[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. indem sie dieselben blendend zu machen suchen, sodarf die Madame *** nichts bedauern, weil sie nichts verloren hat. Sie ist groß und wohlgebildet; sie hat eine angenommene Nachläßigkeit; ihre Gesichts- bildung und ihre Augen sind gezwungen ernsthaft. Wenn sie aber nicht darauf denkt, Achtung auf sich zu geben; so verrathen die Augen ein lustiges We- sen und Zärtlichkeit. Jhr Verstand ist lebhaft, oh- ne unbesonnen zu seyn, vorsichtig, und ein wenig zur Verstellung geneigt. Ob sie gleich ein sprödes An- sehen hat, so ist sie doch angenehm in Gesellschaften. Jhre Grundsätze verlangen nicht, daß ein Frauen- zimmer keine Schwachheiten begehen müsse; sie ver- langen nur, daß allein der Geschmack die Schwachhei- ten der Vergebung werth machen soll. Herr G ** hat sich einen ganz neuen Weg zu hat d 2
Vorbericht. indem ſie dieſelben blendend zu machen ſuchen, ſodarf die Madame *** nichts bedauern, weil ſie nichts verloren hat. Sie iſt groß und wohlgebildet; ſie hat eine angenommene Nachlaͤßigkeit; ihre Geſichts- bildung und ihre Augen ſind gezwungen ernſthaft. Wenn ſie aber nicht darauf denkt, Achtung auf ſich zu geben; ſo verrathen die Augen ein luſtiges We- ſen und Zaͤrtlichkeit. Jhr Verſtand iſt lebhaft, oh- ne unbeſonnen zu ſeyn, vorſichtig, und ein wenig zur Verſtellung geneigt. Ob ſie gleich ein ſproͤdes An- ſehen hat, ſo iſt ſie doch angenehm in Geſellſchaften. Jhre Grundſaͤtze verlangen nicht, daß ein Frauen- zimmer keine Schwachheiten begehen muͤſſe; ſie ver- langen nur, daß allein der Geſchmack die Schwachhei- ten der Vergebung werth machen ſoll. Herr G ** hat ſich einen ganz neuen Weg zu hat d 2
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Vorbericht.
indem ſie dieſelben blendend zu machen ſuchen, ſo
darf die Madame *** nichts bedauern, weil ſie nichts
verloren hat. Sie iſt groß und wohlgebildet; ſie
hat eine angenommene Nachlaͤßigkeit; ihre Geſichts-
bildung und ihre Augen ſind gezwungen ernſthaft.
Wenn ſie aber nicht darauf denkt, Achtung auf ſich
zu geben; ſo verrathen die Augen ein luſtiges We-
ſen und Zaͤrtlichkeit. Jhr Verſtand iſt lebhaft, oh-
ne unbeſonnen zu ſeyn, vorſichtig, und ein wenig zur
Verſtellung geneigt. Ob ſie gleich ein ſproͤdes An-
ſehen hat, ſo iſt ſie doch angenehm in Geſellſchaften.
Jhre Grundſaͤtze verlangen nicht, daß ein Frauen-
zimmer keine Schwachheiten begehen muͤſſe; ſie ver-
langen nur, daß allein der Geſchmack die Schwachhei-
ten der Vergebung werth machen ſoll.
Herr G ** hat ſich einen ganz neuen Weg zu
ſeinem Gluͤcke gebahnt. Es giebt eine gewiſſe Art
von Leuten, welche gern die Vornehmſten vor an-
dern ſeyn wollen und es nicht ſind; dieſen haͤngt er an.
Er laͤßt ſich zwar von ihnen nicht zum Narren ge-
brauchen; aber er lacht ſie ſelbſt freywillig an, und
bewundert ihre großen Geiſter. Was ſie ſagen,
lobt er; wenn ſie es wieder laͤugnen, ſo lobt er die-
ſes auch. Verneinen ſie etwas, ſo verneint ers mit.
Bejahen ſie etwas, ſo ſagt er auch Ja. Kurz, er
hat
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Zitationshilfe: | [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/51>, abgerufen am 16.02.2025. |