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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Vorbericht.
eben dem Vergnügen unsre Schrift lesen, wie es al-
lenfalls die ietzt lebenden thun? Hundert kleine Um-
stände, die uns lächerlich sind, fallen sodann weg,
und werden den Nachkommen gleichgültig. Wie
viel vermissen wir, eben um deswillen, an den Sa-
tyren des Juvenals? Boileau, dessen Witz vielleicht
bitterer, als aufrichtig, war, hat einen großen Theil
der Unsterblichkeit seinen Scholiasten zu danken.
Viele Schriften vom Swift kommen uns abge-
schmackt vor, weil wir in Deutschland die Originale
nicht kennen, und die Gelegenheit nicht mehr wissen,
welche seine persönlichen Satyren veranlaßt haben.
Thun wir uns also durch dergleichen persönliche Sa-
tyren nicht selbst Schaden?

Wie unendlich sind die Vorzüge, welche die
allgemeine Satyre vor der persönlichen hat! Da-
durch, daß ich Laster oder Fehler, welche vielen zu-
gleich gemein sind, zum Gegenstande meiner Saty-
re wähle, vermeide ich bey billigen Lesern den Vor-
wurf, daß ich aus Privatleidenschaften, aus persön-
lichem Hasse, aus Begierde, mich zu rächen, schreibe.
Gewinnt ein Autor so viel; erlangt er das Zu-
trauen der Leser, daß seine Absichten tugendhaft, bil-
lig und uneigennnützig sind: So hat er schon halb
gewonnen. Er kann gewiß hoffen, daß seine Sa-

tyren

Vorbericht.
eben dem Vergnuͤgen unſre Schrift leſen, wie es al-
lenfalls die ietzt lebenden thun? Hundert kleine Um-
ſtaͤnde, die uns laͤcherlich ſind, fallen ſodann weg,
und werden den Nachkommen gleichguͤltig. Wie
viel vermiſſen wir, eben um deswillen, an den Sa-
tyren des Juvenals? Boileau, deſſen Witz vielleicht
bitterer, als aufrichtig, war, hat einen großen Theil
der Unſterblichkeit ſeinen Scholiaſten zu danken.
Viele Schriften vom Swift kommen uns abge-
ſchmackt vor, weil wir in Deutſchland die Originale
nicht kennen, und die Gelegenheit nicht mehr wiſſen,
welche ſeine perſoͤnlichen Satyren veranlaßt haben.
Thun wir uns alſo durch dergleichen perſoͤnliche Sa-
tyren nicht ſelbſt Schaden?

Wie unendlich ſind die Vorzuͤge, welche die
allgemeine Satyre vor der perſoͤnlichen hat! Da-
durch, daß ich Laſter oder Fehler, welche vielen zu-
gleich gemein ſind, zum Gegenſtande meiner Saty-
re waͤhle, vermeide ich bey billigen Leſern den Vor-
wurf, daß ich aus Privatleidenſchaften, aus perſoͤn-
lichem Haſſe, aus Begierde, mich zu raͤchen, ſchreibe.
Gewinnt ein Autor ſo viel; erlangt er das Zu-
trauen der Leſer, daß ſeine Abſichten tugendhaft, bil-
lig und uneigennnuͤtzig ſind: So hat er ſchon halb
gewonnen. Er kann gewiß hoffen, daß ſeine Sa-

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[40/0040] Vorbericht. eben dem Vergnuͤgen unſre Schrift leſen, wie es al- lenfalls die ietzt lebenden thun? Hundert kleine Um- ſtaͤnde, die uns laͤcherlich ſind, fallen ſodann weg, und werden den Nachkommen gleichguͤltig. Wie viel vermiſſen wir, eben um deswillen, an den Sa- tyren des Juvenals? Boileau, deſſen Witz vielleicht bitterer, als aufrichtig, war, hat einen großen Theil der Unſterblichkeit ſeinen Scholiaſten zu danken. Viele Schriften vom Swift kommen uns abge- ſchmackt vor, weil wir in Deutſchland die Originale nicht kennen, und die Gelegenheit nicht mehr wiſſen, welche ſeine perſoͤnlichen Satyren veranlaßt haben. Thun wir uns alſo durch dergleichen perſoͤnliche Sa- tyren nicht ſelbſt Schaden? Wie unendlich ſind die Vorzuͤge, welche die allgemeine Satyre vor der perſoͤnlichen hat! Da- durch, daß ich Laſter oder Fehler, welche vielen zu- gleich gemein ſind, zum Gegenſtande meiner Saty- re waͤhle, vermeide ich bey billigen Leſern den Vor- wurf, daß ich aus Privatleidenſchaften, aus perſoͤn- lichem Haſſe, aus Begierde, mich zu raͤchen, ſchreibe. Gewinnt ein Autor ſo viel; erlangt er das Zu- trauen der Leſer, daß ſeine Abſichten tugendhaft, bil- lig und uneigennnuͤtzig ſind: So hat er ſchon halb gewonnen. Er kann gewiß hoffen, daß ſeine Sa- tyren

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/40>, abgerufen am 21.11.2024.