Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
nen Schülern hundert ungesittete Bürger gezogen.
Jn der That erschrecke ich allemal, wenn ich sehe,
daß ein Schulmann unter die Geißel der Satyre
fällt. Jhn bedaure ich selten, aber die Folgen da-
von sind mir zu ernsthaft. Und thun dergleichen
Lehrer wohl Unrecht, wenn sie der Jugend fürchter-
liche Begriffe von der Satyre beyzubringen suchen?

Die Geistlichen haben gemeiniglich das Unglück,
daß der Witz satyrischer Köpfe auf sie am meisten
anprellt. Jch bin sehr unzufrieden damit. Da
verschiedne unter ihnen so wenig sorgfältig sind, ih-
re Fehler zu verbergen: So können sie von uns nicht
verlangen, daß wir sie nicht wahrnehmen sollten.
Sie sind nicht über die Satyre erhaben, das räume
ich ihnen nicht ein; viele sind tief unter derselben,
wenn man sie nach ihrer unanständigen Aufführung
beurtheilen soll, und viele würden gar zu sorglos seyn,
wann ihre ehrwürdige Kleidung sie vor allen Strei-
chen der Satyre schützte. Dennoch glaube ich, daß
man nicht vorsichtig genug dabey verfahren könne.
Es gilt hier beynahe eben das, was ich oben von
den Lehrern in Schulen gesagt habe. Die Reli-
gion läuft Gefahr, verächtlich zu werden, wenn man
die Fehler desjenigen verächtlich macht, welcher ge-
setzt ist, die Religion zu predigen. Das Volk ist nicht

allemal
b 4

Vorbericht.
nen Schuͤlern hundert ungeſittete Buͤrger gezogen.
Jn der That erſchrecke ich allemal, wenn ich ſehe,
daß ein Schulmann unter die Geißel der Satyre
faͤllt. Jhn bedaure ich ſelten, aber die Folgen da-
von ſind mir zu ernſthaft. Und thun dergleichen
Lehrer wohl Unrecht, wenn ſie der Jugend fuͤrchter-
liche Begriffe von der Satyre beyzubringen ſuchen?

Die Geiſtlichen haben gemeiniglich das Ungluͤck,
daß der Witz ſatyriſcher Koͤpfe auf ſie am meiſten
anprellt. Jch bin ſehr unzufrieden damit. Da
verſchiedne unter ihnen ſo wenig ſorgfaͤltig ſind, ih-
re Fehler zu verbergen: So koͤnnen ſie von uns nicht
verlangen, daß wir ſie nicht wahrnehmen ſollten.
Sie ſind nicht uͤber die Satyre erhaben, das raͤume
ich ihnen nicht ein; viele ſind tief unter derſelben,
wenn man ſie nach ihrer unanſtaͤndigen Auffuͤhrung
beurtheilen ſoll, und viele wuͤrden gar zu ſorglos ſeyn,
wann ihre ehrwuͤrdige Kleidung ſie vor allen Strei-
chen der Satyre ſchuͤtzte. Dennoch glaube ich, daß
man nicht vorſichtig genug dabey verfahren koͤnne.
Es gilt hier beynahe eben das, was ich oben von
den Lehrern in Schulen geſagt habe. Die Reli-
gion laͤuft Gefahr, veraͤchtlich zu werden, wenn man
die Fehler desjenigen veraͤchtlich macht, welcher ge-
ſetzt iſt, die Religion zu predigen. Das Volk iſt nicht

