[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Ein Traum zugleich ihrer Beiden Namen unsterblich gemachthabe. Zum Schlusse beseufzte er die verstockte Blindheit seiner deutschen Landsleute, welche von einem Gelehrten noch etwas mehr, als lateinisch, fodern wollten, und so gar anfiengen, die Heilig- thümer Latiens durch eine Sprache, welche in Deutschland auch der Pöbel verstehen könnte, fre- ventlich zu entweihen. Hier beschloß er seinen Vor- trag mit einem freudigen Dixi! und Cicero, wel- cher überdrüßig seyn mochte, einem ihm unverständ- lichen Gewäsche zuzuhören, antwortete nichts wei- ter, als: Cura, vt valeas! und ließ ihn stehen. Seine Abwesenheit bewog uns, diesen Ort auch Jch
Ein Traum zugleich ihrer Beiden Namen unſterblich gemachthabe. Zum Schluſſe beſeufzte er die verſtockte Blindheit ſeiner deutſchen Landsleute, welche von einem Gelehrten noch etwas mehr, als lateiniſch, fodern wollten, und ſo gar anfiengen, die Heilig- thuͤmer Latiens durch eine Sprache, welche in Deutſchland auch der Poͤbel verſtehen koͤnnte, fre- ventlich zu entweihen. Hier beſchloß er ſeinen Vor- trag mit einem freudigen Dixi! und Cicero, wel- cher uͤberdruͤßig ſeyn mochte, einem ihm unverſtaͤnd- lichen Gewaͤſche zuzuhoͤren, antwortete nichts wei- ter, als: Cura, vt valeas! und ließ ihn ſtehen. Seine Abweſenheit bewog uns, dieſen Ort auch Jch
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Ein Traum
zugleich ihrer Beiden Namen unſterblich gemacht
habe. Zum Schluſſe beſeufzte er die verſtockte
Blindheit ſeiner deutſchen Landsleute, welche von
einem Gelehrten noch etwas mehr, als lateiniſch,
fodern wollten, und ſo gar anfiengen, die Heilig-
thuͤmer Latiens durch eine Sprache, welche in
Deutſchland auch der Poͤbel verſtehen koͤnnte, fre-
ventlich zu entweihen. Hier beſchloß er ſeinen Vor-
trag mit einem freudigen Dixi! und Cicero, wel-
cher uͤberdruͤßig ſeyn mochte, einem ihm unverſtaͤnd-
lichen Gewaͤſche zuzuhoͤren, antwortete nichts wei-
ter, als: Cura, vt valeas! und ließ ihn ſtehen.
Seine Abweſenheit bewog uns, dieſen Ort auch
wieder zu verlaſſen. Wir kehrten zuruͤck, und es
begegnete uns eine Seele, welche ſich uns mit tau-
melnden und ſchleichenden Schritten zu nahen ſchien.
Sie dehnte ſich, ſie wiſchte die Augen, und gaͤhnte
zu zweyenmalen ſo laut, daß ich ſtehen blieb, um zu
ſehen, ob ſie aufwachen, oder einſchlafen wuͤrde.
Nach einer langen Weile kam ſie uns ſo nahe, daß
ich weichen mußte, aus Furcht, von ihr getreten zu
werden. Mein Fuͤhrer winkte mir, und ich merkte
bald, ſeine Meynung waͤre, daß ich mich in ein Ge-
ſpraͤch mit ihr einlaſſen ſollte. Jch that es, und
redete ſie mit lauter Stimme an, um ſie zu ermun-
tern. Kaum aber hatte ich ein paar Worte ge-
ſagt, als ſie die Augen erſchrecklich weit aufſperrte,
die Arme von ſich ſtreckte, auf den Raſen nieder-
ſank, und weiter nichts ſagte, als: Gute Nacht!
und in dem Augenblicke ſchlief ſie auch ſanft und
ruhig.
Jch
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