[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. That mehr zu bedauern, als zu bestrafen. Sie kön-nen bey ihrer gemächlichen Unempfindlichkeit immer ganz fromme Leute seyn, denn viele Leute sind auch aus Dummheit fromm, und ihre guten Absichten ersetzen das, was ihnen am Verstande fehlt. Diejenigen sind weit weniger zu entschuldigen, ein
Vorbericht. That mehr zu bedauern, als zu beſtrafen. Sie koͤn-nen bey ihrer gemaͤchlichen Unempfindlichkeit immer ganz fromme Leute ſeyn, denn viele Leute ſind auch aus Dummheit fromm, und ihre guten Abſichten erſetzen das, was ihnen am Verſtande fehlt. Diejenigen ſind weit weniger zu entſchuldigen, ein
<TEI> <text> <front> <div> <p><pb facs="#f0006" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/> That mehr zu bedauern, als zu beſtrafen. Sie koͤn-<lb/> nen bey ihrer gemaͤchlichen Unempfindlichkeit immer<lb/> ganz fromme Leute ſeyn, denn viele Leute ſind auch<lb/> aus Dummheit fromm, und ihre guten Abſichten<lb/> erſetzen das, was ihnen am Verſtande fehlt.</p><lb/> <p>Diejenigen ſind weit weniger zu entſchuldigen,<lb/> welche auf die Bemuͤhungen, die Laſter laͤcherlich<lb/> und verhaßt zu machen, unerbittlich eifern, und<lb/> doch unermuͤdet ſind, von ihrem unſchuldigen Nach-<lb/> bar alles boͤſe zu reden, was ihnen der Neid oder an-<lb/> dre Leidenſchaften eingeben. Vielleicht halten dieſe<lb/> es fuͤr einen Eingriff in ihr Amt; denn dazu haben<lb/> ſie zu viel Eigenliebe, daß ſie ihre Verleumdungen<lb/> fuͤr Bosheit, und die Abſichten eines Satyrenſchrei-<lb/> bers fuͤr Menſchenliebe halten ſollten. Gemeinig-<lb/> lich ruͤhrt ihre Wut aus der Quelle ſo vieler Laſter,<lb/> aus der Heucheley, her. Sie fuͤhlen es, daß ihre<lb/> Auffuͤhrung ſchaͤndlich iſt; ſie haben ſich zu lieb,<lb/> als daß ſie ſolche aͤndern ſollten; ſie glauben, ge-<lb/> nug gethan zu haben, wenn ſie ihr einen guten An-<lb/> ſtrich geben. Sie eifern auf die Satyren, um auf<lb/> die Verleumdung eifern zu koͤnnen, und unter dieſer<lb/> ehrbaren Maske verfahren ſie ſo lieblos mit ihren<lb/> Naͤchſten, ohne den Vorwurf zu befuͤrchten, daß ſie<lb/> gefaͤhrliche Verleumder ſind. Denn wie wollte der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [6/0006]
Vorbericht.
That mehr zu bedauern, als zu beſtrafen. Sie koͤn-
nen bey ihrer gemaͤchlichen Unempfindlichkeit immer
ganz fromme Leute ſeyn, denn viele Leute ſind auch
aus Dummheit fromm, und ihre guten Abſichten
erſetzen das, was ihnen am Verſtande fehlt.
Diejenigen ſind weit weniger zu entſchuldigen,
welche auf die Bemuͤhungen, die Laſter laͤcherlich
und verhaßt zu machen, unerbittlich eifern, und
doch unermuͤdet ſind, von ihrem unſchuldigen Nach-
bar alles boͤſe zu reden, was ihnen der Neid oder an-
dre Leidenſchaften eingeben. Vielleicht halten dieſe
es fuͤr einen Eingriff in ihr Amt; denn dazu haben
ſie zu viel Eigenliebe, daß ſie ihre Verleumdungen
fuͤr Bosheit, und die Abſichten eines Satyrenſchrei-
bers fuͤr Menſchenliebe halten ſollten. Gemeinig-
lich ruͤhrt ihre Wut aus der Quelle ſo vieler Laſter,
aus der Heucheley, her. Sie fuͤhlen es, daß ihre
Auffuͤhrung ſchaͤndlich iſt; ſie haben ſich zu lieb,
als daß ſie ſolche aͤndern ſollten; ſie glauben, ge-
nug gethan zu haben, wenn ſie ihr einen guten An-
ſtrich geben. Sie eifern auf die Satyren, um auf
die Verleumdung eifern zu koͤnnen, und unter dieſer
ehrbaren Maske verfahren ſie ſo lieblos mit ihren
Naͤchſten, ohne den Vorwurf zu befuͤrchten, daß ſie
gefaͤhrliche Verleumder ſind. Denn wie wollte der
ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |