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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum

Sein größtes Geheimniß bestund in einer gewis-
sen Art Pillen. Eine jede Dose davon wickelte er
in eine von den Lobschriften, welche man ihm zu Eh-
ren, und der Nachwelt zur Erbauung, verfertigt
hatte, und dadurch erlangte er einen doppelten Nu-
tzen, weil er auf solche Art den Leuten seine Pillen, und
seinen Ruhm, zugleich beybrachte. Jn der That hat-
ten diese Pillen eine erstaunende Wirkung. Kaum
hatte sie der Patient eingenommen, als er ein hefti-
ges Grimmen im Gehirne empfand, das so lange
anhielt, bis sich die Natur half, welches aber nicht
nach dem ordentlichen Laufe der Natur geschah; son-
dern alle Unreinigkeiten giengen durch die Finger
weg, und was mir dabey am seltsamsten vorkam, so
fiengen die meisten der Patienten diese Unreinigkeiten
mit einem Papiere auf, welches sie sodann mit einer
demüthigen Verbeugung ihrem Arzte selbst widme-
ten, und zu fernerer Beförderung des guten Ge-
schmacks überreichten. Sodann erhielten sie von ihm
die Gewalt, unter seiner Aufsicht andre zu curiren.
Jch habe gemerkt, daß sie in ihrer Cur oftmals viel
heftiger waren, als ihr Oberhaupt, und ich habe es
mit meinen Augen gesehen, daß einer derselben nur
einige Schritte von mir einem der Zuschauer eine
ziemliche Anzahl Pillen in den Hals steckte, um ihn
auch wider seinen Willen von dem übeln Geschmacke
zu curiren. Jch habe vergessen, zu erinnern, daß
der Anführer dieser kleinen Charlatane erschreckliche
Abentheuer von seinen Curen zu erzählen wußte.
Das war ihm viel zu wenig, zu sagen: Diesen oder
jenen gebrechlichen Mann habe ich durch meine

herr-
Ein Traum

Sein groͤßtes Geheimniß beſtund in einer gewiſ-
ſen Art Pillen. Eine jede Doſe davon wickelte er
in eine von den Lobſchriften, welche man ihm zu Eh-
ren, und der Nachwelt zur Erbauung, verfertigt
hatte, und dadurch erlangte er einen doppelten Nu-
tzen, weil er auf ſolche Art den Leuten ſeine Pillen, und
ſeinen Ruhm, zugleich beybrachte. Jn der That hat-
ten dieſe Pillen eine erſtaunende Wirkung. Kaum
hatte ſie der Patient eingenommen, als er ein hefti-
ges Grimmen im Gehirne empfand, das ſo lange
anhielt, bis ſich die Natur half, welches aber nicht
nach dem ordentlichen Laufe der Natur geſchah; ſon-
dern alle Unreinigkeiten giengen durch die Finger
weg, und was mir dabey am ſeltſamſten vorkam, ſo
fiengen die meiſten der Patienten dieſe Unreinigkeiten
mit einem Papiere auf, welches ſie ſodann mit einer
demuͤthigen Verbeugung ihrem Arzte ſelbſt widme-
ten, und zu fernerer Befoͤrderung des guten Ge-
ſchmacks uͤberreichten. Sodann erhielten ſie von ihm
die Gewalt, unter ſeiner Aufſicht andre zu curiren.
Jch habe gemerkt, daß ſie in ihrer Cur oftmals viel
heftiger waren, als ihr Oberhaupt, und ich habe es
mit meinen Augen geſehen, daß einer derſelben nur
einige Schritte von mir einem der Zuſchauer eine
ziemliche Anzahl Pillen in den Hals ſteckte, um ihn
auch wider ſeinen Willen von dem uͤbeln Geſchmacke
zu curiren. Jch habe vergeſſen, zu erinnern, daß
der Anfuͤhrer dieſer kleinen Charlatane erſchreckliche
Abentheuer von ſeinen Curen zu erzaͤhlen wußte.
Das war ihm viel zu wenig, zu ſagen: Dieſen oder
jenen gebrechlichen Mann habe ich durch meine

herr-
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[34/0034] Ein Traum Sein groͤßtes Geheimniß beſtund in einer gewiſ- ſen Art Pillen. Eine jede Doſe davon wickelte er in eine von den Lobſchriften, welche man ihm zu Eh- ren, und der Nachwelt zur Erbauung, verfertigt hatte, und dadurch erlangte er einen doppelten Nu- tzen, weil er auf ſolche Art den Leuten ſeine Pillen, und ſeinen Ruhm, zugleich beybrachte. Jn der That hat- ten dieſe Pillen eine erſtaunende Wirkung. Kaum hatte ſie der Patient eingenommen, als er ein hefti- ges Grimmen im Gehirne empfand, das ſo lange anhielt, bis ſich die Natur half, welches aber nicht nach dem ordentlichen Laufe der Natur geſchah; ſon- dern alle Unreinigkeiten giengen durch die Finger weg, und was mir dabey am ſeltſamſten vorkam, ſo fiengen die meiſten der Patienten dieſe Unreinigkeiten mit einem Papiere auf, welches ſie ſodann mit einer demuͤthigen Verbeugung ihrem Arzte ſelbſt widme- ten, und zu fernerer Befoͤrderung des guten Ge- ſchmacks uͤberreichten. Sodann erhielten ſie von ihm die Gewalt, unter ſeiner Aufſicht andre zu curiren. Jch habe gemerkt, daß ſie in ihrer Cur oftmals viel heftiger waren, als ihr Oberhaupt, und ich habe es mit meinen Augen geſehen, daß einer derſelben nur einige Schritte von mir einem der Zuſchauer eine ziemliche Anzahl Pillen in den Hals ſteckte, um ihn auch wider ſeinen Willen von dem uͤbeln Geſchmacke zu curiren. Jch habe vergeſſen, zu erinnern, daß der Anfuͤhrer dieſer kleinen Charlatane erſchreckliche Abentheuer von ſeinen Curen zu erzaͤhlen wußte. Das war ihm viel zu wenig, zu ſagen: Dieſen oder jenen gebrechlichen Mann habe ich durch meine herr-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/34>, abgerufen am 29.04.2024.