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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Von der Vortrefflichkeit

§. 1. Jm Paradiese 6 lebten unsre ersten
Aeltern bey der größten Zufriedenheit. Dieses
Glück dauerte nur wenige Zeit. Je häufiger sich
ihre Nachkommen mehrten, desto heftiger nahm die
Unruhe und das Elend der Sterblichen zu. Der
kleine Ueberrest der alten, und die einzige Hoffnung
der neuen Welt, schwammen in einem Kasten.
Die Ruhe und Einigkeit schienen wieder hergestellt
zu seyn: Es währte aber nicht lange. Die
Herrschsucht wollte sich einen Thurm bis in die
Wolken bauen: Doch eine höhere Vorsicht zerstör-
te dieses verwegne Gebäude, und verwirrte die

Spra-
6 Jch bin, wie es überhaupt gebräuchlich ist, allemal ge-
wohnt, die Schönheiten meiner Schriften zuerst anzumer-
ken, damit es dem Leser desto leichter falle, weiter nach-
zudenken. Gegenwärtigen Abschnitt halte ich für ein
Meisterstück eines Glückwünschungsschreiben. Jch hatte
versprochen, kurz zu schreiben, und fange, aller Kürze un-
beschadet, vom Paradiese an. Wie schwer sollte es einem
andern fallen, die Wörter Paradies, Arche Noah, babylo-
nischen Thurm, Sem, Asien, braune Mohren, Lybien, Ja-
phet, Norden, bemalte Leute und Columbus, auf eine so
natürliche, lebhafte und bündige Art mit einander zu ver-
knüpfen? Dieses kann ich, und meine Mitbrüder. Was
die Natur in einer Weite von vielen tausend Meilen faßt,
das stellen wir auf einer einzigen Seite vor, und was in
sechs tausend Jahren geschehen ist, das wissen wir in wenig
Punkte zu schließen. Noch mehr. Wer hätte meynen sol-
len, daß ich den Ursprung unsrer heutigen Glückwün-
schungsschreiben in dem Paradiese zu suchen wüßte? Der
folgende Abschnitt wird es weisen, daß ich ihn rühmlichst
gefunden habe. Lauter neue Wahrheiten! Es sey voritzt
genug. Nunmehr weis der Leser, was er sich von mir
zu versprechen hat. Und die Folge wird weisen, daß die-
ses und alle auf solche Art eingerichtete Schreiben nichts
anders sind, als exotikothaumatourgematotam[fremdsprachliches Material - 2 Zeichen fehlen]a.
Von der Vortrefflichkeit

§. 1. Jm Paradieſe 6 lebten unſre erſten
Aeltern bey der groͤßten Zufriedenheit. Dieſes
Gluͤck dauerte nur wenige Zeit. Je haͤufiger ſich
ihre Nachkommen mehrten, deſto heftiger nahm die
Unruhe und das Elend der Sterblichen zu. Der
kleine Ueberreſt der alten, und die einzige Hoffnung
der neuen Welt, ſchwammen in einem Kaſten.
Die Ruhe und Einigkeit ſchienen wieder hergeſtellt
zu ſeyn: Es waͤhrte aber nicht lange. Die
Herrſchſucht wollte ſich einen Thurm bis in die
Wolken bauen: Doch eine hoͤhere Vorſicht zerſtoͤr-
te dieſes verwegne Gebaͤude, und verwirrte die

