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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
noch hin und wieder der Satz behauptet wird, daß
die Bauern, und der Gerichtsherr, beyde Unter-
thanen eines Fürsten sind. Jch weiß diese theo-
retische Wahrheiten gar wohl. Wir können es
geschehen lassen, daß sich die Gelehrten auf hohen
Schulen, um ein paar milzsüchtige Schriftsteller,
damit beschäfftigen. Genug, daß wir unter uns
die Erfahrung haben, welche allen diesen Pedante-
reyen widerspricht. Was wir noch thun können,
um vor den Augen des gemeinen Volks den äusser-
lichen Wohlstand zu behaupten, das ist dieses, daß
wir die Bauern niemals anders, als mit der streng-
sten Legalität, plündern. Darf ich es wohl wa-
gen, Gnädiger Herr, Jhnen zu sagen, daß ich eben
darinne meine Stärke habe? So bald ich Jhnen
diejenigen Lehrer nenne, die mich auf hohen Schu-
len zur Gerechtigkeit eingeweiht haben; so bald
werden Sie weniger an meinem Vorgeben zwei-
feln. Wollen Sie noch mehr Beweis haben?
Davor habe ich mich sehr gehütet, was man gründ-
liche Rechtsgelehrsamkeit nennet. Cautelen sind
mein Hauptstudium gewesen, und ich war im
Stande, Gesetze zu verdrehen, ehe ich noch wußte,
was Novellen hießen. Die erste Probe meiner
Geschicklichkeit waren einige Hurenprocesse, die ich
glücklich ausgeführt habe. Jch war noch kein
Jahr ein Advocat, als mir schon zweymal die Pra-
xis untersagt wurde. Meine Unerschrockenheit,
mit welcher ich die Obern, und die Richter, zum
besten meiner Clienten, beleidigte, brachte mich vier

Wochen

Satyriſche Briefe.
noch hin und wieder der Satz behauptet wird, daß
die Bauern, und der Gerichtsherr, beyde Unter-
thanen eines Fuͤrſten ſind. Jch weiß dieſe theo-
retiſche Wahrheiten gar wohl. Wir koͤnnen es
geſchehen laſſen, daß ſich die Gelehrten auf hohen
Schulen, um ein paar milzſuͤchtige Schriftſteller,
damit beſchaͤfftigen. Genug, daß wir unter uns
die Erfahrung haben, welche allen dieſen Pedante-
reyen widerſpricht. Was wir noch thun koͤnnen,
um vor den Augen des gemeinen Volks den aͤuſſer-
lichen Wohlſtand zu behaupten, das iſt dieſes, daß
wir die Bauern niemals anders, als mit der ſtreng-
ſten Legalitaͤt, pluͤndern. Darf ich es wohl wa-
gen, Gnaͤdiger Herr, Jhnen zu ſagen, daß ich eben
darinne meine Staͤrke habe? So bald ich Jhnen
diejenigen Lehrer nenne, die mich auf hohen Schu-
len zur Gerechtigkeit eingeweiht haben; ſo bald
werden Sie weniger an meinem Vorgeben zwei-
feln. Wollen Sie noch mehr Beweis haben?
Davor habe ich mich ſehr gehuͤtet, was man gruͤnd-
liche Rechtsgelehrſamkeit nennet. Cautelen ſind
mein Hauptſtudium geweſen, und ich war im
Stande, Geſetze zu verdrehen, ehe ich noch wußte,
was Novellen hießen. Die erſte Probe meiner
Geſchicklichkeit waren einige Hurenproceſſe, die ich
gluͤcklich ausgefuͤhrt habe. Jch war noch kein
Jahr ein Advocat, als mir ſchon zweymal die Pra-
xis unterſagt wurde. Meine Unerſchrockenheit,
mit welcher ich die Obern, und die Richter, zum
beſten meiner Clienten, beleidigte, brachte mich vier

Wochen
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[158/0186] Satyriſche Briefe. noch hin und wieder der Satz behauptet wird, daß die Bauern, und der Gerichtsherr, beyde Unter- thanen eines Fuͤrſten ſind. Jch weiß dieſe theo- retiſche Wahrheiten gar wohl. Wir koͤnnen es geſchehen laſſen, daß ſich die Gelehrten auf hohen Schulen, um ein paar milzſuͤchtige Schriftſteller, damit beſchaͤfftigen. Genug, daß wir unter uns die Erfahrung haben, welche allen dieſen Pedante- reyen widerſpricht. Was wir noch thun koͤnnen, um vor den Augen des gemeinen Volks den aͤuſſer- lichen Wohlſtand zu behaupten, das iſt dieſes, daß wir die Bauern niemals anders, als mit der ſtreng- ſten Legalitaͤt, pluͤndern. Darf ich es wohl wa- gen, Gnaͤdiger Herr, Jhnen zu ſagen, daß ich eben darinne meine Staͤrke habe? So bald ich Jhnen diejenigen Lehrer nenne, die mich auf hohen Schu- len zur Gerechtigkeit eingeweiht haben; ſo bald werden Sie weniger an meinem Vorgeben zwei- feln. Wollen Sie noch mehr Beweis haben? Davor habe ich mich ſehr gehuͤtet, was man gruͤnd- liche Rechtsgelehrſamkeit nennet. Cautelen ſind mein Hauptſtudium geweſen, und ich war im Stande, Geſetze zu verdrehen, ehe ich noch wußte, was Novellen hießen. Die erſte Probe meiner Geſchicklichkeit waren einige Hurenproceſſe, die ich gluͤcklich ausgefuͤhrt habe. Jch war noch kein Jahr ein Advocat, als mir ſchon zweymal die Pra- xis unterſagt wurde. Meine Unerſchrockenheit, mit welcher ich die Obern, und die Richter, zum beſten meiner Clienten, beleidigte, brachte mich vier Wochen

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/186>, abgerufen am 23.11.2024.