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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Abhandlung
"bereits ausgemacht wäre, daß unmöglich ein Ding
"zugleich seyn, und nicht seyn kann. So wenig ge-
"genwärtig meine Absicht ist, das Lehrgebäude der ge-
"legentlichen Ursachen über einen Haufen zu werfen;
"So wenig werde ich auch itzt untersuchen, ob die Ge-
"sichtspunkte der Vorstellungskraft, welche sich bis
"in die Zirbeldrüse fortpflanzen, nur einfach oder vie-
"lerley sind. Genug, daß der Grund dasjenige in
"der Ursache ist, woraus man das darinnen gegrün-
"dete erklärt. Denn das Ganze zusammen genom-
"men ist seinen Theilen gleich; und wenn die Ursa-
"che gesetzt wird, so wird auch die Wirkung gesetzt.
"Es ist zwar andem, daß es unendliche Wahrschein-
"lichkeiten giebt; doch sind diese Wahrscheinlichkeiten
"der Vermuthungen eben so gewiß, als die Erwei-
"se von vorne. Es thut nichts, daß das Maaß der
"Kräfte in der Welt einerley ist; so lange noch die
"Körper untheilbar sind, und so lange der Raum aus-
"gedehnt ist, dennoch aber keine Eigenschaft hat. So
"deutlich alle diese Wahrheiten an und für sich sind;
"so werde ich mich doch noch besser erklären können;
"wenn ich sie in folgenden Schluß zusammen fasse:
"Die Seele ist ein Spiegel, in welchem sich die an-
"dern Monaden alle im Kleinen abbilden, und wenn
"man die dunkeln Jdeen einer Seele kennen sollte,
"so würde man die Eigenschaften aller Wesen erken-
"nen. Nun ist aber außer Streite, daß die einfa-
"chen Dinge, jedes für sich, bestehen, durch die ver-
"wirrte Vorstellung aber nur ein Haufen zu seyn
"scheinen. Also folgt von selbst, daß etwas dasjeni-
"ge ist, was seyn kann, in dem die Bewegung die

"Ver-

Abhandlung
„bereits ausgemacht waͤre, daß unmoͤglich ein Ding
„zugleich ſeyn, und nicht ſeyn kann. So wenig ge-
„genwaͤrtig meine Abſicht iſt, das Lehrgebaͤude der ge-
„legentlichen Urſachen uͤber einen Haufen zu werfen;
„So wenig werde ich auch itzt unterſuchen, ob die Ge-
„ſichtspunkte der Vorſtellungskraft, welche ſich bis
„in die Zirbeldruͤſe fortpflanzen, nur einfach oder vie-
„lerley ſind. Genug, daß der Grund dasjenige in
„der Urſache iſt, woraus man das darinnen gegruͤn-
„dete erklaͤrt. Denn das Ganze zuſammen genom-
„men iſt ſeinen Theilen gleich; und wenn die Urſa-
„che geſetzt wird, ſo wird auch die Wirkung geſetzt.
„Es iſt zwar andem, daß es unendliche Wahrſchein-
„lichkeiten giebt; doch ſind dieſe Wahrſcheinlichkeiten
„der Vermuthungen eben ſo gewiß, als die Erwei-
„ſe von vorne. Es thut nichts, daß das Maaß der
„Kraͤfte in der Welt einerley iſt; ſo lange noch die
„Koͤrper untheilbar ſind, und ſo lange der Raum aus-
„gedehnt iſt, dennoch aber keine Eigenſchaft hat. So
„deutlich alle dieſe Wahrheiten an und fuͤr ſich ſind;
„ſo werde ich mich doch noch beſſer erklaͤren koͤnnen;
„wenn ich ſie in folgenden Schluß zuſammen faſſe:
„Die Seele iſt ein Spiegel, in welchem ſich die an-
„dern Monaden alle im Kleinen abbilden, und wenn
„man die dunkeln Jdeen einer Seele kennen ſollte,
„ſo wuͤrde man die Eigenſchaften aller Weſen erken-
„nen. Nun iſt aber außer Streite, daß die einfa-
„chen Dinge, jedes fuͤr ſich, beſtehen, durch die ver-
„wirrte Vorſtellung aber nur ein Haufen zu ſeyn
„ſcheinen. Alſo folgt von ſelbſt, daß etwas dasjeni-
„ge iſt, was ſeyn kann, in dem die Bewegung die

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[80/0080] Abhandlung „bereits ausgemacht waͤre, daß unmoͤglich ein Ding „zugleich ſeyn, und nicht ſeyn kann. So wenig ge- „genwaͤrtig meine Abſicht iſt, das Lehrgebaͤude der ge- „legentlichen Urſachen uͤber einen Haufen zu werfen; „So wenig werde ich auch itzt unterſuchen, ob die Ge- „ſichtspunkte der Vorſtellungskraft, welche ſich bis „in die Zirbeldruͤſe fortpflanzen, nur einfach oder vie- „lerley ſind. Genug, daß der Grund dasjenige in „der Urſache iſt, woraus man das darinnen gegruͤn- „dete erklaͤrt. Denn das Ganze zuſammen genom- „men iſt ſeinen Theilen gleich; und wenn die Urſa- „che geſetzt wird, ſo wird auch die Wirkung geſetzt. „Es iſt zwar andem, daß es unendliche Wahrſchein- „lichkeiten giebt; doch ſind dieſe Wahrſcheinlichkeiten „der Vermuthungen eben ſo gewiß, als die Erwei- „ſe von vorne. Es thut nichts, daß das Maaß der „Kraͤfte in der Welt einerley iſt; ſo lange noch die „Koͤrper untheilbar ſind, und ſo lange der Raum aus- „gedehnt iſt, dennoch aber keine Eigenſchaft hat. So „deutlich alle dieſe Wahrheiten an und fuͤr ſich ſind; „ſo werde ich mich doch noch beſſer erklaͤren koͤnnen; „wenn ich ſie in folgenden Schluß zuſammen faſſe: „Die Seele iſt ein Spiegel, in welchem ſich die an- „dern Monaden alle im Kleinen abbilden, und wenn „man die dunkeln Jdeen einer Seele kennen ſollte, „ſo wuͤrde man die Eigenſchaften aller Weſen erken- „nen. Nun iſt aber außer Streite, daß die einfa- „chen Dinge, jedes fuͤr ſich, beſtehen, durch die ver- „wirrte Vorſtellung aber nur ein Haufen zu ſeyn „ſcheinen. Alſo folgt von ſelbſt, daß etwas dasjeni- „ge iſt, was ſeyn kann, in dem die Bewegung die „Ver-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/80>, abgerufen am 15.05.2024.