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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"ich demselben in dessen freundlichen Bitten so
"fort nicht fugen. Meine Freunde glauben über
"dieß, daß ich mit meinem Reifenrocke in Jhrem
"Würzladen nicht Raum haben werde. Sie hof-
"fen, es werde Jhnen nicht an Gelegenheit feh-
"len, eine Frau zu bekommen, wenn es auch
"gleich keine Tochter eines Commissionraths sey.
"Unter Gottes Schutz verbleibende,

Ehrenvester, Fürnehmer,
Jnsonders großgünstig Hochgeehrter Herr,

Dessen
gute Freundinn und Dienerinn.

Dieses war die letzte Kraft meines jungfräuli-
chen Stolzes, und nunmehr kam die Reihe an mich,
gedemüthiget zu werden. Hier fängt sich der
zweyte Theil meines Romans an. Wie traurig
ist diese Veränderung für mich! Mein Vater
starb. Was ich befürchtet hatte, geschahe, und
noch weit mehr. Er verließ kein Vermögen, es
meldeten sich so gar verschiedne Gläubiger, und
man fand in seinen Rechnungen viele Unrichtigkei-
ten, welche machten, daß auch die Caution zu-
rück behalten ward. Ueberlegen sie es einmal,
mein Herr! Ein Mädchen von drey und dreyßig
Jahren ohne Aeltern, ohne Vermögen, dasjenige

zu

Satyriſche Briefe.
„ich demſelben in deſſen freundlichen Bitten ſo
„fort nicht fugen. Meine Freunde glauben uͤber
„dieß, daß ich mit meinem Reifenrocke in Jhrem
„Wuͤrzladen nicht Raum haben werde. Sie hof-
„fen, es werde Jhnen nicht an Gelegenheit feh-
„len, eine Frau zu bekommen, wenn es auch
„gleich keine Tochter eines Commiſſionraths ſey.
„Unter Gottes Schutz verbleibende,

Ehrenveſter, Fuͤrnehmer,
Jnſonders großguͤnſtig Hochgeehrter Herr,

Deſſen
gute Freundinn und Dienerinn.

Dieſes war die letzte Kraft meines jungfraͤuli-
chen Stolzes, und nunmehr kam die Reihe an mich,
gedemuͤthiget zu werden. Hier faͤngt ſich der
zweyte Theil meines Romans an. Wie traurig
iſt dieſe Veraͤnderung fuͤr mich! Mein Vater
ſtarb. Was ich befuͤrchtet hatte, geſchahe, und
noch weit mehr. Er verließ kein Vermoͤgen, es
meldeten ſich ſo gar verſchiedne Glaͤubiger, und
man fand in ſeinen Rechnungen viele Unrichtigkei-
ten, welche machten, daß auch die Caution zu-
ruͤck behalten ward. Ueberlegen ſie es einmal,
mein Herr! Ein Maͤdchen von drey und dreyßig
Jahren ohne Aeltern, ohne Vermoͤgen, dasjenige

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[219/0247] Satyriſche Briefe. „ich demſelben in deſſen freundlichen Bitten ſo „fort nicht fugen. Meine Freunde glauben uͤber „dieß, daß ich mit meinem Reifenrocke in Jhrem „Wuͤrzladen nicht Raum haben werde. Sie hof- „fen, es werde Jhnen nicht an Gelegenheit feh- „len, eine Frau zu bekommen, wenn es auch „gleich keine Tochter eines Commiſſionraths ſey. „Unter Gottes Schutz verbleibende, Ehrenveſter, Fuͤrnehmer, Jnſonders großguͤnſtig Hochgeehrter Herr, Deſſen gute Freundinn und Dienerinn. Dieſes war die letzte Kraft meines jungfraͤuli- chen Stolzes, und nunmehr kam die Reihe an mich, gedemuͤthiget zu werden. Hier faͤngt ſich der zweyte Theil meines Romans an. Wie traurig iſt dieſe Veraͤnderung fuͤr mich! Mein Vater ſtarb. Was ich befuͤrchtet hatte, geſchahe, und noch weit mehr. Er verließ kein Vermoͤgen, es meldeten ſich ſo gar verſchiedne Glaͤubiger, und man fand in ſeinen Rechnungen viele Unrichtigkei- ten, welche machten, daß auch die Caution zu- ruͤck behalten ward. Ueberlegen ſie es einmal, mein Herr! Ein Maͤdchen von drey und dreyßig Jahren ohne Aeltern, ohne Vermoͤgen, dasjenige zu

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/247>, abgerufen am 23.11.2024.