun, welche ihm widerſprachen. Er beſaß einen erſtaunenden Vorrath von Buͤchern nach ſeinem Geſchmacke; wie er denn glaubte, der ſey kein rechtſchaffner Gelehrter, welcher nicht we- nigſtens ſechs bis acht Pfund Buͤcher geſchrieben habe.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/201>, abgerufen am 24.11.2024.