Es hat mich Herr - - - gebeten, ihn bey Ew. Gnaden zu empfehlen, da er gehört hat, daß Sie die erledigte Schösserstelle auf Jhren Gütern wieder zu besetzen im Begriffe sind. Sie sehen es selbst ein, Gnädiger Herr, daß dieses Amt einen gelehrten, einen ehrlichen, und einen arbeitsamen Mann haben will. Es ist schwer, alle drey Tugenden beysammen anzutreffen; und wer sie beysammen besitzt, der wird gemeiniglich so sehr geschätzt, und so sorgfältig gesucht, daß er sich kaum entschliessen dürfte, ein Amt, wie das Jhrige, anzunehmen, welches ihn vom Hofe, und von aller Gelegenheit, sein Glück weiter zu treiben, entfernt. Ew. Gnaden kennen mich zu gut, als daß Sie glauben sollten, ich stellte Jh- nen die Sache um deswillen so schwer vor, damit ich die Verdienste meines Candidaten desto gelten- der machen könnte. Er besitzt wirklich alle die Ei- genschaften, die ich oben gefodert habe, er weiß es aber selbst so wenig, daß er immer zweifelt, ob er auch geschickt genug sey, dem Amte so vorzustehn, wie er ihm vorzustehen wünscht. Diese Furcht- samkeit, vielleicht aber auch ein vernünftiges Ver- langen, glücklich und ruhig zu bleiben, entfernen ihn vom Hofe. Er wünscht, als ein ehrlicher Mann, und unbekannt, auf Jhrer Herrschaft zu sterben. Wollen Sie eine genauere Nachricht
von
L 2
Satyriſche Briefe
Gnaͤdiger Herr,
Es hat mich Herr ‒ ‒ ‒ gebeten, ihn bey Ew. Gnaden zu empfehlen, da er gehoͤrt hat, daß Sie die erledigte Schoͤſſerſtelle auf Jhren Guͤtern wieder zu beſetzen im Begriffe ſind. Sie ſehen es ſelbſt ein, Gnaͤdiger Herr, daß dieſes Amt einen gelehrten, einen ehrlichen, und einen arbeitſamen Mann haben will. Es iſt ſchwer, alle drey Tugenden beyſammen anzutreffen; und wer ſie beyſammen beſitzt, der wird gemeiniglich ſo ſehr geſchaͤtzt, und ſo ſorgfaͤltig geſucht, daß er ſich kaum entſchlieſſen duͤrfte, ein Amt, wie das Jhrige, anzunehmen, welches ihn vom Hofe, und von aller Gelegenheit, ſein Gluͤck weiter zu treiben, entfernt. Ew. Gnaden kennen mich zu gut, als daß Sie glauben ſollten, ich ſtellte Jh- nen die Sache um deswillen ſo ſchwer vor, damit ich die Verdienſte meines Candidaten deſto gelten- der machen koͤnnte. Er beſitzt wirklich alle die Ei- genſchaften, die ich oben gefodert habe, er weiß es aber ſelbſt ſo wenig, daß er immer zweifelt, ob er auch geſchickt genug ſey, dem Amte ſo vorzuſtehn, wie er ihm vorzuſtehen wuͤnſcht. Dieſe Furcht- ſamkeit, vielleicht aber auch ein vernuͤnftiges Ver- langen, gluͤcklich und ruhig zu bleiben, entfernen ihn vom Hofe. Er wuͤnſcht, als ein ehrlicher Mann, und unbekannt, auf Jhrer Herrſchaft zu ſterben. Wollen Sie eine genauere Nachricht
von
L 2
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><pbfacs="#f0191"n="163"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe</hi></fw><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#fr">Gnaͤdiger Herr,</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s hat mich Herr ‒‒‒ gebeten, ihn bey<lb/>
