[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.von den abgeschiednen Seelen. Kaufmanns abspänstig gemacht hatte, anwünschenzu lassen, daß der Himmel dieselbe vor dergleichen Trauerfällen jederzeit bewahren sollte. Nunmehr ward alles zu meiner Beerdigung ver- zeitige B 4
von den abgeſchiednen Seelen. Kaufmanns abſpaͤnſtig gemacht hatte, anwuͤnſchenzu laſſen, daß der Himmel dieſelbe vor dergleichen Trauerfaͤllen jederzeit bewahren ſollte. Nunmehr ward alles zu meiner Beerdigung ver- zeitige B 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den abgeſchiednen Seelen.</hi></fw><lb/> Kaufmanns abſpaͤnſtig gemacht hatte, anwuͤnſchen<lb/> zu laſſen, daß der Himmel dieſelbe vor dergleichen<lb/> Trauerfaͤllen jederzeit bewahren ſollte.</p><lb/> <p>Nunmehr ward alles zu meiner Beerdigung ver-<lb/> anſtaltet, man eilte damit ganz ungewoͤhnlich, und,<lb/> ſo bald der Schneider alles gekauft und zurechte ge-<lb/> macht hatte, was zu einer ſchmerzlich gebeugten<lb/> Miene gehoͤrt; ſo gab man Geld uͤber Geld, mich<lb/> aus dem Hauſe zu bringen. Dieſes geſchahe endlich<lb/> unter einer anſehnlichen Begleitung. Man brachte<lb/> meinen Koͤrper in die Kirche, mit Beobachtung al-<lb/> ler derer klaͤglichen Gebraͤuche, ſo diejenigen ver-<lb/> dienen, welche ein ruͤhmliches Ende nehmen, und Mit-<lb/> tel hinterlaſſen. Zuletzt trat noch ein Redner auf,<lb/> welchem meine Erben in einem verſiegelten Paͤcktchen<lb/> vorher alle meine Tugenden begreiflich gemacht<lb/> hatten. So zufrieden ich jederzeit in meinem Leben<lb/> mit mir ſelber geweſen bin, ſo zweifelhaft war ich<lb/> doch uͤber dieſer Lob- und Trauerrede, ob ich es auch<lb/> wirklich ſey, welchen er meyne. Jch ſahe mich in<lb/> der ganzen Kirche um, in der Meynung, vielleicht<lb/> noch eine andre Leiche zu finden, auf welche alle dieſe<lb/> Lobeserhebungen gehen ſollten; ich fand aber der-<lb/> gleichen nirgends, und nunmehr merkte ich, daß ich<lb/> es ſelbſt in ganzem Ernſte ſeyn muͤßte. Er nennte<lb/> mich einen großen, beruͤhmten, gruͤndlichgelehrten<lb/> Mann, eine Stuͤtze der Wiſſenſchaften, ſeinen Maͤ-<lb/> cenaten. Und das mochte noch gehen; fuͤr zwoͤlf<lb/> Ducaten war es eben nicht zu viel. Er verſchwen-<lb/> dete mehr, als zwanzig Figuren, die Bekuͤmmerniß<lb/> abzuſchildern, welche meine Erben uͤber das fruͤh-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">zeitige</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0023]
von den abgeſchiednen Seelen.
Kaufmanns abſpaͤnſtig gemacht hatte, anwuͤnſchen
zu laſſen, daß der Himmel dieſelbe vor dergleichen
Trauerfaͤllen jederzeit bewahren ſollte.
Nunmehr ward alles zu meiner Beerdigung ver-
anſtaltet, man eilte damit ganz ungewoͤhnlich, und,
ſo bald der Schneider alles gekauft und zurechte ge-
macht hatte, was zu einer ſchmerzlich gebeugten
Miene gehoͤrt; ſo gab man Geld uͤber Geld, mich
aus dem Hauſe zu bringen. Dieſes geſchahe endlich
unter einer anſehnlichen Begleitung. Man brachte
meinen Koͤrper in die Kirche, mit Beobachtung al-
ler derer klaͤglichen Gebraͤuche, ſo diejenigen ver-
dienen, welche ein ruͤhmliches Ende nehmen, und Mit-
tel hinterlaſſen. Zuletzt trat noch ein Redner auf,
welchem meine Erben in einem verſiegelten Paͤcktchen
vorher alle meine Tugenden begreiflich gemacht
hatten. So zufrieden ich jederzeit in meinem Leben
mit mir ſelber geweſen bin, ſo zweifelhaft war ich
doch uͤber dieſer Lob- und Trauerrede, ob ich es auch
wirklich ſey, welchen er meyne. Jch ſahe mich in
der ganzen Kirche um, in der Meynung, vielleicht
noch eine andre Leiche zu finden, auf welche alle dieſe
Lobeserhebungen gehen ſollten; ich fand aber der-
gleichen nirgends, und nunmehr merkte ich, daß ich
es ſelbſt in ganzem Ernſte ſeyn muͤßte. Er nennte
mich einen großen, beruͤhmten, gruͤndlichgelehrten
Mann, eine Stuͤtze der Wiſſenſchaften, ſeinen Maͤ-
cenaten. Und das mochte noch gehen; fuͤr zwoͤlf
Ducaten war es eben nicht zu viel. Er verſchwen-
dete mehr, als zwanzig Figuren, die Bekuͤmmerniß
abzuſchildern, welche meine Erben uͤber das fruͤh-
zeitige
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