Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Noten ohne Text.
Abentheuer von den Deutschen unwahrscheinlich
vorkommen möchte, dem muß ich durch eine Note
aus seinem Zweifel helfen. Es ist eben itzt acht
und vierzig Stunden, daß ich mit Abfassung gegen-
wärtiger Noten ohne Text beschäfftigt bin. Alles,
was vorher in Deutschland geschrieben worden ist,
das kömmt mir, wenn ich es gegen diese meine Ab-
handlung betrachte, so rauh, und barbarisch vor,
daß ich über die Blindheit erschrecken muß, in wel-
cher mein Vaterland getappt hat. Seit vorgestern
fange ich an, zu schreiben, und ich wünsche meinen
Deutschen Glück dazu, daß ich mich entfchlossen ha-
be, zu schreiben. Jch bin nicht der erste, welcher
zu seinen Arbeiten ein dergleichen Vertrauen hat
und glaubt, daß ohne ihn der deutsche Witz und
Verstand in einer ewigen Nacht würden verborgen
geblieben seyn, und welcher den Zeitpunkt des guten
Gechsmacks von demjenigen Augenblicke feststellt,
da er sich aus mitleidigem Erbarmen, bewegen las-
sen, die Feder einzutaugen, und sein unwissendes
Vaterland zu lehren. Künftig also wird sich die
Epoche der deutschen Gelehrsamkeit von vorgestern
anfangen, und wollte jemand so verblendet, und ge-
gen meine Verdienste so undankbar, seyn, daß er
diese meine Zeitrechnung nicht gehorsam, und ohne
Murren, annähme, dem sey Trotz geboten! Denn
schimpfen kann ich auch!

Der von ihm gemachte Eharakter aber
soll sehr ungleich, und hin und wieder sich selbst

wider-
Zweyter Theil. K

Noten ohne Text.
Abentheuer von den Deutſchen unwahrſcheinlich
vorkommen moͤchte, dem muß ich durch eine Note
aus ſeinem Zweifel helfen. Es iſt eben itzt acht
und vierzig Stunden, daß ich mit Abfaſſung gegen-
waͤrtiger Noten ohne Text beſchaͤfftigt bin. Alles,
was vorher in Deutſchland geſchrieben worden iſt,
das koͤmmt mir, wenn ich es gegen dieſe meine Ab-
handlung betrachte, ſo rauh, und barbariſch vor,
daß ich uͤber die Blindheit erſchrecken muß, in wel-
cher mein Vaterland getappt hat. Seit vorgeſtern
fange ich an, zu ſchreiben, und ich wuͤnſche meinen
Deutſchen Gluͤck dazu, daß ich mich entfchloſſen ha-
be, zu ſchreiben. Jch bin nicht der erſte, welcher
zu ſeinen Arbeiten ein dergleichen Vertrauen hat
und glaubt, daß ohne ihn der deutſche Witz und
Verſtand in einer ewigen Nacht wuͤrden verborgen
geblieben ſeyn, und welcher den Zeitpunkt des guten
Gechſmacks von demjenigen Augenblicke feſtſtellt,
da er ſich aus mitleidigem Erbarmen, bewegen laſ-
ſen, die Feder einzutaugen, und ſein unwiſſendes
Vaterland zu lehren. Kuͤnftig alſo wird ſich die
Epoche der deutſchen Gelehrſamkeit von vorgeſtern
anfangen, und wollte jemand ſo verblendet, und ge-
gen meine Verdienſte ſo undankbar, ſeyn, daß er
dieſe meine Zeitrechnung nicht gehorſam, und ohne
Murren, annaͤhme, dem ſey Trotz geboten! Denn
ſchimpfen kann ich auch!

Der von ihm gemachte Eharakter aber
ſoll ſehr ungleich, und hin und wieder ſich ſelbſt

