[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. findet sein Bild. Er erschrickt, und schweigt. Ersucht mit boshafter Mühe eine Stelle, nur einen Ausdruck, welcher durch eine unbillige Auslegung den Verfasser zum Religionsspötter machen kann. Er findet ein Wort, welches in seinem tückischen Munde zur Lä- sterung wird. Nun ruft er mit freudiger Rache das Wehe! aus, und verdammt den Verfasser. Sein Pöbel, welchen der Schein blendet, hebt Steine auf, und ver- folgt im Namen des Herrn denjenigen, welcher nur aus wahrer Hochachtung für die Religion ihren laster- haften Diener entlarven wollen. Jn der That sind diese die gefährlichsten Feinde der Satyre, aber eben um deswillen verdienen sie kein Mitleid, und die Religion selbst fodert es, daß wir sie, wenn gar keine Besserung zu hoffen ist, ohne Barmherzigkeit vertilgen. Es giebt noch andre Feinde der Satyre. Die- pfindlich a 5
Vorbericht. findet ſein Bild. Er erſchrickt, und ſchweigt. Erſucht mit boshafter Muͤhe eine Stelle, nur einen Ausdruck, welcher durch eine unbillige Auslegung den Verfaſſer zum Religionsſpoͤtter machen kann. Er findet ein Wort, welches in ſeinem tuͤckiſchen Munde zur Laͤ- ſterung wird. Nun ruft er mit freudiger Rache das Wehe! aus, und verdammt den Verfaſſer. Sein Poͤbel, welchen der Schein blendet, hebt Steine auf, und ver- folgt im Namen des Herrn denjenigen, welcher nur aus wahrer Hochachtung fuͤr die Religion ihren laſter- haften Diener entlarven wollen. Jn der That ſind dieſe die gefaͤhrlichſten Feinde der Satyre, aber eben um deswillen verdienen ſie kein Mitleid, und die Religion ſelbſt fodert es, daß wir ſie, wenn gar keine Beſſerung zu hoffen iſt, ohne Barmherzigkeit vertilgen. Es giebt noch andre Feinde der Satyre. Die- pfindlich a 5
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Vorbericht.
findet ſein Bild. Er erſchrickt, und ſchweigt. Er
ſucht mit boshafter Muͤhe eine Stelle, nur einen
Ausdruck, welcher durch eine unbillige Auslegung den
Verfaſſer zum Religionsſpoͤtter machen kann. Er findet
ein Wort, welches in ſeinem tuͤckiſchen Munde zur Laͤ-
ſterung wird. Nun ruft er mit freudiger Rache das
Wehe! aus, und verdammt den Verfaſſer. Sein Poͤbel,
welchen der Schein blendet, hebt Steine auf, und ver-
folgt im Namen des Herrn denjenigen, welcher nur
aus wahrer Hochachtung fuͤr die Religion ihren laſter-
haften Diener entlarven wollen. Jn der That ſind
dieſe die gefaͤhrlichſten Feinde der Satyre, aber
eben um deswillen verdienen ſie kein Mitleid, und
die Religion ſelbſt fodert es, daß wir ſie, wenn gar
keine Beſſerung zu hoffen iſt, ohne Barmherzigkeit
vertilgen.
Es giebt noch andre Feinde der Satyre. Die-
ſe ſind die traurigen Leſer. Sie ſind wirklich nicht
untugendhaft; Sie haſſen die Laſter von Herzen;
Sie wuͤrden es zufrieden ſeyn, wenn man alle La-
ſterhafte dem Teufel mit Leib und Seele uͤbergaͤbe;
aber ſpotten ſoll man nur nicht uͤber die Laſter.
Jch weis nicht, wie dieſen engbruͤſtigen Leuten zu
helfen iſt; vielleicht weis es mein Barbier. Die
Eigenliebe der Menſchen wird durch nichts ſo em-
pfindlich
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