Spra-
6 Jch bin, wie es uͤberhaupt gebraͤuchlich iſt, allemal ge-
wohnt, die Schoͤnheiten meiner Schriften zuerſt anzumer-
ken, damit es dem Leſer deſto leichter falle, weiter nach-
zudenken. Gegenwaͤrtigen Abſchnitt halte ich fuͤr ein
Meiſterſtuͤck eines Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben. Jch hatte
verſprochen, kurz zu ſchreiben, und fange, aller Kuͤrze un-
beſchadet, vom Paradieſe an. Wie ſchwer ſollte es einem
andern fallen, die Woͤrter Paradies, Arche Noah, babylo-
niſchen Thurm, Sem, Aſien, braune Mohren, Lybien, Ja-
phet, Norden, bemalte Leute und Columbus, auf eine ſo
natuͤrliche, lebhafte und buͤndige Art mit einander zu ver-
knuͤpfen? Dieſes kann ich, und meine Mitbruͤder. Was
die Natur in einer Weite von vielen tauſend Meilen faßt,
das ſtellen wir auf einer einzigen Seite vor, und was in
ſechs tauſend Jahren geſchehen iſt, das wiſſen wir in wenig
Punkte zu ſchließen. Noch mehr. Wer haͤtte meynen ſol-
len, daß ich den Urſprung unſrer heutigen Gluͤckwuͤn-
ſchungsſchreiben in dem Paradieſe zu ſuchen wuͤßte? Der
folgende Abſchnitt wird es weiſen, daß ich ihn ruͤhmlichſt
gefunden habe. Lauter neue Wahrheiten! Es ſey voritzt
genug. Nunmehr weis der Leſer, was er ſich von mir
zu verſprechen hat. Und die Folge wird weiſen, daß die-
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[8/0082] Von der Vortrefflichkeit §. 1. Jm Paradieſe 6 lebten unſre erſten Aeltern bey der groͤßten Zufriedenheit. Dieſes Gluͤck dauerte nur wenige Zeit. Je haͤufiger ſich ihre Nachkommen mehrten, deſto heftiger nahm die Unruhe und das Elend der Sterblichen zu. Der kleine Ueberreſt der alten, und die einzige Hoffnung der neuen Welt, ſchwammen in einem Kaſten. Die Ruhe und Einigkeit ſchienen wieder hergeſtellt zu ſeyn: Es waͤhrte aber nicht lange. Die Herrſchſucht wollte ſich einen Thurm bis in die Wolken bauen: Doch eine hoͤhere Vorſicht zerſtoͤr- te dieſes verwegne Gebaͤude, und verwirrte die Spra- 6 Jch bin, wie es uͤberhaupt gebraͤuchlich iſt, allemal ge- wohnt, die Schoͤnheiten meiner Schriften zuerſt anzumer- ken, damit es dem Leſer deſto leichter falle, weiter nach- zudenken. Gegenwaͤrtigen Abſchnitt halte ich fuͤr ein Meiſterſtuͤck eines Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben. Jch hatte verſprochen, kurz zu ſchreiben, und fange, aller Kuͤrze un- beſchadet, vom Paradieſe an. Wie ſchwer ſollte es einem andern fallen, die Woͤrter Paradies, Arche Noah, babylo- niſchen Thurm, Sem, Aſien, braune Mohren, Lybien, Ja- phet, Norden, bemalte Leute und Columbus, auf eine ſo natuͤrliche, lebhafte und buͤndige Art mit einander zu ver- knuͤpfen? Dieſes kann ich, und meine Mitbruͤder. Was die Natur in einer Weite von vielen tauſend Meilen faßt, das ſtellen wir auf einer einzigen Seite vor, und was in ſechs tauſend Jahren geſchehen iſt, das wiſſen wir in wenig Punkte zu ſchließen. Noch mehr. Wer haͤtte meynen ſol- len, daß ich den Urſprung unſrer heutigen Gluͤckwuͤn- ſchungsſchreiben in dem Paradieſe zu ſuchen wuͤßte? Der folgende Abſchnitt wird es weiſen, daß ich ihn ruͤhmlichſt gefunden habe. Lauter neue Wahrheiten! Es ſey voritzt genug. Nunmehr weis der Leſer, was er ſich von mir zu verſprechen hat. Und die Folge wird weiſen, daß die- ſes und alle auf ſolche Art eingerichtete Schreiben nichts anders ſind, als ἐξωτικοϑαυματουργηματοταμ__α.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/82>, abgerufen am 24.11.2024.