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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
"haben. Jch habe Jhrem ganzen Gespräche zu-
"gehört, und mich über Jhre Geduld gewundert.
"Es ist ewig zu bejammern, daß es Leute giebt,
"die sich um Sachen bekümmern, welche sie nicht
"verstehen. Wenn es nur Schneider wären, wel-
"che sich in politische Händel mischten, so möchte
"es allenfalls noch hingehen und es würde sich
"vielleicht darüber lachen lassen. Aber, es giebt
"Männer mit großen Perücken, die es nicht viel
"besser machen, als Jhr Schneider. An statt,
"daß sie für ihre Pflicht, und für das Beste ih-
"res Vaterlandes sorgen sollten; so sitzen sie bey-
"sammen, und plaudern über die Zeitungen. Jch
"bin, wie Sie mich hier sehen, in meinem Leben
"auch aus dem politischen Stande gewesen, und
"habe dabey Gelegenheit gehabt, einzusehen, was
"das heiße, ein Land zu regieren. Mit einem
"Worte! Jch war eines Edeln Hochweisen Raths
"Straßenbereuter, ein geschworner Mann, und
"hatte meine theure Pflicht. Die Finanzsachen
"waren meine liebste, und vornehmste Arbeit, und
"wenn es nach meinem Vorschlage gegangen wä-
"re, die Stadtcasse hätte alle Jahre um hundert-
"tausend Thaler reicher seyn müssen. Aber frey-
"lich, wie es nun geht! Wer etwas versteht, der
"hat seine Feinde. Der Bürgermeister merkte,
"daß ich ihn übersehen konnte, das war schon ge-
"nug, mich zu stürzen. Nur mein Vaterland
"dauert mich, dem ich zu frühzeitig entrissen wor-
"den bin. Tag und Nacht habe ich mitten in

"mei-
E 2

von den abgeſchiednen Seelen.
„haben. Jch habe Jhrem ganzen Geſpraͤche zu-
„gehoͤrt, und mich uͤber Jhre Geduld gewundert.
„Es iſt ewig zu bejammern, daß es Leute giebt,
„die ſich um Sachen bekuͤmmern, welche ſie nicht
„verſtehen. Wenn es nur Schneider waͤren, wel-
„che ſich in politiſche Haͤndel miſchten, ſo moͤchte
„es allenfalls noch hingehen und es wuͤrde ſich
„vielleicht daruͤber lachen laſſen. Aber, es giebt
„Maͤnner mit großen Peruͤcken, die es nicht viel
„beſſer machen, als Jhr Schneider. An ſtatt,
„daß ſie fuͤr ihre Pflicht, und fuͤr das Beſte ih-
„res Vaterlandes ſorgen ſollten; ſo ſitzen ſie bey-
„ſammen, und plaudern uͤber die Zeitungen. Jch
„bin, wie Sie mich hier ſehen, in meinem Leben
„auch aus dem politiſchen Stande geweſen, und
„habe dabey Gelegenheit gehabt, einzuſehen, was
„das heiße, ein Land zu regieren. Mit einem
„Worte! Jch war eines Edeln Hochweiſen Raths
„Straßenbereuter, ein geſchworner Mann, und
„hatte meine theure Pflicht. Die Finanzſachen
„waren meine liebſte, und vornehmſte Arbeit, und
„wenn es nach meinem Vorſchlage gegangen waͤ-
„re, die Stadtcaſſe haͤtte alle Jahre um hundert-
„tauſend Thaler reicher ſeyn muͤſſen. Aber frey-
„lich, wie es nun geht! Wer etwas verſteht, der
„hat ſeine Feinde. Der Buͤrgermeiſter merkte,
„daß ich ihn uͤberſehen konnte, das war ſchon ge-
„nug, mich zu ſtuͤrzen. Nur mein Vaterland
„dauert mich, dem ich zu fruͤhzeitig entriſſen wor-
„den bin. Tag und Nacht habe ich mitten in

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[67/0067] von den abgeſchiednen Seelen. „haben. Jch habe Jhrem ganzen Geſpraͤche zu- „gehoͤrt, und mich uͤber Jhre Geduld gewundert. „Es iſt ewig zu bejammern, daß es Leute giebt, „die ſich um Sachen bekuͤmmern, welche ſie nicht „verſtehen. Wenn es nur Schneider waͤren, wel- „che ſich in politiſche Haͤndel miſchten, ſo moͤchte „es allenfalls noch hingehen und es wuͤrde ſich „vielleicht daruͤber lachen laſſen. Aber, es giebt „Maͤnner mit großen Peruͤcken, die es nicht viel „beſſer machen, als Jhr Schneider. An ſtatt, „daß ſie fuͤr ihre Pflicht, und fuͤr das Beſte ih- „res Vaterlandes ſorgen ſollten; ſo ſitzen ſie bey- „ſammen, und plaudern uͤber die Zeitungen. Jch „bin, wie Sie mich hier ſehen, in meinem Leben „auch aus dem politiſchen Stande geweſen, und „habe dabey Gelegenheit gehabt, einzuſehen, was „das heiße, ein Land zu regieren. Mit einem „Worte! Jch war eines Edeln Hochweiſen Raths „Straßenbereuter, ein geſchworner Mann, und „hatte meine theure Pflicht. Die Finanzſachen „waren meine liebſte, und vornehmſte Arbeit, und „wenn es nach meinem Vorſchlage gegangen waͤ- „re, die Stadtcaſſe haͤtte alle Jahre um hundert- „tauſend Thaler reicher ſeyn muͤſſen. Aber frey- „lich, wie es nun geht! Wer etwas verſteht, der „hat ſeine Feinde. Der Buͤrgermeiſter merkte, „daß ich ihn uͤberſehen konnte, das war ſchon ge- „nug, mich zu ſtuͤrzen. Nur mein Vaterland „dauert mich, dem ich zu fruͤhzeitig entriſſen wor- „den bin. Tag und Nacht habe ich mitten in „mei- E 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/67>, abgerufen am 24.11.2024.