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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
tirt sey, weil er weder in der Richterstube,
noch in seinen Schreiben heftig geworden, sondern
sein Recht mit der größten Gelassenheit, und ei-
nem gesitteten Anstande vertheidigt, ohne den
Gegner zu schimpfen, oder dem Richter bittere
Vorwürfe zu machen. Es wird nun zehn Jahre
seyn, daß er die Gerichtsbestallung zu - - -
übernahm. Es war an diesem Orte seit funfzig
Jahren zur Gewohnheit geworden, daß die Herr-
schaft und die Unterthanen einander durch ewige
und kostbare Processe entkräfteten. Jn der That
befanden sich die Unterthanen in den kümmerlich-
sten, und verzweifeltsten Umständen; und seit die-
sen funfzig Jahren waren zwo Herrschaften genö-
thigt worden, das Rittergut zu verkaufen, um
sich aus diesen Processen, und von ihrem völligen
Untergange zu retten. Als mein Candidat zur
Gerichtsverwaltung kam, so beneideten ihn we-
gen dieses Glücks viele, welche glaubten, er wer-
de dieses Amt so nutzen, wie es seine Vorfahren
genutzt hatten. Allein auch dazu war er zu ehr-
lich. Seine erste Sorgfalt gieng dahin, wie er
sich beym Gerichtsherrn ein gewisses Ansehn er-
werben möchte, welches sich diejenigen gar leicht
erwerben, die geschickt und redlich sind. Auf der
andern Seite gab er sich Mühe, das Zutrauen der
Unterthanen zu gewinnen, und ihnen zu zeigen,
daß er ein unpartheyischer Richter sey. Er
erlangte beides. Wie leicht muß es einem

Manne
L 3

Satyriſche Briefe.
tirt ſey, weil er weder in der Richterſtube,
noch in ſeinen Schreiben heftig geworden, ſondern
ſein Recht mit der groͤßten Gelaſſenheit, und ei-
nem geſitteten Anſtande vertheidigt, ohne den
Gegner zu ſchimpfen, oder dem Richter bittere
Vorwuͤrfe zu machen. Es wird nun zehn Jahre
ſeyn, daß er die Gerichtsbeſtallung zu ‒ ‒ ‒
uͤbernahm. Es war an dieſem Orte ſeit funfzig
Jahren zur Gewohnheit geworden, daß die Herr-
ſchaft und die Unterthanen einander durch ewige
und koſtbare Proceſſe entkraͤfteten. Jn der That
befanden ſich die Unterthanen in den kuͤmmerlich-
ſten, und verzweifeltſten Umſtaͤnden; und ſeit die-
ſen funfzig Jahren waren zwo Herrſchaften genoͤ-
thigt worden, das Rittergut zu verkaufen, um
ſich aus dieſen Proceſſen, und von ihrem voͤlligen
Untergange zu retten. Als mein Candidat zur
Gerichtsverwaltung kam, ſo beneideten ihn we-
gen dieſes Gluͤcks viele, welche glaubten, er wer-
de dieſes Amt ſo nutzen, wie es ſeine Vorfahren
genutzt hatten. Allein auch dazu war er zu ehr-
lich. Seine erſte Sorgfalt gieng dahin, wie er
ſich beym Gerichtsherrn ein gewiſſes Anſehn er-
werben moͤchte, welches ſich diejenigen gar leicht
erwerben, die geſchickt und redlich ſind. Auf der
andern Seite gab er ſich Muͤhe, das Zutrauen der
Unterthanen zu gewinnen, und ihnen zu zeigen,
daß er ein unpartheyiſcher Richter ſey. Er
erlangte beides. Wie leicht muß es einem

Manne
L 3
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[165/0193] Satyriſche Briefe. tirt ſey, weil er weder in der Richterſtube, noch in ſeinen Schreiben heftig geworden, ſondern ſein Recht mit der groͤßten Gelaſſenheit, und ei- nem geſitteten Anſtande vertheidigt, ohne den Gegner zu ſchimpfen, oder dem Richter bittere Vorwuͤrfe zu machen. Es wird nun zehn Jahre ſeyn, daß er die Gerichtsbeſtallung zu ‒ ‒ ‒ uͤbernahm. Es war an dieſem Orte ſeit funfzig Jahren zur Gewohnheit geworden, daß die Herr- ſchaft und die Unterthanen einander durch ewige und koſtbare Proceſſe entkraͤfteten. Jn der That befanden ſich die Unterthanen in den kuͤmmerlich- ſten, und verzweifeltſten Umſtaͤnden; und ſeit die- ſen funfzig Jahren waren zwo Herrſchaften genoͤ- thigt worden, das Rittergut zu verkaufen, um ſich aus dieſen Proceſſen, und von ihrem voͤlligen Untergange zu retten. Als mein Candidat zur Gerichtsverwaltung kam, ſo beneideten ihn we- gen dieſes Gluͤcks viele, welche glaubten, er wer- de dieſes Amt ſo nutzen, wie es ſeine Vorfahren genutzt hatten. Allein auch dazu war er zu ehr- lich. Seine erſte Sorgfalt gieng dahin, wie er ſich beym Gerichtsherrn ein gewiſſes Anſehn er- werben moͤchte, welches ſich diejenigen gar leicht erwerben, die geſchickt und redlich ſind. Auf der andern Seite gab er ſich Muͤhe, das Zutrauen der Unterthanen zu gewinnen, und ihnen zu zeigen, daß er ein unpartheyiſcher Richter ſey. Er erlangte beides. Wie leicht muß es einem Manne L 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/193>, abgerufen am 23.11.2024.