wider-
Zweyter Theil. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="145"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Noten ohne Text.</hi></fw><lb/>
Abentheuer von den Deut&#x017F;chen unwahr&#x017F;cheinlich<lb/>
vorkommen mo&#x0364;chte, dem muß ich durch eine Note<lb/>
aus &#x017F;einem Zweifel helfen. Es i&#x017F;t eben itzt acht<lb/>
und vierzig Stunden, daß ich mit Abfa&#x017F;&#x017F;ung gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtiger Noten ohne Text be&#x017F;cha&#x0364;fftigt bin. Alles,<lb/>
was vorher in Deut&#x017F;chland ge&#x017F;chrieben worden i&#x017F;t,<lb/>
das ko&#x0364;mmt mir, wenn ich es gegen die&#x017F;e meine Ab-<lb/>
handlung betrachte, &#x017F;o rauh, und barbari&#x017F;ch vor,<lb/>
daß ich u&#x0364;ber die Blindheit er&#x017F;chrecken muß, in wel-<lb/>
cher mein Vaterland getappt hat. Seit vorge&#x017F;tern<lb/>
fange ich an, zu &#x017F;chreiben, und ich wu&#x0364;n&#x017F;che meinen<lb/>
Deut&#x017F;chen Glu&#x0364;ck dazu, daß ich mich entfchlo&#x017F;&#x017F;en ha-<lb/>
be, zu &#x017F;chreiben. Jch bin nicht der er&#x017F;te, welcher<lb/>
zu &#x017F;einen Arbeiten ein dergleichen Vertrauen hat<lb/>
und glaubt, daß ohne ihn der deut&#x017F;che Witz und<lb/>
Ver&#x017F;tand in einer ewigen Nacht wu&#x0364;rden verborgen<lb/>
geblieben &#x017F;eyn, und welcher den Zeitpunkt des guten<lb/>
Gech&#x017F;macks von demjenigen Augenblicke fe&#x017F;t&#x017F;tellt,<lb/>
da er &#x017F;ich aus mitleidigem Erbarmen, bewegen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, die Feder einzutaugen, und &#x017F;ein unwi&#x017F;&#x017F;endes<lb/>
Vaterland zu lehren. Ku&#x0364;nftig al&#x017F;o wird &#x017F;ich die<lb/>
Epoche der deut&#x017F;chen Gelehr&#x017F;amkeit von vorge&#x017F;tern<lb/>
anfangen, und wollte jemand &#x017F;o verblendet, und ge-<lb/>
gen meine Verdien&#x017F;te &#x017F;o undankbar, &#x017F;eyn, daß er<lb/>
die&#x017F;e meine Zeitrechnung nicht gehor&#x017F;am, und ohne<lb/>
Murren, anna&#x0364;hme, dem &#x017F;ey Trotz geboten! Denn<lb/>
&#x017F;chimpfen kann ich auch!</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr">Der von ihm gemachte Eharakter aber<lb/>
&#x017F;oll &#x017F;ehr ungleich, und hin und wieder &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Zweyter Theil. K</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">wider-</hi> </fw><lb/>
          </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0145] Noten ohne Text. Abentheuer von den Deutſchen unwahrſcheinlich vorkommen moͤchte, dem muß ich durch eine Note aus ſeinem Zweifel helfen. Es iſt eben itzt acht und vierzig Stunden, daß ich mit Abfaſſung gegen- waͤrtiger Noten ohne Text beſchaͤfftigt bin. Alles, was vorher in Deutſchland geſchrieben worden iſt, das koͤmmt mir, wenn ich es gegen dieſe meine Ab- handlung betrachte, ſo rauh, und barbariſch vor, daß ich uͤber die Blindheit erſchrecken muß, in wel- cher mein Vaterland getappt hat. Seit vorgeſtern fange ich an, zu ſchreiben, und ich wuͤnſche meinen Deutſchen Gluͤck dazu, daß ich mich entfchloſſen ha- be, zu ſchreiben. Jch bin nicht der erſte, welcher zu ſeinen Arbeiten ein dergleichen Vertrauen hat und glaubt, daß ohne ihn der deutſche Witz und Verſtand in einer ewigen Nacht wuͤrden verborgen geblieben ſeyn, und welcher den Zeitpunkt des guten Gechſmacks von demjenigen Augenblicke feſtſtellt, da er ſich aus mitleidigem Erbarmen, bewegen laſ- ſen, die Feder einzutaugen, und ſein unwiſſendes Vaterland zu lehren. Kuͤnftig alſo wird ſich die Epoche der deutſchen Gelehrſamkeit von vorgeſtern anfangen, und wollte jemand ſo verblendet, und ge- gen meine Verdienſte ſo undankbar, ſeyn, daß er dieſe meine Zeitrechnung nicht gehorſam, und ohne Murren, annaͤhme, dem ſey Trotz geboten! Denn ſchimpfen kann ich auch! Der von ihm gemachte Eharakter aber ſoll ſehr ungleich, und hin und wieder ſich ſelbſt wider- Zweyter Theil. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/145
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/145>, abgerufen am 15.05.2024.