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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum
gen hatte. Bis hieher hatte ich meinen Erben ganz
gelassen zugesehen; Als ich aber merkte, daß es über
meine Papiere hergehen sollte, so fieng ich an, zu zittern.
Alles ward aufs sorgfältigste durchgesucht. Gegen alle
Briefe, in denen die Worte stunden: Leiste gute Zah-
lung, und nehme Gott zu Hülfe! hatten sie eine so
andächtige Ehrfurcht, daß sie dieselben sorgfältig auf-
hoben; aber über ein paar Laus Deo schüttelten sie die
Köpfe gewaltig, denn dergleichen Latein konnten sie
gar nicht leiden. Endlich traf die Reihe meine gelehr-
ten Concepte, welches mich recht wütend machte. Jch
eilte voll Verzweiflung hinzu, sie zu vertheidigen;
vielleicht aber würde ich dennoch zu unvermögend
gewesen seyn, wenn nicht meiner Schwester Sohn, ein
Meister von sieben freyen Künsten, wider seinen Wil-
len mir beygestanden, und das ganze Packet unter
den Tisch geworfen hätte, mit der Versicherung: Es
sey nur Maculatur. Der Jgnorant! Als meine
Erben noch mit dieser Haussuchung beschäfftigt wa-
ren, merkte ich einen Haufen Bediente, welche im
Namen ihrer Herrschaft ein gewisses Compliment
hersagen mußten, daß sie das herzliche Beyleid
nannten. Die Bekümmerniß über meinen Tod
mochte in der ganzen Stadt gleich stark, und all-
gemein seyn, denn ihre Formulare endigten sich
alle mit den Worten: Daß der Himmel den betrüb-
ten Hinterlaßnen diesen empfindlichen Verlust durch
anderweitige Glücksfälle reichlich ersetzen möchte!
Allein der kräftigste Trost lag schon in der Kammer,
und meine Muhme war so boshaft, einer gewissen
Nachbarinn, welche ihr den Sohn eines reichen

Kauf-

Ein Traum
gen hatte. Bis hieher hatte ich meinen Erben ganz
gelaſſen zugeſehen; Als ich aber merkte, daß es uͤber
meine Papiere hergehen ſollte, ſo fieng ich an, zu zittern.
Alles ward aufs ſorgfaͤltigſte durchgeſucht. Gegen alle
Briefe, in denen die Worte ſtunden: Leiſte gute Zah-
lung, und nehme Gott zu Huͤlfe! hatten ſie eine ſo
andaͤchtige Ehrfurcht, daß ſie dieſelben ſorgfaͤltig auf-
hoben; aber uͤber ein paar Laus Deo ſchuͤttelten ſie die
Koͤpfe gewaltig, denn dergleichen Latein konnten ſie
gar nicht leiden. Endlich traf die Reihe meine gelehr-
ten Concepte, welches mich recht wuͤtend machte. Jch
eilte voll Verzweiflung hinzu, ſie zu vertheidigen;
vielleicht aber wuͤrde ich dennoch zu unvermoͤgend
geweſen ſeyn, wenn nicht meiner Schweſter Sohn, ein
Meiſter von ſieben freyen Kuͤnſten, wider ſeinen Wil-
len mir beygeſtanden, und das ganze Packet unter
den Tiſch geworfen haͤtte, mit der Verſicherung: Es
ſey nur Maculatur. Der Jgnorant! Als meine
Erben noch mit dieſer Hausſuchung beſchaͤfftigt wa-
ren, merkte ich einen Haufen Bediente, welche im
Namen ihrer Herrſchaft ein gewiſſes Compliment
herſagen mußten, daß ſie das herzliche Beyleid
nannten. Die Bekuͤmmerniß uͤber meinen Tod
mochte in der ganzen Stadt gleich ſtark, und all-
gemein ſeyn, denn ihre Formulare endigten ſich
alle mit den Worten: Daß der Himmel den betruͤb-
ten Hinterlaßnen dieſen empfindlichen Verluſt durch
anderweitige Gluͤcksfaͤlle reichlich erſetzen moͤchte!
Allein der kraͤftigſte Troſt lag ſchon in der Kammer,
und meine Muhme war ſo boshaft, einer gewiſſen
Nachbarinn, welche ihr den Sohn eines reichen

Kauf-
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[22/0022] Ein Traum gen hatte. Bis hieher hatte ich meinen Erben ganz gelaſſen zugeſehen; Als ich aber merkte, daß es uͤber meine Papiere hergehen ſollte, ſo fieng ich an, zu zittern. Alles ward aufs ſorgfaͤltigſte durchgeſucht. Gegen alle Briefe, in denen die Worte ſtunden: Leiſte gute Zah- lung, und nehme Gott zu Huͤlfe! hatten ſie eine ſo andaͤchtige Ehrfurcht, daß ſie dieſelben ſorgfaͤltig auf- hoben; aber uͤber ein paar Laus Deo ſchuͤttelten ſie die Koͤpfe gewaltig, denn dergleichen Latein konnten ſie gar nicht leiden. Endlich traf die Reihe meine gelehr- ten Concepte, welches mich recht wuͤtend machte. Jch eilte voll Verzweiflung hinzu, ſie zu vertheidigen; vielleicht aber wuͤrde ich dennoch zu unvermoͤgend geweſen ſeyn, wenn nicht meiner Schweſter Sohn, ein Meiſter von ſieben freyen Kuͤnſten, wider ſeinen Wil- len mir beygeſtanden, und das ganze Packet unter den Tiſch geworfen haͤtte, mit der Verſicherung: Es ſey nur Maculatur. Der Jgnorant! Als meine Erben noch mit dieſer Hausſuchung beſchaͤfftigt wa- ren, merkte ich einen Haufen Bediente, welche im Namen ihrer Herrſchaft ein gewiſſes Compliment herſagen mußten, daß ſie das herzliche Beyleid nannten. Die Bekuͤmmerniß uͤber meinen Tod mochte in der ganzen Stadt gleich ſtark, und all- gemein ſeyn, denn ihre Formulare endigten ſich alle mit den Worten: Daß der Himmel den betruͤb- ten Hinterlaßnen dieſen empfindlichen Verluſt durch anderweitige Gluͤcksfaͤlle reichlich erſetzen moͤchte! Allein der kraͤftigſte Troſt lag ſchon in der Kammer, und meine Muhme war ſo boshaft, einer gewiſſen Nachbarinn, welche ihr den Sohn eines reichen Kauf-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/22>, abgerufen am 29.04.2024.