Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Geheime Nachricht
Tollhaus zu schaffen. Man hatte mich bereden wol-
len, er sey an vielen Unordnungen und Ungerechtig-
keiten Schuld, welche verschiednen unsrer Bürger
widerfahren waren. Aber mir kamen, aufrichtig zu
gestehen, alle diese Erzählungen gleich anfangs ver-
dächtig vor, da ich den ehrlichen Nowtell genau
kannte, und wohl wußte, daß er zu Schelmereyen zu
dumm wäre. Nun bin ich hinter die rechte Wahrheit
gekommen. Seine Frau ist an allem Schuld.
Diese ist es, welche die Parteyen verdammt
und loszählt, ihr Mann aber ist weiter nichts,
als ihr unwürdiger Schreiber. Dieser einsehen-
den Frau haben wir die neue Rangordnung zu
danken, nach welcher in Dublin die Weiber
der Rathmänner über alle andern Frauensper-
sonen den Vortritt behaupten. Nur sie ist Ur-
sache, daß der brave Kaufmann Car - - er in
den schweren Proceß verwickelt wurde, welcher ihn
um sein ganzes Vermögen brachte, nicht etwan,
weil seine Sache ungerecht war, sondern weil seine
Frau sich an der Frau Nowtell gröblich versün-
digt, und in der Kirche am Altare den Rang über
sie frevelhafter Weise genommen hatte. Jch habe
gar niemals begreifen können, woher es gekommen,
daß die geistlichen Aemter in unsrer Stadt seit eini-
gen Jahren mit so elenden Leuten besetzt worden.
Aber nunmehr begreife ich es wohl, da ich weis,
daß die Frau Nowtell der göttliche Beruf ist,
und diese Stellen besetzt hat. Eine alte Frau,
welche ihre vertraute Herzensfreundinn ist, hat das

ius

Geheime Nachricht
Tollhaus zu ſchaffen. Man hatte mich bereden wol-
len, er ſey an vielen Unordnungen und Ungerechtig-
keiten Schuld, welche verſchiednen unſrer Buͤrger
widerfahren waren. Aber mir kamen, aufrichtig zu
geſtehen, alle dieſe Erzaͤhlungen gleich anfangs ver-
daͤchtig vor, da ich den ehrlichen Nowtell genau
kannte, und wohl wußte, daß er zu Schelmereyen zu
dumm waͤre. Nun bin ich hinter die rechte Wahrheit
gekommen. Seine Frau iſt an allem Schuld.
Dieſe iſt es, welche die Parteyen verdammt
und loszaͤhlt, ihr Mann aber iſt weiter nichts,
als ihr unwuͤrdiger Schreiber. Dieſer einſehen-
den Frau haben wir die neue Rangordnung zu
danken, nach welcher in Dublin die Weiber
der Rathmaͤnner uͤber alle andern Frauensper-
ſonen den Vortritt behaupten. Nur ſie iſt Ur-
ſache, daß der brave Kaufmann Car ‒ ‒ er in
den ſchweren Proceß verwickelt wurde, welcher ihn
um ſein ganzes Vermoͤgen brachte, nicht etwan,
weil ſeine Sache ungerecht war, ſondern weil ſeine
Frau ſich an der Frau Nowtell groͤblich verſuͤn-
digt, und in der Kirche am Altare den Rang uͤber
ſie frevelhafter Weiſe genommen hatte. Jch habe
gar niemals begreifen koͤnnen, woher es gekommen,
daß die geiſtlichen Aemter in unſrer Stadt ſeit eini-
gen Jahren mit ſo elenden Leuten beſetzt worden.
Aber nunmehr begreife ich es wohl, da ich weis,
daß die Frau Nowtell der goͤttliche Beruf iſt,
und dieſe Stellen beſetzt hat. Eine alte Frau,
welche ihre vertraute Herzensfreundinn iſt, hat das

