[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.
von Buchdruckerstöcken. der nächsten Messe, eine große Abhandlung widerdie unbändigen Leidenschaften der Wollust, und der unordentlichen Liebe schreiben wird. Für diese Phi- losophen weis ich keinen bessern Buchdruckerstock vor- zuschlagen, als ihr eignes Bildniß. Sie sollen die Wahl haben, ob sie sich nur im Brustbilde, oder in ihrer völligen Größe wollen vorstellen lassen. Die Larven, unter welchen sie sich ordentlich zu verbergen suchen, will ich ihnen nicht ganz nehmen; Sie mö- gen solche behalten, doch so, daß man wenigstens die Hälfte von ihrem wahren Gesichte sehen kann. Ein einziges Lineament, daß man von ihnen erblickt, wird schon genug seyn, dem Leser zu zeigen, wer hinter der Larve steckt. Es muß artig anzusehen seyn, wenn die eine Seite des Gesichts einem Lehrer des mensch- lichen Geschlechts gleicht, die andre Seite aber sol- che Züge blicken läßt, welche die heftigsten Leiden- schaften eines eingebildeten, eines geizigen, eines aus- schweifenden Gemüths verrathen. Jch will nicht hoffen, daß sich meine Philosophen, durch diesen wohl- gemeynten Vorschlag beleidigt finden werden. Ge- schähe dieses aber; so verdienten sie wohl, daß sie die Obrigkeit selbst anhielte, entweder gar nicht mehr zu schreiben, oder ihr Bildniß so vorzusetzen, daß sie auch nicht einmal die Hälfte des Gesichts bedecken dürften. Jch weis beynahe nicht, welche von die- sen beiden Strafen für sie die grausamste seyn würde. Eben da ich im Begriffe bin, in gegenwärtiger Ab- willig- G 3
von Buchdruckerſtoͤcken. der naͤchſten Meſſe, eine große Abhandlung widerdie unbaͤndigen Leidenſchaften der Wolluſt, und der unordentlichen Liebe ſchreiben wird. Fuͤr dieſe Phi- loſophen weis ich keinen beſſern Buchdruckerſtock vor- zuſchlagen, als ihr eignes Bildniß. Sie ſollen die Wahl haben, ob ſie ſich nur im Bruſtbilde, oder in ihrer voͤlligen Groͤße wollen vorſtellen laſſen. Die Larven, unter welchen ſie ſich ordentlich zu verbergen ſuchen, will ich ihnen nicht ganz nehmen; Sie moͤ- gen ſolche behalten, doch ſo, daß man wenigſtens die Haͤlfte von ihrem wahren Geſichte ſehen kann. Ein einziges Lineament, daß man von ihnen erblickt, wird ſchon genug ſeyn, dem Leſer zu zeigen, wer hinter der Larve ſteckt. Es muß artig anzuſehen ſeyn, wenn die eine Seite des Geſichts einem Lehrer des menſch- lichen Geſchlechts gleicht, die andre Seite aber ſol- che Zuͤge blicken laͤßt, welche die heftigſten Leiden- ſchaften eines eingebildeten, eines geizigen, eines aus- ſchweifenden Gemuͤths verrathen. Jch will nicht hoffen, daß ſich meine Philoſophen, durch dieſen wohl- gemeynten Vorſchlag beleidigt finden werden. Ge- ſchaͤhe dieſes aber; ſo verdienten ſie wohl, daß ſie die Obrigkeit ſelbſt anhielte, entweder gar nicht mehr zu ſchreiben, oder ihr Bildniß ſo vorzuſetzen, daß ſie auch nicht einmal die Haͤlfte des Geſichts bedecken duͤrften. Jch weis beynahe nicht, welche von die- ſen beiden Strafen fuͤr ſie die grauſamſte ſeyn wuͤrde. Eben da ich im Begriffe bin, in gegenwaͤrtiger Ab- willig- G 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0101" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Buchdruckerſtoͤcken.