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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"Richter unmündig ist. Sie stehn sehr oft unter
"der Vormundschaft ihrer Weiber, oder ihrer
"Kinder, oder ihrer Subalternen. Das erste,
"was ein vernünftiger Client thun kann, ist dieses,
"daß er sich nach dergleichen Umständen wohl er-
"kundiget. Gemeiniglich sind die Weiber der
"Richter die erste Jnstanz für die Partheyen.
"Man hüte sich ja, sie zu übergehen. Jch we-
"nigstens bin allemal der Meynung gewesen, daß
"es besser sey, den Richter und die Gesetze, als
"des Richters Frau, wider sich zu haben. Nach
"dem ordentlichen Laufe der Natur hat der Richter
"nur in der Richterstube, seine Frau aber im ganzen
"Hause, zu befehlen. Der Richter lenkt die Gesetze
"nach seinem Gutbefinden, die Frau den Mann
"nach ihrem Winke. Ein Richter, er sey auch wie
"er wolle, hat doch immer einen gewissen Zwang von
"seiner Pflicht und seinem Gewissen: die Frau des
"Richters ist durch keine Pflicht gebunden; und
"wenn sie sich einmal vornimmt, Recht zu behalten, so
"überschreyt sie die Gesetze und alle Rechtsgelehrten.

"Was ich hier sage, braucht keinen Beweis,
"die Erfahrung lehrt es, und ich will einem jeden,
"dem seine gerechte Sache lieb ist, wohlmeynend
"rathen, sich nach dieser Erfahrung zu richten.

"Besondre Regeln braucht man dabey nicht. Es
"gelten hier eben diejenigen, die ich oben wegen der
"Richter festgesetzt habe. Man gebe sich Mühe, die
"herrschenden Leidenschaften der Frau zu erfahren.

"So

Satyriſche Briefe.
„Richter unmuͤndig iſt. Sie ſtehn ſehr oft unter
„der Vormundſchaft ihrer Weiber, oder ihrer
„Kinder, oder ihrer Subalternen. Das erſte,
„was ein vernuͤnftiger Client thun kann, iſt dieſes,
„daß er ſich nach dergleichen Umſtaͤnden wohl er-
„kundiget. Gemeiniglich ſind die Weiber der
„Richter die erſte Jnſtanz fuͤr die Partheyen.
„Man huͤte ſich ja, ſie zu uͤbergehen. Jch we-
„nigſtens bin allemal der Meynung geweſen, daß
„es beſſer ſey, den Richter und die Geſetze, als
„des Richters Frau, wider ſich zu haben. Nach
„dem ordentlichen Laufe der Natur hat der Richter
„nur in der Richterſtube, ſeine Frau aber im ganzen
„Hauſe, zu befehlen. Der Richter lenkt die Geſetze
„nach ſeinem Gutbefinden, die Frau den Mann
„nach ihrem Winke. Ein Richter, er ſey auch wie
„er wolle, hat doch immer einen gewiſſen Zwang von
„ſeiner Pflicht und ſeinem Gewiſſen: die Frau des
„Richters iſt durch keine Pflicht gebunden; und
„wenn ſie ſich einmal vornimmt, Recht zu behalten, ſo
„uͤberſchreyt ſie die Geſetze und alle Rechtsgelehrten.

„Was ich hier ſage, braucht keinen Beweis,
„die Erfahrung lehrt es, und ich will einem jeden,
„dem ſeine gerechte Sache lieb iſt, wohlmeynend
„rathen, ſich nach dieſer Erfahrung zu richten.

„Beſondre Regeln braucht man dabey nicht. Es
„gelten hier eben diejenigen, die ich oben wegen der
„Richter feſtgeſetzt habe. Man gebe ſich Muͤhe, die
„herrſchenden Leidenſchaften der Frau zu erfahren.

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[109/0137] Satyriſche Briefe. „Richter unmuͤndig iſt. Sie ſtehn ſehr oft unter „der Vormundſchaft ihrer Weiber, oder ihrer „Kinder, oder ihrer Subalternen. Das erſte, „was ein vernuͤnftiger Client thun kann, iſt dieſes, „daß er ſich nach dergleichen Umſtaͤnden wohl er- „kundiget. Gemeiniglich ſind die Weiber der „Richter die erſte Jnſtanz fuͤr die Partheyen. „Man huͤte ſich ja, ſie zu uͤbergehen. Jch we- „nigſtens bin allemal der Meynung geweſen, daß „es beſſer ſey, den Richter und die Geſetze, als „des Richters Frau, wider ſich zu haben. Nach „dem ordentlichen Laufe der Natur hat der Richter „nur in der Richterſtube, ſeine Frau aber im ganzen „Hauſe, zu befehlen. Der Richter lenkt die Geſetze „nach ſeinem Gutbefinden, die Frau den Mann „nach ihrem Winke. Ein Richter, er ſey auch wie „er wolle, hat doch immer einen gewiſſen Zwang von „ſeiner Pflicht und ſeinem Gewiſſen: die Frau des „Richters iſt durch keine Pflicht gebunden; und „wenn ſie ſich einmal vornimmt, Recht zu behalten, ſo „uͤberſchreyt ſie die Geſetze und alle Rechtsgelehrten. „Was ich hier ſage, braucht keinen Beweis, „die Erfahrung lehrt es, und ich will einem jeden, „dem ſeine gerechte Sache lieb iſt, wohlmeynend „rathen, ſich nach dieſer Erfahrung zu richten. „Beſondre Regeln braucht man dabey nicht. Es „gelten hier eben diejenigen, die ich oben wegen der „Richter feſtgeſetzt habe. Man gebe ſich Muͤhe, die „herrſchenden Leidenſchaften der Frau zu erfahren. „So

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/137>, abgerufen am 23.11.2024.