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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum
ein beständiger Tod, und eine Marter für diejeni-
gen, welche mit Schmerzen auf sein Absterben war-
ten, weil er erst alsdann anfängt, ihnen nützlich zu
werden.

Jch glaube, ich wäre in diesen ernsthaften Be-
trachtungen noch weiter fortgefahren, ehe ich mir
es aber versahe, bekam ich mit einem Prügel einen
so heftigen Schlag auf den Kopf, daß ich ganz
schwindlicht darüber ward, und daß mir der Huth
auf die Erde fiel. Jch kehrte mich voll Verdruß
um, in der Absicht, denjenigen zu sehen, welcher
vermögend wäre, dergleichen niederträchtige Grob-
heit zu begehen. Jhr seyd sehr unbescheiden, mein
Freund, fuhr ich ihn mit Heftigkeit an, daß ihr
Leuten, die ihr nicht kennt, und die euch nichts
gethan haben, auf eine so ungeschliffne Art bege-
gnet! Und ihr seyd ein ziemlicher Narr, wie ich
merke, versetzte er mit einem lauten Gelächter, daß
ihr einen witzigen Scherz übel nehmt. Merkt ihr
denn nicht, daß ich ein satyrischer Kopf bin? Diese
unverschämte Antwort bewog mich, ihn genauer
anzusehen, und ich entsann mich, ihn gar wohl ge-
kannt zu haben, weil er erst vor einem Jahre gestor-
ben war, und sich über einer Satyre zu Tode ge-
schimpft hatte.

Jch war durch diese verdrüßliche Begebenheit
so unruhig geworden, daß ich befürchtete, es möch-
te mir vielleicht noch ein witziger Kopf aufstoßen,
und mich braun und blau satyrisiren. Um des-
willen that ich meinem Begleiter den Vorschlag,
daß wir uns in eine schattichte Gegend zurück zie-

hen

Ein Traum
ein beſtaͤndiger Tod, und eine Marter fuͤr diejeni-
gen, welche mit Schmerzen auf ſein Abſterben war-
ten, weil er erſt alsdann anfaͤngt, ihnen nuͤtzlich zu
werden.

Jch glaube, ich waͤre in dieſen ernſthaften Be-
trachtungen noch weiter fortgefahren, ehe ich mir
es aber verſahe, bekam ich mit einem Pruͤgel einen
ſo heftigen Schlag auf den Kopf, daß ich ganz
ſchwindlicht daruͤber ward, und daß mir der Huth
auf die Erde fiel. Jch kehrte mich voll Verdruß
um, in der Abſicht, denjenigen zu ſehen, welcher
vermoͤgend waͤre, dergleichen niedertraͤchtige Grob-
heit zu begehen. Jhr ſeyd ſehr unbeſcheiden, mein
Freund, fuhr ich ihn mit Heftigkeit an, daß ihr
Leuten, die ihr nicht kennt, und die euch nichts
gethan haben, auf eine ſo ungeſchliffne Art bege-
gnet! Und ihr ſeyd ein ziemlicher Narr, wie ich
merke, verſetzte er mit einem lauten Gelaͤchter, daß
ihr einen witzigen Scherz uͤbel nehmt. Merkt ihr
denn nicht, daß ich ein ſatyriſcher Kopf bin? Dieſe
unverſchaͤmte Antwort bewog mich, ihn genauer
anzuſehen, und ich entſann mich, ihn gar wohl ge-
kannt zu haben, weil er erſt vor einem Jahre geſtor-
ben war, und ſich uͤber einer Satyre zu Tode ge-
ſchimpft hatte.

Jch war durch dieſe verdruͤßliche Begebenheit
ſo unruhig geworden, daß ich befuͤrchtete, es moͤch-
te mir vielleicht noch ein witziger Kopf aufſtoßen,
und mich braun und blau ſatyriſiren. Um des-
willen that ich meinem Begleiter den Vorſchlag,
daß wir uns in eine ſchattichte Gegend zuruͤck zie-

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[56/0056] Ein Traum ein beſtaͤndiger Tod, und eine Marter fuͤr diejeni- gen, welche mit Schmerzen auf ſein Abſterben war- ten, weil er erſt alsdann anfaͤngt, ihnen nuͤtzlich zu werden. Jch glaube, ich waͤre in dieſen ernſthaften Be- trachtungen noch weiter fortgefahren, ehe ich mir es aber verſahe, bekam ich mit einem Pruͤgel einen ſo heftigen Schlag auf den Kopf, daß ich ganz ſchwindlicht daruͤber ward, und daß mir der Huth auf die Erde fiel. Jch kehrte mich voll Verdruß um, in der Abſicht, denjenigen zu ſehen, welcher vermoͤgend waͤre, dergleichen niedertraͤchtige Grob- heit zu begehen. Jhr ſeyd ſehr unbeſcheiden, mein Freund, fuhr ich ihn mit Heftigkeit an, daß ihr Leuten, die ihr nicht kennt, und die euch nichts gethan haben, auf eine ſo ungeſchliffne Art bege- gnet! Und ihr ſeyd ein ziemlicher Narr, wie ich merke, verſetzte er mit einem lauten Gelaͤchter, daß ihr einen witzigen Scherz uͤbel nehmt. Merkt ihr denn nicht, daß ich ein ſatyriſcher Kopf bin? Dieſe unverſchaͤmte Antwort bewog mich, ihn genauer anzuſehen, und ich entſann mich, ihn gar wohl ge- kannt zu haben, weil er erſt vor einem Jahre geſtor- ben war, und ſich uͤber einer Satyre zu Tode ge- ſchimpft hatte. Jch war durch dieſe verdruͤßliche Begebenheit ſo unruhig geworden, daß ich befuͤrchtete, es moͤch- te mir vielleicht noch ein witziger Kopf aufſtoßen, und mich braun und blau ſatyriſiren. Um des- willen that ich meinem Begleiter den Vorſchlag, daß wir uns in eine ſchattichte Gegend zuruͤck zie- hen

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/56>, abgerufen am 23.11.2024.