ius
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0244" n="244"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geheime Nachricht</hi></fw><lb/>
Tollhaus zu &#x017F;chaffen. Man hatte mich bereden wol-<lb/>
len, er &#x017F;ey an vielen Unordnungen und Ungerechtig-<lb/>
keiten Schuld, welche ver&#x017F;chiednen un&#x017F;rer Bu&#x0364;rger<lb/>
widerfahren waren. Aber mir kamen, aufrichtig zu<lb/>
ge&#x017F;tehen, alle die&#x017F;e Erza&#x0364;hlungen gleich anfangs ver-<lb/>
da&#x0364;chtig vor, da ich den ehrlichen <hi rendition="#fr">Nowtell</hi> genau<lb/>
kannte, und wohl wußte, daß er zu Schelmereyen zu<lb/>
dumm wa&#x0364;re. Nun bin ich hinter die rechte Wahrheit<lb/>
gekommen. Seine Frau i&#x017F;t an allem Schuld.<lb/>
Die&#x017F;e i&#x017F;t es, welche die Parteyen verdammt<lb/>
und losza&#x0364;hlt, ihr Mann aber i&#x017F;t weiter nichts,<lb/>
als ihr unwu&#x0364;rdiger Schreiber. Die&#x017F;er ein&#x017F;ehen-<lb/>
den Frau haben wir die neue Rangordnung zu<lb/>
danken, nach welcher in Dublin die Weiber<lb/>
der Rathma&#x0364;nner u&#x0364;ber alle andern Frauensper-<lb/>
&#x017F;onen den Vortritt behaupten. Nur &#x017F;ie i&#x017F;t Ur-<lb/>
&#x017F;ache, daß der brave Kaufmann <hi rendition="#fr">Car &#x2012; &#x2012; er</hi> in<lb/>
den &#x017F;chweren Proceß verwickelt wurde, welcher ihn<lb/>
um &#x017F;ein ganzes Vermo&#x0364;gen brachte, nicht etwan,<lb/>
weil &#x017F;eine Sache ungerecht war, &#x017F;ondern weil &#x017F;eine<lb/>
Frau &#x017F;ich an der <hi rendition="#fr">Frau Nowtell</hi> gro&#x0364;blich ver&#x017F;u&#x0364;n-<lb/>
digt, und in der Kirche am Altare den Rang u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ie frevelhafter Wei&#x017F;e genommen hatte. Jch habe<lb/>
gar niemals begreifen ko&#x0364;nnen, woher es gekommen,<lb/>
daß die gei&#x017F;tlichen Aemter in un&#x017F;rer Stadt &#x017F;eit eini-<lb/>
gen Jahren mit &#x017F;o elenden Leuten be&#x017F;etzt worden.<lb/>
Aber nunmehr begreife ich es wohl, da ich weis,<lb/>
daß die <hi rendition="#fr">Frau Nowtell</hi> der go&#x0364;ttliche Beruf i&#x017F;t,<lb/>
und die&#x017F;e Stellen be&#x017F;etzt hat. Eine alte Frau,<lb/>
welche ihre vertraute Herzensfreundinn i&#x017F;t, hat das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ius</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0244] Geheime Nachricht Tollhaus zu ſchaffen. Man hatte mich bereden wol- len, er ſey an vielen Unordnungen und Ungerechtig- keiten Schuld, welche verſchiednen unſrer Buͤrger widerfahren waren. Aber mir kamen, aufrichtig zu geſtehen, alle dieſe Erzaͤhlungen gleich anfangs ver- daͤchtig vor, da ich den ehrlichen Nowtell genau kannte, und wohl wußte, daß er zu Schelmereyen zu dumm waͤre. Nun bin ich hinter die rechte Wahrheit gekommen. Seine Frau iſt an allem Schuld. Dieſe iſt es, welche die Parteyen verdammt und loszaͤhlt, ihr Mann aber iſt weiter nichts, als ihr unwuͤrdiger Schreiber. Dieſer einſehen- den Frau haben wir die neue Rangordnung zu danken, nach welcher in Dublin die Weiber der Rathmaͤnner uͤber alle andern Frauensper- ſonen den Vortritt behaupten. Nur ſie iſt Ur- ſache, daß der brave Kaufmann Car ‒ ‒ er in den ſchweren Proceß verwickelt wurde, welcher ihn um ſein ganzes Vermoͤgen brachte, nicht etwan, weil ſeine Sache ungerecht war, ſondern weil ſeine Frau ſich an der Frau Nowtell groͤblich verſuͤn- digt, und in der Kirche am Altare den Rang uͤber ſie frevelhafter Weiſe genommen hatte. Jch habe gar niemals begreifen koͤnnen, woher es gekommen, daß die geiſtlichen Aemter in unſrer Stadt ſeit eini- gen Jahren mit ſo elenden Leuten beſetzt worden. Aber nunmehr begreife ich es wohl, da ich weis, daß die Frau Nowtell der goͤttliche Beruf iſt, und dieſe Stellen beſetzt hat. Eine alte Frau, welche ihre vertraute Herzensfreundinn iſt, hat das ius

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/244
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/244>, abgerufen am 16.05.2024.