allemal
b 4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <p><pb facs="#f0023" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
nen Schu&#x0364;lern hundert unge&#x017F;ittete Bu&#x0364;rger gezogen.<lb/>
Jn der That er&#x017F;chrecke ich allemal, wenn ich &#x017F;ehe,<lb/>
daß ein Schulmann unter die Geißel der Satyre<lb/>
fa&#x0364;llt. Jhn bedaure ich &#x017F;elten, aber die Folgen da-<lb/>
von &#x017F;ind mir zu ern&#x017F;thaft. Und thun dergleichen<lb/>
Lehrer wohl Unrecht, wenn &#x017F;ie der Jugend fu&#x0364;rchter-<lb/>
liche Begriffe von der Satyre beyzubringen &#x017F;uchen?</p><lb/>
        <p>Die Gei&#x017F;tlichen haben gemeiniglich das Unglu&#x0364;ck,<lb/>
daß der Witz &#x017F;atyri&#x017F;cher Ko&#x0364;pfe auf &#x017F;ie am mei&#x017F;ten<lb/>
anprellt. Jch bin &#x017F;ehr unzufrieden damit. Da<lb/>
ver&#x017F;chiedne unter ihnen &#x017F;o wenig &#x017F;orgfa&#x0364;ltig &#x017F;ind, ih-<lb/>
re Fehler zu verbergen: So ko&#x0364;nnen &#x017F;ie von uns nicht<lb/>
verlangen, daß wir &#x017F;ie nicht wahrnehmen &#x017F;ollten.<lb/>
Sie &#x017F;ind nicht u&#x0364;ber die Satyre erhaben, das ra&#x0364;ume<lb/>
ich ihnen nicht ein; viele &#x017F;ind tief unter der&#x017F;elben,<lb/>
wenn man &#x017F;ie nach ihrer unan&#x017F;ta&#x0364;ndigen Auffu&#x0364;hrung<lb/>
beurtheilen &#x017F;oll, und viele wu&#x0364;rden gar zu &#x017F;orglos &#x017F;eyn,<lb/>
wann ihre ehrwu&#x0364;rdige Kleidung &#x017F;ie vor allen Strei-<lb/>
chen der Satyre &#x017F;chu&#x0364;tzte. Dennoch glaube ich, daß<lb/>
man nicht vor&#x017F;ichtig genug dabey verfahren ko&#x0364;nne.<lb/>
Es gilt hier beynahe eben das, was ich oben von<lb/>
den Lehrern in Schulen ge&#x017F;agt habe. Die Reli-<lb/>
gion la&#x0364;uft Gefahr, vera&#x0364;chtlich zu werden, wenn man<lb/>
die Fehler desjenigen vera&#x0364;chtlich macht, welcher ge-<lb/>
&#x017F;etzt i&#x017F;t, die Religion zu predigen. Das Volk i&#x017F;t nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b 4</fw><fw place="bottom" type="catch">allemal</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[23/0023] Vorbericht. nen Schuͤlern hundert ungeſittete Buͤrger gezogen. Jn der That erſchrecke ich allemal, wenn ich ſehe, daß ein Schulmann unter die Geißel der Satyre faͤllt. Jhn bedaure ich ſelten, aber die Folgen da- von ſind mir zu ernſthaft. Und thun dergleichen Lehrer wohl Unrecht, wenn ſie der Jugend fuͤrchter- liche Begriffe von der Satyre beyzubringen ſuchen? Die Geiſtlichen haben gemeiniglich das Ungluͤck, daß der Witz ſatyriſcher Koͤpfe auf ſie am meiſten anprellt. Jch bin ſehr unzufrieden damit. Da verſchiedne unter ihnen ſo wenig ſorgfaͤltig ſind, ih- re Fehler zu verbergen: So koͤnnen ſie von uns nicht verlangen, daß wir ſie nicht wahrnehmen ſollten. Sie ſind nicht uͤber die Satyre erhaben, das raͤume ich ihnen nicht ein; viele ſind tief unter derſelben, wenn man ſie nach ihrer unanſtaͤndigen Auffuͤhrung beurtheilen ſoll, und viele wuͤrden gar zu ſorglos ſeyn, wann ihre ehrwuͤrdige Kleidung ſie vor allen Strei- chen der Satyre ſchuͤtzte. Dennoch glaube ich, daß man nicht vorſichtig genug dabey verfahren koͤnne. Es gilt hier beynahe eben das, was ich oben von den Lehrern in Schulen geſagt habe. Die Reli- gion laͤuft Gefahr, veraͤchtlich zu werden, wenn man die Fehler desjenigen veraͤchtlich macht, welcher ge- ſetzt iſt, die Religion zu predigen. Das Volk iſt nicht allemal b 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/23
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/23>, abgerufen am 21.11.2024.