Eine Abbitte, und eine Ehrenerklärung ist das wenigste, was ich von Jhnen fodern kann. Können Sie mir im Ernste einen so schlechten Ge- schmack zutrauen, daß ich das Gesichte der Kom- merzenräthinn für reizend halten sollte? Die Schmeichleyen, die ich ihr gestern sagte, giengen wenigstens ihr Gesichte nicht an. Könnte ich mir auch so viel Gewalt anthun, sie zu lieben: so müß- te es gewiß nur darum geschehen, daß ich mich an ihrem Mann rächte, der mich in einen so ver- drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es ist wahr, die ehrliche Frau verläßt sich auf ihre alten Reizungen so sehr, als ihr guter Mann auf die Gerechtigkeit seiner Sache, die er wider mich aus- zuführen gedenkt; doch will ich hoffen, sie sollen beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geste- hen, die Kommerzenräthinn ist eine billige Frau. Sie hat mir gestern ins Ohr gesagt, daß Sie, Gnädige Frau, noch ganz erträglich aussähen, und gesteht, daß Jhre Hände schön sind. Jch kam zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein wenig stolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es kann seyn, sagte sie mit ihrer hohen Mine, aber vielleicht wird sie der Herr Amtshauptmann so gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein- mal Gelegenheit habe, mündlich mit ihm davon zu sprechen. Verstehn Sie diese trium-
phirende
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdige Frau Amtshauptmanninn,
Eine Abbitte, und eine Ehrenerklaͤrung iſt das wenigſte, was ich von Jhnen fodern kann. Koͤnnen Sie mir im Ernſte einen ſo ſchlechten Ge- ſchmack zutrauen, daß ich das Geſichte der Kom- merzenraͤthinn fuͤr reizend halten ſollte? Die Schmeichleyen, die ich ihr geſtern ſagte, giengen wenigſtens ihr Geſichte nicht an. Koͤnnte ich mir auch ſo viel Gewalt anthun, ſie zu lieben: ſo muͤß- te es gewiß nur darum geſchehen, daß ich mich an ihrem Mann raͤchte, der mich in einen ſo ver- drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es iſt wahr, die ehrliche Frau verlaͤßt ſich auf ihre alten Reizungen ſo ſehr, als ihr guter Mann auf die Gerechtigkeit ſeiner Sache, die er wider mich aus- zufuͤhren gedenkt; doch will ich hoffen, ſie ſollen beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geſte- hen, die Kommerzenraͤthinn iſt eine billige Frau. Sie hat mir geſtern ins Ohr geſagt, daß Sie, Gnaͤdige Frau, noch ganz ertraͤglich ausſaͤhen, und geſteht, daß Jhre Haͤnde ſchoͤn ſind. Jch kam zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein wenig ſtolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es kann ſeyn, ſagte ſie mit ihrer hohen Mine, aber vielleicht wird ſie der Herr Amtshauptmann ſo gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein- mal Gelegenheit habe, muͤndlich mit ihm davon zu ſprechen. Verſtehn Sie dieſe trium-
phirende
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><pbfacs="#f0142"n="114"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#fr">Gnaͤdige Frau Amtshauptmanninn,</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>ine Abbitte, und eine Ehrenerklaͤrung iſt das<lb/>
wenigſte, was ich von Jhnen fodern kann.<lb/>
Koͤnnen Sie mir im Ernſte einen ſo ſchlechten Ge-<lb/>ſchmack zutrauen, daß ich das Geſichte der Kom-<lb/>
merzenraͤthinn fuͤr reizend halten ſollte? Die<lb/>
Schmeichleyen, die ich ihr geſtern ſagte, giengen<lb/>
wenigſtens ihr Geſichte nicht an. Koͤnnte ich mir<lb/>
auch ſo viel Gewalt anthun, ſie zu lieben: ſo muͤß-<lb/>
te es gewiß nur darum geſchehen, daß ich mich<lb/>
an ihrem Mann raͤchte, der mich in einen ſo ver-<lb/>
drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es iſt<lb/>
wahr, die ehrliche Frau verlaͤßt ſich auf ihre alten<lb/>
Reizungen ſo ſehr, als ihr guter Mann auf die<lb/>
Gerechtigkeit ſeiner Sache, die er wider mich aus-<lb/>
zufuͤhren gedenkt; doch will ich hoffen, ſie ſollen<lb/>
beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geſte-<lb/>
hen, die Kommerzenraͤthinn iſt eine billige Frau.<lb/>
Sie hat mir geſtern ins Ohr geſagt, daß Sie,<lb/>
Gnaͤdige Frau, noch ganz ertraͤglich ausſaͤhen, und<lb/>
geſteht, daß Jhre Haͤnde ſchoͤn ſind. Jch kam<lb/>
zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein<lb/>
wenig ſtolz auf die Billigkeit meiner Sache. <hirendition="#fr">Es<lb/>
kann ſeyn,</hi>ſagte ſie mit ihrer hohen Mine, <hirendition="#fr">aber<lb/>
vielleicht wird ſie der Herr Amtshauptmann<lb/>ſo gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein-<lb/>
mal Gelegenheit habe, muͤndlich mit ihm<lb/>
davon zu ſprechen.</hi> Verſtehn Sie dieſe trium-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">phirende</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[114/0142]
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdige Frau Amtshauptmanninn,
Eine Abbitte, und eine Ehrenerklaͤrung iſt das
wenigſte, was ich von Jhnen fodern kann.
Koͤnnen Sie mir im Ernſte einen ſo ſchlechten Ge-
ſchmack zutrauen, daß ich das Geſichte der Kom-
merzenraͤthinn fuͤr reizend halten ſollte? Die
Schmeichleyen, die ich ihr geſtern ſagte, giengen
wenigſtens ihr Geſichte nicht an. Koͤnnte ich mir
auch ſo viel Gewalt anthun, ſie zu lieben: ſo muͤß-
te es gewiß nur darum geſchehen, daß ich mich
an ihrem Mann raͤchte, der mich in einen ſo ver-
drießlichen Rechtshandel verwickelt hat. Es iſt
wahr, die ehrliche Frau verlaͤßt ſich auf ihre alten
Reizungen ſo ſehr, als ihr guter Mann auf die
Gerechtigkeit ſeiner Sache, die er wider mich aus-
zufuͤhren gedenkt; doch will ich hoffen, ſie ſollen
beide verlieren. Dem ungeachtet muß ich geſte-
hen, die Kommerzenraͤthinn iſt eine billige Frau.
Sie hat mir geſtern ins Ohr geſagt, daß Sie,
Gnaͤdige Frau, noch ganz ertraͤglich ausſaͤhen, und
geſteht, daß Jhre Haͤnde ſchoͤn ſind. Jch kam
zugleich auf meinen Proceß zu reden, und that ein
wenig ſtolz auf die Billigkeit meiner Sache. Es
kann ſeyn, ſagte ſie mit ihrer hohen Mine, aber
vielleicht wird ſie der Herr Amtshauptmann
ſo gar gerecht nicht finden, wenn ich nur ein-
mal Gelegenheit habe, muͤndlich mit ihm
davon zu ſprechen. Verſtehn Sie dieſe trium-
phirende
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/142>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.