</hi></fw><lb/> der naͤchſten Meſſe, eine große Abhandlung wider<lb/> die unbaͤndigen Leidenſchaften der Wolluſt, und der<lb/> unordentlichen Liebe ſchreiben wird. Fuͤr dieſe Phi-<lb/> loſophen weis ich keinen beſſern Buchdruckerſtock vor-<lb/> zuſchlagen, als ihr eignes Bildniß. Sie ſollen die<lb/> Wahl haben, ob ſie ſich nur im Bruſtbilde, oder in<lb/> ihrer voͤlligen Groͤße wollen vorſtellen laſſen. Die<lb/> Larven, unter welchen ſie ſich ordentlich zu verbergen<lb/> ſuchen, will ich ihnen nicht ganz nehmen; Sie moͤ-<lb/> gen ſolche behalten, doch ſo, daß man wenigſtens die<lb/> Haͤlfte von ihrem wahren Geſichte ſehen kann. Ein<lb/> einziges Lineament, daß man von ihnen erblickt, wird<lb/> ſchon genug ſeyn, dem Leſer zu zeigen, wer hinter der<lb/> Larve ſteckt. Es muß artig anzuſehen ſeyn, wenn<lb/> die eine Seite des Geſichts einem Lehrer des menſch-<lb/> lichen Geſchlechts gleicht, die andre Seite aber ſol-<lb/> che Zuͤge blicken laͤßt, welche die heftigſten Leiden-<lb/> ſchaften eines eingebildeten, eines geizigen, eines aus-<lb/> ſchweifenden Gemuͤths verrathen. Jch will nicht<lb/> hoffen, daß ſich meine Philoſophen, durch dieſen wohl-<lb/> gemeynten Vorſchlag beleidigt finden werden. Ge-<lb/> ſchaͤhe dieſes aber; ſo verdienten ſie wohl, daß ſie<lb/> die Obrigkeit ſelbſt anhielte, entweder gar nicht mehr<lb/> zu ſchreiben, oder ihr Bildniß ſo vorzuſetzen, daß ſie<lb/> auch nicht einmal die Haͤlfte des Geſichts bedecken<lb/> duͤrften. Jch weis beynahe nicht, welche von die-<lb/> ſen beiden Strafen fuͤr ſie die grauſamſte ſeyn<lb/> wuͤrde.</p><lb/> <p>Eben da ich im Begriffe bin, in gegenwaͤrtiger Ab-<lb/> handlung weiter fortzufahren, und gegen die uͤbri-<lb/> gen Gelehrten und Schriftſteller eben die Bereit-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">willig-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0101]
von Buchdruckerſtoͤcken.
der naͤchſten Meſſe, eine große Abhandlung wider
die unbaͤndigen Leidenſchaften der Wolluſt, und der
unordentlichen Liebe ſchreiben wird. Fuͤr dieſe Phi-
loſophen weis ich keinen beſſern Buchdruckerſtock vor-
zuſchlagen, als ihr eignes Bildniß. Sie ſollen die
Wahl haben, ob ſie ſich nur im Bruſtbilde, oder in
ihrer voͤlligen Groͤße wollen vorſtellen laſſen. Die
Larven, unter welchen ſie ſich ordentlich zu verbergen
ſuchen, will ich ihnen nicht ganz nehmen; Sie moͤ-
gen ſolche behalten, doch ſo, daß man wenigſtens die
Haͤlfte von ihrem wahren Geſichte ſehen kann. Ein
einziges Lineament, daß man von ihnen erblickt, wird
ſchon genug ſeyn, dem Leſer zu zeigen, wer hinter der
Larve ſteckt. Es muß artig anzuſehen ſeyn, wenn
die eine Seite des Geſichts einem Lehrer des menſch-
lichen Geſchlechts gleicht, die andre Seite aber ſol-
che Zuͤge blicken laͤßt, welche die heftigſten Leiden-
ſchaften eines eingebildeten, eines geizigen, eines aus-
ſchweifenden Gemuͤths verrathen. Jch will nicht
hoffen, daß ſich meine Philoſophen, durch dieſen wohl-
gemeynten Vorſchlag beleidigt finden werden. Ge-
ſchaͤhe dieſes aber; ſo verdienten ſie wohl, daß ſie
die Obrigkeit ſelbſt anhielte, entweder gar nicht mehr
zu ſchreiben, oder ihr Bildniß ſo vorzuſetzen, daß ſie
auch nicht einmal die Haͤlfte des Geſichts bedecken
duͤrften. Jch weis beynahe nicht, welche von die-
ſen beiden Strafen fuͤr ſie die grauſamſte ſeyn
wuͤrde.
Eben da ich im Begriffe bin, in gegenwaͤrtiger Ab-
handlung weiter fortzufahren, und gegen die uͤbri-
gen Gelehrten und Schriftſteller eben die Bereit-
willig-
G 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/101 |
| Zitationshilfe: | [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/101>, abgerufen am 24.11.2024. |
