Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
Mitleid mit den Lastern zu haben, weil man gehört
hat, daß die Absichten der Satyre boshaft sind,
daß man nicht bessern, sondern nur verunglimpfen,
daß man nicht die Laster verfolgen, sondern den ar-
men unschuldigen Nebenchristen um seinen guten
Namen bringen will. Hinter dieses Vorurtheil ver-
bergen sie sich, und genießen ihrer Laster geruhig.
Sucht man sie in ihrem Hinterhalte auf, entblößt
man ihre Fehler; so schreyen sie über Gewalt, und
man bedauert sie, an statt daß man über sie lachen
sollte. Mit einem Worte, sie sind wie die muth-
willigen Knaben, welche die Ruthe verbrennen, um
ungestraft muthwillig seyn zu können.

Verschiedne von ihnen sind noch etwas feiner.
Sie finden das Lächerliche von ihren Fehlern in ei-
ner Satyre abgeschildert; sie schweigen hämisch dazu
stille, und beseufzen nur das Unrecht, welches andre
neben ihnen zugleich leiden müssen. Sie vertheidi-
gen ihre Mitbürger, um unparteyisch zu scheinen,
und von diesen wieder vertheidigt zu werden. Kön-
nen sie gar ihre ungerechte Sache zur Sache des
Herrn machen: So haben sie doppelt gewonnen,
und für einen lasterhaften Heuchler ist nichts zu ehr-
würdig. Ein Mann, welcher die heiligen Lehren
seines Amts durch ein unheiliges Leben entkräftet,

findet

Vorbericht.
Mitleid mit den Laſtern zu haben, weil man gehoͤrt
hat, daß die Abſichten der Satyre boshaft ſind,
daß man nicht beſſern, ſondern nur verunglimpfen,
daß man nicht die Laſter verfolgen, ſondern den ar-
men unſchuldigen Nebenchriſten um ſeinen guten
Namen bringen will. Hinter dieſes Vorurtheil ver-
bergen ſie ſich, und genießen ihrer Laſter geruhig.
Sucht man ſie in ihrem Hinterhalte auf, entbloͤßt
man ihre Fehler; ſo ſchreyen ſie uͤber Gewalt, und
man bedauert ſie, an ſtatt daß man uͤber ſie lachen
ſollte. Mit einem Worte, ſie ſind wie die muth-
willigen Knaben, welche die Ruthe verbrennen, um
ungeſtraft muthwillig ſeyn zu koͤnnen.

Verſchiedne von ihnen ſind noch etwas feiner.
Sie finden das Laͤcherliche von ihren Fehlern in ei-
ner Satyre abgeſchildert; ſie ſchweigen haͤmiſch dazu
ſtille, und beſeufzen nur das Unrecht, welches andre
neben ihnen zugleich leiden muͤſſen. Sie vertheidi-
gen ihre Mitbuͤrger, um unparteyiſch zu ſcheinen,
und von dieſen wieder vertheidigt zu werden. Koͤn-
nen ſie gar ihre ungerechte Sache zur Sache des
Herrn machen: So haben ſie doppelt gewonnen,
und fuͤr einen laſterhaften Heuchler iſt nichts zu ehr-
wuͤrdig. Ein Mann, welcher die heiligen Lehren
ſeines Amts durch ein unheiliges Leben entkraͤftet,

