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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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allen seinen Nachbarn den Ruhm eines redlichen
Mannes hatte. Dieser machte einem jungen und
begüterten Rathsherrn ein zwar altväterisches,
doch sehr tiefes Compliment. Der junge Raths-
herr beugte seinen ehrenfesten Nacken nur ein klein
wenig, und überließ seinem Bedienten die Mühe,
den Huth abzunehmen. Hieraus sieht man die
Verhältnisse der Complimente eines Armen gegen
einen Reichen sehr deutlich. Jch aber sah bey die-
ser Gelegenheit noch etwas daraus, wovon sich in
einem deutschen Wörterbuche nicht ausführlich han-
deln läßt. Dieses mag genug seyn von den Com-
plimenten, so weit sie die mechanische Stellung des
Körpers betreffen.

Die Formulare sind gewöhnlich, wenn wir spre-
chen: Jch bitte dem Herrn mein Compliment
zu machen;
und: Machen sie dem Herrn wie-
der mein Compliment!
Was aber dieses eigent-
lich heiße, das läßt sich im Deutschen gar nicht er-
klären, weil es, selbst im französischen Grundtexte
nicht das geringste bedeutet.

Ohne Complimente, mein Herr, ich bitte
gehorsamst, ohne alle Complimente; wir sind
ja gute Freunde!
Wenn ich dieses nach dem rech-
ten Sprachgebrauche übersetzen sollte, so könnte es
ungefähr also lauten: "Jch würde sie für den gröb-
"sten Menschen von der Welt halten, wenn sie
"glaubten, daß wir wirklich so gute Freunde wären,

"daß

Verſuch
allen ſeinen Nachbarn den Ruhm eines redlichen
Mannes hatte. Dieſer machte einem jungen und
beguͤterten Rathsherrn ein zwar altvaͤteriſches,
doch ſehr tiefes Compliment. Der junge Raths-
herr beugte ſeinen ehrenfeſten Nacken nur ein klein
wenig, und uͤberließ ſeinem Bedienten die Muͤhe,
den Huth abzunehmen. Hieraus ſieht man die
Verhaͤltniſſe der Complimente eines Armen gegen
einen Reichen ſehr deutlich. Jch aber ſah bey die-
ſer Gelegenheit noch etwas daraus, wovon ſich in
einem deutſchen Woͤrterbuche nicht ausfuͤhrlich han-
deln laͤßt. Dieſes mag genug ſeyn von den Com-
plimenten, ſo weit ſie die mechaniſche Stellung des
Koͤrpers betreffen.

Die Formulare ſind gewoͤhnlich, wenn wir ſpre-
chen: Jch bitte dem Herrn mein Compliment
zu machen;
und: Machen ſie dem Herrn wie-
der mein Compliment!
Was aber dieſes eigent-
lich heiße, das laͤßt ſich im Deutſchen gar nicht er-
klaͤren, weil es, ſelbſt im franzoͤſiſchen Grundtexte
nicht das geringſte bedeutet.

Ohne Complimente, mein Herr, ich bitte
gehorſamſt, ohne alle Complimente; wir ſind
ja gute Freunde!
Wenn ich dieſes nach dem rech-
ten Sprachgebrauche uͤberſetzen ſollte, ſo koͤnnte es
ungefaͤhr alſo lauten: „Jch wuͤrde ſie fuͤr den groͤb-
„ſten Menſchen von der Welt halten, wenn ſie
„glaubten, daß wir wirklich ſo gute Freunde waͤren,

„daß
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[174/0174] Verſuch allen ſeinen Nachbarn den Ruhm eines redlichen Mannes hatte. Dieſer machte einem jungen und beguͤterten Rathsherrn ein zwar altvaͤteriſches, doch ſehr tiefes Compliment. Der junge Raths- herr beugte ſeinen ehrenfeſten Nacken nur ein klein wenig, und uͤberließ ſeinem Bedienten die Muͤhe, den Huth abzunehmen. Hieraus ſieht man die Verhaͤltniſſe der Complimente eines Armen gegen einen Reichen ſehr deutlich. Jch aber ſah bey die- ſer Gelegenheit noch etwas daraus, wovon ſich in einem deutſchen Woͤrterbuche nicht ausfuͤhrlich han- deln laͤßt. Dieſes mag genug ſeyn von den Com- plimenten, ſo weit ſie die mechaniſche Stellung des Koͤrpers betreffen. Die Formulare ſind gewoͤhnlich, wenn wir ſpre- chen: Jch bitte dem Herrn mein Compliment zu machen; und: Machen ſie dem Herrn wie- der mein Compliment! Was aber dieſes eigent- lich heiße, das laͤßt ſich im Deutſchen gar nicht er- klaͤren, weil es, ſelbſt im franzoͤſiſchen Grundtexte nicht das geringſte bedeutet. Ohne Complimente, mein Herr, ich bitte gehorſamſt, ohne alle Complimente; wir ſind ja gute Freunde! Wenn ich dieſes nach dem rech- ten Sprachgebrauche uͤberſetzen ſollte, ſo koͤnnte es ungefaͤhr alſo lauten: „Jch wuͤrde ſie fuͤr den groͤb- „ſten Menſchen von der Welt halten, wenn ſie „glaubten, daß wir wirklich ſo gute Freunde waͤren, „daß

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/174>, abgerufen am 15.05.2024.