Ew. Gnaden zu empfehlen, da er gehoͤrt hat,<lb/>
daß Sie die erledigte Schoͤſſerſtelle auf Jhren<lb/>
Guͤtern wieder zu beſetzen im Begriffe ſind. Sie<lb/>ſehen es ſelbſt ein, Gnaͤdiger Herr, daß dieſes<lb/>
Amt einen gelehrten, einen ehrlichen, und einen<lb/>
arbeitſamen Mann haben will. Es iſt ſchwer,<lb/>
alle drey Tugenden beyſammen anzutreffen; und<lb/>
wer ſie beyſammen beſitzt, der wird gemeiniglich<lb/>ſo ſehr geſchaͤtzt, und ſo ſorgfaͤltig geſucht, daß<lb/>
er ſich kaum entſchlieſſen duͤrfte, ein Amt, wie das<lb/>
Jhrige, anzunehmen, welches ihn vom Hofe,<lb/>
und von aller Gelegenheit, ſein Gluͤck weiter zu<lb/>
treiben, entfernt. Ew. Gnaden kennen mich zu<lb/>
gut, als daß Sie glauben ſollten, ich ſtellte Jh-<lb/>
nen die Sache um deswillen ſo ſchwer vor, damit<lb/>
ich die Verdienſte meines Candidaten deſto gelten-<lb/>
der machen koͤnnte. Er beſitzt wirklich alle die Ei-<lb/>
genſchaften, die ich oben gefodert habe, er weiß es<lb/>
aber ſelbſt ſo wenig, daß er immer zweifelt, ob er<lb/>
auch geſchickt genug ſey, dem Amte ſo vorzuſtehn,<lb/>
wie er ihm vorzuſtehen wuͤnſcht. Dieſe Furcht-<lb/>ſamkeit, vielleicht aber auch ein vernuͤnftiges Ver-<lb/>
langen, gluͤcklich und ruhig zu bleiben, entfernen<lb/>
ihn vom Hofe. Er wuͤnſcht, als ein ehrlicher<lb/>
Mann, und unbekannt, auf Jhrer Herrſchaft zu<lb/>ſterben. Wollen Sie eine genauere Nachricht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[163/0191]
Satyriſche Briefe
Gnaͤdiger Herr,
Es hat mich Herr ‒ ‒ ‒ gebeten, ihn bey
Ew. Gnaden zu empfehlen, da er gehoͤrt hat,
daß Sie die erledigte Schoͤſſerſtelle auf Jhren
Guͤtern wieder zu beſetzen im Begriffe ſind. Sie
ſehen es ſelbſt ein, Gnaͤdiger Herr, daß dieſes
Amt einen gelehrten, einen ehrlichen, und einen
arbeitſamen Mann haben will. Es iſt ſchwer,
alle drey Tugenden beyſammen anzutreffen; und
wer ſie beyſammen beſitzt, der wird gemeiniglich
ſo ſehr geſchaͤtzt, und ſo ſorgfaͤltig geſucht, daß
er ſich kaum entſchlieſſen duͤrfte, ein Amt, wie das
Jhrige, anzunehmen, welches ihn vom Hofe,
und von aller Gelegenheit, ſein Gluͤck weiter zu
treiben, entfernt. Ew. Gnaden kennen mich zu
gut, als daß Sie glauben ſollten, ich ſtellte Jh-
nen die Sache um deswillen ſo ſchwer vor, damit
ich die Verdienſte meines Candidaten deſto gelten-
der machen koͤnnte. Er beſitzt wirklich alle die Ei-
genſchaften, die ich oben gefodert habe, er weiß es
aber ſelbſt ſo wenig, daß er immer zweifelt, ob er
auch geſchickt genug ſey, dem Amte ſo vorzuſtehn,
wie er ihm vorzuſtehen wuͤnſcht. Dieſe Furcht-
ſamkeit, vielleicht aber auch ein vernuͤnftiges Ver-
langen, gluͤcklich und ruhig zu bleiben, entfernen
ihn vom Hofe. Er wuͤnſcht, als ein ehrlicher
Mann, und unbekannt, auf Jhrer Herrſchaft zu
ſterben. Wollen Sie eine genauere Nachricht
von
L 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/191>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.