findet
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <p><pb facs="#f0008" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
Mitleid mit den La&#x017F;tern zu haben, weil man geho&#x0364;rt<lb/>
hat, daß die Ab&#x017F;ichten der Satyre boshaft &#x017F;ind,<lb/>
daß man nicht be&#x017F;&#x017F;ern, &#x017F;ondern nur verunglimpfen,<lb/>
daß man nicht die La&#x017F;ter verfolgen, &#x017F;ondern den ar-<lb/>
men un&#x017F;chuldigen Nebenchri&#x017F;ten um &#x017F;einen guten<lb/>
Namen bringen will. Hinter die&#x017F;es Vorurtheil ver-<lb/>
bergen &#x017F;ie &#x017F;ich, und genießen ihrer La&#x017F;ter geruhig.<lb/>
Sucht man &#x017F;ie in ihrem Hinterhalte auf, entblo&#x0364;ßt<lb/>
man ihre Fehler; &#x017F;o &#x017F;chreyen &#x017F;ie u&#x0364;ber Gewalt, und<lb/>
man bedauert &#x017F;ie, an &#x017F;tatt daß man u&#x0364;ber &#x017F;ie lachen<lb/>
&#x017F;ollte. Mit einem Worte, &#x017F;ie &#x017F;ind wie die muth-<lb/>
willigen Knaben, welche die Ruthe verbrennen, um<lb/>
unge&#x017F;traft muthwillig &#x017F;eyn zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Ver&#x017F;chiedne von ihnen &#x017F;ind noch etwas feiner.<lb/>
Sie finden das La&#x0364;cherliche von ihren Fehlern in ei-<lb/>
ner Satyre abge&#x017F;childert; &#x017F;ie &#x017F;chweigen ha&#x0364;mi&#x017F;ch dazu<lb/>
&#x017F;tille, und be&#x017F;eufzen nur das Unrecht, welches andre<lb/>
neben ihnen zugleich leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Sie vertheidi-<lb/>
gen ihre Mitbu&#x0364;rger, um unparteyi&#x017F;ch zu &#x017F;cheinen,<lb/>
und von die&#x017F;en wieder vertheidigt zu werden. Ko&#x0364;n-<lb/>
nen &#x017F;ie gar ihre ungerechte Sache zur Sache des<lb/>
Herrn machen: So haben &#x017F;ie doppelt gewonnen,<lb/>
und fu&#x0364;r einen la&#x017F;terhaften Heuchler i&#x017F;t nichts zu ehr-<lb/>
wu&#x0364;rdig. Ein Mann, welcher die heiligen Lehren<lb/>
&#x017F;eines Amts durch ein unheiliges Leben entkra&#x0364;ftet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">findet</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[8/0008] Vorbericht. Mitleid mit den Laſtern zu haben, weil man gehoͤrt hat, daß die Abſichten der Satyre boshaft ſind, daß man nicht beſſern, ſondern nur verunglimpfen, daß man nicht die Laſter verfolgen, ſondern den ar- men unſchuldigen Nebenchriſten um ſeinen guten Namen bringen will. Hinter dieſes Vorurtheil ver- bergen ſie ſich, und genießen ihrer Laſter geruhig. Sucht man ſie in ihrem Hinterhalte auf, entbloͤßt man ihre Fehler; ſo ſchreyen ſie uͤber Gewalt, und man bedauert ſie, an ſtatt daß man uͤber ſie lachen ſollte. Mit einem Worte, ſie ſind wie die muth- willigen Knaben, welche die Ruthe verbrennen, um ungeſtraft muthwillig ſeyn zu koͤnnen. Verſchiedne von ihnen ſind noch etwas feiner. Sie finden das Laͤcherliche von ihren Fehlern in ei- ner Satyre abgeſchildert; ſie ſchweigen haͤmiſch dazu ſtille, und beſeufzen nur das Unrecht, welches andre neben ihnen zugleich leiden muͤſſen. Sie vertheidi- gen ihre Mitbuͤrger, um unparteyiſch zu ſcheinen, und von dieſen wieder vertheidigt zu werden. Koͤn- nen ſie gar ihre ungerechte Sache zur Sache des Herrn machen: So haben ſie doppelt gewonnen, und fuͤr einen laſterhaften Heuchler iſt nichts zu ehr- wuͤrdig. Ein Mann, welcher die heiligen Lehren ſeines Amts durch ein unheiliges Leben entkraͤftet, findet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/8
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/8>, abgerufen am 21.11.2024.