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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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der Glückwünschungsschreiben.
überhäuften Arbeit, wodurch ich auf eine verdrieß-
liche Art gebunden bin, mag ich nicht einmal et-
was erwähnen.

Alle diese Hindernisse übersteige ich auf eine mu-
thige Art. Jch liefre dir diese Arbeit, und widme
dir eine, wo nicht ganz neue 4 und von mir zuerst
erfundne, doch noch nicht sattsam erkannte Wahr-
heit. Der Nutzen unsrer gelehrten Glück-
wünschungsschreiben
ist zu wichtig, als daß ich
denselben mit Stillschweigen übergehen sollte. Jch
will denselben angenehm, deutlich, gründlich und
so beschreiben, daß mir hoffentlich niemand seinen
Beyfall versagen, sondern vielmehr zugestehen wird;
gegenwärtige Schrift sey nach dem neusten Ge-
schmacke, und als ein Urbild aller gelehrten und zu
unsrer Zeit im Schwange gehenden Glückwün-
schungsschreiben anzusehen. Besonders werde ich
mich der Kürze befleißigen 5.

§. 1.
4 Wir leben anitzt, dem Himmel sey Dank, in denen
Zeiten, wo alles, was Athem hat, neue Wahrheiten erfin-
det. Neue Wahrheiten bey dem Richterstuhle, neue Wahr-
heiten bey dem Krankenbette, ja so gar neue Wahrheiten
auf der Kanzel, und ich wäre nicht werth, in diesem Jahr-
hunderte gebohren zu seyn, wenn ich nicht im Stande
wäre, binnen weniger Frist eine ganze Kette neuer Wahr-
heiten zu entdecken.
5 Dieses ist eine edle Tugend, welche mir und meinen Col-
legen, ohne Ruhm zu melden, nebst der Ordnung im Vor-
trage, und der Bündigkeit im Denken, ganz eigen ist.
Sed bono vino hedera non opus est.
A 4

der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben.
uͤberhaͤuften Arbeit, wodurch ich auf eine verdrieß-
liche Art gebunden bin, mag ich nicht einmal et-
was erwaͤhnen.

Alle dieſe Hinderniſſe uͤberſteige ich auf eine mu-
thige Art. Jch liefre dir dieſe Arbeit, und widme
dir eine, wo nicht ganz neue 4 und von mir zuerſt
erfundne, doch noch nicht ſattſam erkannte Wahr-
heit. Der Nutzen unſrer gelehrten Gluͤck-
wuͤnſchungsſchreiben
iſt zu wichtig, als daß ich
denſelben mit Stillſchweigen uͤbergehen ſollte. Jch
will denſelben angenehm, deutlich, gruͤndlich und
ſo beſchreiben, daß mir hoffentlich niemand ſeinen
Beyfall verſagen, ſondern vielmehr zugeſtehen wird;
gegenwaͤrtige Schrift ſey nach dem neuſten Ge-
ſchmacke, und als ein Urbild aller gelehrten und zu
unſrer Zeit im Schwange gehenden Gluͤckwuͤn-
ſchungsſchreiben anzuſehen. Beſonders werde ich
mich der Kuͤrze befleißigen 5.

§. 1.
4 Wir leben anitzt, dem Himmel ſey Dank, in denen
Zeiten, wo alles, was Athem hat, neue Wahrheiten erfin-
det. Neue Wahrheiten bey dem Richterſtuhle, neue Wahr-
heiten bey dem Krankenbette, ja ſo gar neue Wahrheiten
auf der Kanzel, und ich waͤre nicht werth, in dieſem Jahr-
hunderte gebohren zu ſeyn, wenn ich nicht im Stande
waͤre, binnen weniger Friſt eine ganze Kette neuer Wahr-
heiten zu entdecken.
5 Dieſes iſt eine edle Tugend, welche mir und meinen Col-
legen, ohne Ruhm zu melden, nebſt der Ordnung im Vor-
trage, und der Buͤndigkeit im Denken, ganz eigen iſt.
Sed bono vino hedera non opus eſt.
A 4
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[7/0081] der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben. uͤberhaͤuften Arbeit, wodurch ich auf eine verdrieß- liche Art gebunden bin, mag ich nicht einmal et- was erwaͤhnen. Alle dieſe Hinderniſſe uͤberſteige ich auf eine mu- thige Art. Jch liefre dir dieſe Arbeit, und widme dir eine, wo nicht ganz neue 4 und von mir zuerſt erfundne, doch noch nicht ſattſam erkannte Wahr- heit. Der Nutzen unſrer gelehrten Gluͤck- wuͤnſchungsſchreiben iſt zu wichtig, als daß ich denſelben mit Stillſchweigen uͤbergehen ſollte. Jch will denſelben angenehm, deutlich, gruͤndlich und ſo beſchreiben, daß mir hoffentlich niemand ſeinen Beyfall verſagen, ſondern vielmehr zugeſtehen wird; gegenwaͤrtige Schrift ſey nach dem neuſten Ge- ſchmacke, und als ein Urbild aller gelehrten und zu unſrer Zeit im Schwange gehenden Gluͤckwuͤn- ſchungsſchreiben anzuſehen. Beſonders werde ich mich der Kuͤrze befleißigen 5. §. 1. 4 Wir leben anitzt, dem Himmel ſey Dank, in denen Zeiten, wo alles, was Athem hat, neue Wahrheiten erfin- det. Neue Wahrheiten bey dem Richterſtuhle, neue Wahr- heiten bey dem Krankenbette, ja ſo gar neue Wahrheiten auf der Kanzel, und ich waͤre nicht werth, in dieſem Jahr- hunderte gebohren zu ſeyn, wenn ich nicht im Stande waͤre, binnen weniger Friſt eine ganze Kette neuer Wahr- heiten zu entdecken. 5 Dieſes iſt eine edle Tugend, welche mir und meinen Col- legen, ohne Ruhm zu melden, nebſt der Ordnung im Vor- trage, und der Buͤndigkeit im Denken, ganz eigen iſt. Sed bono vino hedera non opus eſt. A 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/81>, abgerufen am 24.11.2024.