[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. Nachkommen den nothdürftigen Unterhalt unddie nöthige Erziehung geben sollen. Damit wir einander recht zärtlich und exemplarisch lieben kön- nen, sollen deßwegen unsre armen Kinder verhun- gern, oder dem Vaterlande zur Last seyn? Wis- sen Sie was? Sie für Sich haben zu leben, ich für mich auch; aber beide zusammen haben wir kein Brod. Wir wollen leben, wie bisher. Jch liebe Sie als einen vernünftigen und rechtschaffnen Freund; und Sie lieben mich als Jhre Freundinn. Dabey soll es bleiben, und wir wollen niemals eher zusammen kommen, bis wir zu Hause uns satt ge- gessen haben. Unser Umgang wird immer ver- gnügt, immer tugendhaft bleiben, und wir wer- den den dauerhaften Vortheil haben, daß wir bey unsrer Freundschaft nicht unruhig sind. Sind Sie mit meiner Antwort zufrieden? Wie schwer wird es mir, eine Sache auszuschlagen, die ich bey andern Umständen für mein größtes Glück halten würde! Leben Sie wohl. Da Z 5
Satyriſche Briefe. Nachkommen den nothduͤrftigen Unterhalt unddie noͤthige Erziehung geben ſollen. Damit wir einander recht zaͤrtlich und exemplariſch lieben koͤn- nen, ſollen deßwegen unſre armen Kinder verhun- gern, oder dem Vaterlande zur Laſt ſeyn? Wiſ- ſen Sie was? Sie fuͤr Sich haben zu leben, ich fuͤr mich auch; aber beide zuſammen haben wir kein Brod. Wir wollen leben, wie bisher. Jch liebe Sie als einen vernuͤnftigen und rechtſchaffnen Freund; und Sie lieben mich als Jhre Freundinn. Dabey ſoll es bleiben, und wir wollen niemals eher zuſammen kommen, bis wir zu Hauſe uns ſatt ge- geſſen haben. Unſer Umgang wird immer ver- gnuͤgt, immer tugendhaft bleiben, und wir wer- den den dauerhaften Vortheil haben, daß wir bey unſrer Freundſchaft nicht unruhig ſind. Sind Sie mit meiner Antwort zufrieden? Wie ſchwer wird es mir, eine Sache auszuſchlagen, die ich bey andern Umſtaͤnden fuͤr mein groͤßtes Gluͤck halten wuͤrde! Leben Sie wohl. Da Z 5
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Satyriſche Briefe.
Nachkommen den nothduͤrftigen Unterhalt und
die noͤthige Erziehung geben ſollen. Damit wir
einander recht zaͤrtlich und exemplariſch lieben koͤn-
nen, ſollen deßwegen unſre armen Kinder verhun-
gern, oder dem Vaterlande zur Laſt ſeyn? Wiſ-
ſen Sie was? Sie fuͤr Sich haben zu leben, ich
fuͤr mich auch; aber beide zuſammen haben wir
kein Brod. Wir wollen leben, wie bisher. Jch
liebe Sie als einen vernuͤnftigen und rechtſchaffnen
Freund; und Sie lieben mich als Jhre Freundinn.
Dabey ſoll es bleiben, und wir wollen niemals eher
zuſammen kommen, bis wir zu Hauſe uns ſatt ge-
geſſen haben. Unſer Umgang wird immer ver-
gnuͤgt, immer tugendhaft bleiben, und wir wer-
den den dauerhaften Vortheil haben, daß wir bey
unſrer Freundſchaft nicht unruhig ſind. Sind
Sie mit meiner Antwort zufrieden? Wie ſchwer
wird es mir, eine Sache auszuſchlagen, die ich
bey andern Umſtaͤnden fuͤr mein groͤßtes Gluͤck
halten wuͤrde!
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