anbey die gerühmte Möglichkeit eines reichen Poe- ten gemeiniglich nur unter die theoretischen Wahr- heiten gerechnet wird, welche wohl schwerlich prak- tisch werden dürfte, so lange ihre Mäcenaten dasje- nige bleiben, was sie größtentheils sind;
et ea, quae raro accidunt, non temere in agendis negotiis computantur. l. 64. ff. de R. J.
die Verschwendung hingegen, welche man quästio- nirten Poeten zur Last legen will, vielmehr zu Be- hauptung ihrer Steuerfreyheit gereichen muß, da, ohne einen so kostbaren Aufwand, die wenigsten vermögend seyn würden, denjenigen vorzüglichen Charakter zu behaupten, welcher ihnen allein an- ständig ist, und da es in der That einerley wäre, ob man einem gemeinen Manne Feuer und Wasser, oder einem Poeten Nektar und Ambra, untersagen wollte; überhaupt aber ein Poet, statt der ange- sonnenen Beschwerung, vielmehr eine Steuerbegna- digung, gleich andern preßhaften Personen zu ver- dienen scheint, indem er bloß aus Liebe zu den schö- nen Wissenschaften, und aus Begierde, der Nach- welt zu gefallen, sich öfters in so verwirrte Umstän- de setzt, daß er seiner selbst nicht mächtig ist, daß er Sterne beschwört, Todte bannt, ganze Flüsse mit seinen Thränen aufschwellt, Felsen betäubt, und den einsamen Wäldern die Grausamkeit einer Doris kla- get, eben so, wie jener tapfere Ritter von der trau- rigen Gestalt, welcher sich in dem schwarzen Ge- bürge die empfindlichste Buße auflegte, um die Här- tigkeit einer unempfindlichen Prinzeßin von Toboso
zu
ob ein Poet zur Kopfſt. zu ziehen?
anbey die geruͤhmte Moͤglichkeit eines reichen Poe- ten gemeiniglich nur unter die theoretiſchen Wahr- heiten gerechnet wird, welche wohl ſchwerlich prak- tiſch werden duͤrfte, ſo lange ihre Maͤcenaten dasje- nige bleiben, was ſie groͤßtentheils ſind;
et ea, quae raro accidunt, non temere in agendis negotiis computantur. l. 64. ff. de R. J.
die Verſchwendung hingegen, welche man quaͤſtio- nirten Poeten zur Laſt legen will, vielmehr zu Be- hauptung ihrer Steuerfreyheit gereichen muß, da, ohne einen ſo koſtbaren Aufwand, die wenigſten vermoͤgend ſeyn wuͤrden, denjenigen vorzuͤglichen Charakter zu behaupten, welcher ihnen allein an- ſtaͤndig iſt, und da es in der That einerley waͤre, ob man einem gemeinen Manne Feuer und Waſſer, oder einem Poeten Nektar und Ambra, unterſagen wollte; uͤberhaupt aber ein Poet, ſtatt der ange- ſonnenen Beſchwerung, vielmehr eine Steuerbegna- digung, gleich andern preßhaften Perſonen zu ver- dienen ſcheint, indem er bloß aus Liebe zu den ſchoͤ- nen Wiſſenſchaften, und aus Begierde, der Nach- welt zu gefallen, ſich oͤfters in ſo verwirrte Umſtaͤn- de ſetzt, daß er ſeiner ſelbſt nicht maͤchtig iſt, daß er Sterne beſchwoͤrt, Todte bannt, ganze Fluͤſſe mit ſeinen Thraͤnen aufſchwellt, Felſen betaͤubt, und den einſamen Waͤldern die Grauſamkeit einer Doris kla- get, eben ſo, wie jener tapfere Ritter von der trau- rigen Geſtalt, welcher ſich in dem ſchwarzen Ge- buͤrge die empfindlichſte Buße auflegte, um die Haͤr- tigkeit einer unempfindlichen Prinzeßin von Toboſo
zu
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ob ein Poet zur Kopfſt. zu ziehen?
anbey die geruͤhmte Moͤglichkeit eines reichen Poe-
ten gemeiniglich nur unter die theoretiſchen Wahr-
heiten gerechnet wird, welche wohl ſchwerlich prak-
tiſch werden duͤrfte, ſo lange ihre Maͤcenaten dasje-
nige bleiben, was ſie groͤßtentheils ſind;
et ea, quae raro accidunt, non temere in agendis
negotiis computantur. l. 64. ff. de R. J.
die Verſchwendung hingegen, welche man quaͤſtio-
nirten Poeten zur Laſt legen will, vielmehr zu Be-
hauptung ihrer Steuerfreyheit gereichen muß, da,
ohne einen ſo koſtbaren Aufwand, die wenigſten
vermoͤgend ſeyn wuͤrden, denjenigen vorzuͤglichen
Charakter zu behaupten, welcher ihnen allein an-
ſtaͤndig iſt, und da es in der That einerley waͤre, ob
man einem gemeinen Manne Feuer und Waſſer,
oder einem Poeten Nektar und Ambra, unterſagen
wollte; uͤberhaupt aber ein Poet, ſtatt der ange-
ſonnenen Beſchwerung, vielmehr eine Steuerbegna-
digung, gleich andern preßhaften Perſonen zu ver-
dienen ſcheint, indem er bloß aus Liebe zu den ſchoͤ-
nen Wiſſenſchaften, und aus Begierde, der Nach-
welt zu gefallen, ſich oͤfters in ſo verwirrte Umſtaͤn-
de ſetzt, daß er ſeiner ſelbſt nicht maͤchtig iſt, daß er
Sterne beſchwoͤrt, Todte bannt, ganze Fluͤſſe mit
ſeinen Thraͤnen aufſchwellt, Felſen betaͤubt, und den
einſamen Waͤldern die Grauſamkeit einer Doris kla-
get, eben ſo, wie jener tapfere Ritter von der trau-
rigen Geſtalt, welcher ſich in dem ſchwarzen Ge-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/285>, abgerufen am 16.02.2025.
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