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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Vorbericht.
brechen anzudichten sucht; Sie wissen auch so viel,
daß die Satyre nur die Laster der Menschen, und
das Lächerliche einer thörichten Aufführung durch
Spotten kennbar zu machen sucht, um andern einen
Ekel dawider beyzubringen, und wo möglich, die
Lasterhaften selbst tugendhaft zu machen. Beides
wissen sie, und dennoch seufzen sie über einen Saty-
renschreiber so sehr, als über einen Pasquillanten.

Jch glaube, die Ursachen, dieser ungereimten
Urtheile liegen an den Schriftstellern so wohl, als
an den Lesern.

Jch will mich bemühen, einige Ursachen aus
einander zu setzen, warum viele Leser auf eine so
unbillige Art von der Satyre urtheilen.

Die vorgefaßte Meynung ist wohl eine der wich-
tigsten. Man hat es uns in unsrer Jugend gesagt,
daß die Satyre vom Pasquille wenig oder nichts un-
terschieden sey. Wir würden selbst nachdenken müs-
sen, wenn wir diesen Unterschied finden wollten;
vielmals aber können wir nicht selbst denken, und
noch öfter sind wir zu bequem dazu. Ohne uns
also weiter zu bekümmern, sagen wir in kindlichem
Gehorsame nach, was unsre Mutter und Großmutter
vor uns gesagt haben; und diese waren doch auch
christliche Weiber! Dergleichen Leser sind in der

That
a 3

Vorbericht.
brechen anzudichten ſucht; Sie wiſſen auch ſo viel,
daß die Satyre nur die Laſter der Menſchen, und
das Laͤcherliche einer thoͤrichten Auffuͤhrung durch
Spotten kennbar zu machen ſucht, um andern einen
Ekel dawider beyzubringen, und wo moͤglich, die
Laſterhaften ſelbſt tugendhaft zu machen. Beides
wiſſen ſie, und dennoch ſeufzen ſie uͤber einen Saty-
renſchreiber ſo ſehr, als uͤber einen Pasquillanten.

Jch glaube, die Urſachen, dieſer ungereimten
Urtheile liegen an den Schriftſtellern ſo wohl, als
an den Leſern.

Jch will mich bemuͤhen, einige Urſachen aus
einander zu ſetzen, warum viele Leſer auf eine ſo
unbillige Art von der Satyre urtheilen.

Die vorgefaßte Meynung iſt wohl eine der wich-
tigſten. Man hat es uns in unſrer Jugend geſagt,
daß die Satyre vom Pasquille wenig oder nichts un-
terſchieden ſey. Wir wuͤrden ſelbſt nachdenken muͤſ-
ſen, wenn wir dieſen Unterſchied finden wollten;
vielmals aber koͤnnen wir nicht ſelbſt denken, und
noch oͤfter ſind wir zu bequem dazu. Ohne uns
alſo weiter zu bekuͤmmern, ſagen wir in kindlichem
Gehorſame nach, was unſre Mutter und Großmutter
vor uns geſagt haben; und dieſe waren doch auch
chriſtliche Weiber! Dergleichen Leſer ſind in der

That
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[5/0005] Vorbericht. brechen anzudichten ſucht; Sie wiſſen auch ſo viel, daß die Satyre nur die Laſter der Menſchen, und das Laͤcherliche einer thoͤrichten Auffuͤhrung durch Spotten kennbar zu machen ſucht, um andern einen Ekel dawider beyzubringen, und wo moͤglich, die Laſterhaften ſelbſt tugendhaft zu machen. Beides wiſſen ſie, und dennoch ſeufzen ſie uͤber einen Saty- renſchreiber ſo ſehr, als uͤber einen Pasquillanten. Jch glaube, die Urſachen, dieſer ungereimten Urtheile liegen an den Schriftſtellern ſo wohl, als an den Leſern. Jch will mich bemuͤhen, einige Urſachen aus einander zu ſetzen, warum viele Leſer auf eine ſo unbillige Art von der Satyre urtheilen. Die vorgefaßte Meynung iſt wohl eine der wich- tigſten. Man hat es uns in unſrer Jugend geſagt, daß die Satyre vom Pasquille wenig oder nichts un- terſchieden ſey. Wir wuͤrden ſelbſt nachdenken muͤſ- ſen, wenn wir dieſen Unterſchied finden wollten; vielmals aber koͤnnen wir nicht ſelbſt denken, und noch oͤfter ſind wir zu bequem dazu. Ohne uns alſo weiter zu bekuͤmmern, ſagen wir in kindlichem Gehorſame nach, was unſre Mutter und Großmutter vor uns geſagt haben; und dieſe waren doch auch chriſtliche Weiber! Dergleichen Leſer ſind in der That a 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/5>, abgerufen am 21.11.2024.