"winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger "Patriot wieder.
Mademoiselle,
Jch habe Jhnen einen Vorschlag zu thun, der Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete ein blutarmes Fräulein aus einem uralten Hause. Mein Großvater vermählte sich mit der Barones- sinn von - - - deren Vorfahren zu Kaiser Frie- drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe als Ritter reisten. Von meinem Urgroßvater ist es bekannt, daß er sich nicht entschliessen konnte, eine reiche Gräfinn zu heirathen, bloß darum, weil ihr Vater ein Kaufmann gewesen war. Er nahm ein armes Fräulein, welche von so gutem Adel war, daß sie selbst den Beyfall des Herzogs erhielt. Mit einem Worte, alle meine Vorfahren sind so vorsichtig gewesen, daß sie nicht unter ihren Stand geheirathet, und niemals ihren Adel mit bürgerli- chem Blute befleckt und vermengt haben. Und dennoch habe ich so viel Ueberwindung, Jhnen, Mademoiselle, zu sagen, daß ich Sie liebe, und dieses in der ernstlichen Absicht, Sie zu meiner Ge- mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach- tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl; aber ich kann es nicht ändern. Ein Bürgermäd- chen zu heirathen: das will viel sagen! Sonst war ich der erste, der gegen dergleichen widernatürliche Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eisen! Meine
Um-
A a 5
Satyriſche Briefe.
„winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger „Patriot wieder.
Mademoiſelle,
Jch habe Jhnen einen Vorſchlag zu thun, der Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete ein blutarmes Fraͤulein aus einem uralten Hauſe. Mein Großvater vermaͤhlte ſich mit der Baroneſ- ſinn von ‒ ‒ ‒ deren Vorfahren zu Kaiſer Frie- drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe als Ritter reiſten. Von meinem Urgroßvater iſt es bekannt, daß er ſich nicht entſchlieſſen konnte, eine reiche Graͤfinn zu heirathen, bloß darum, weil ihr Vater ein Kaufmann geweſen war. Er nahm ein armes Fraͤulein, welche von ſo gutem Adel war, daß ſie ſelbſt den Beyfall des Herzogs erhielt. Mit einem Worte, alle meine Vorfahren ſind ſo vorſichtig geweſen, daß ſie nicht unter ihren Stand geheirathet, und niemals ihren Adel mit buͤrgerli- chem Blute befleckt und vermengt haben. Und dennoch habe ich ſo viel Ueberwindung, Jhnen, Mademoiſelle, zu ſagen, daß ich Sie liebe, und dieſes in der ernſtlichen Abſicht, Sie zu meiner Ge- mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach- tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl; aber ich kann es nicht aͤndern. Ein Buͤrgermaͤd- chen zu heirathen: das will viel ſagen! Sonſt war ich der erſte, der gegen dergleichen widernatuͤrliche Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eiſen! Meine
Um-
A a 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0405"n="377"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>„winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger<lb/>„Patriot wieder.</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Mademoiſelle,</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch habe Jhnen einen Vorſchlag zu thun, der<lb/>
Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete<lb/>
ein blutarmes Fraͤulein aus einem uralten Hauſe.<lb/>
Mein Großvater vermaͤhlte ſich mit der Baroneſ-<lb/>ſinn von ‒‒‒ deren Vorfahren zu Kaiſer Frie-<lb/>
drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe<lb/>
als Ritter reiſten. Von meinem Urgroßvater iſt<lb/>
es bekannt, daß er ſich nicht entſchlieſſen konnte,<lb/>
eine reiche Graͤfinn zu heirathen, bloß darum, weil<lb/>
ihr Vater ein Kaufmann geweſen war. Er nahm<lb/>
ein armes Fraͤulein, welche von ſo gutem Adel<lb/>
war, daß ſie ſelbſt den Beyfall des Herzogs erhielt.<lb/>
Mit einem Worte, alle meine Vorfahren ſind ſo<lb/>
vorſichtig geweſen, daß ſie nicht unter ihren Stand<lb/>
geheirathet, und niemals ihren Adel mit buͤrgerli-<lb/>
chem Blute befleckt und vermengt haben. Und<lb/>
dennoch habe ich ſo viel Ueberwindung, Jhnen,<lb/>
Mademoiſelle, zu ſagen, daß ich Sie liebe, und<lb/>
dieſes in der ernſtlichen Abſicht, Sie zu meiner Ge-<lb/>
mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach-<lb/>
tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl;<lb/>
aber ich kann es nicht aͤndern. Ein Buͤrgermaͤd-<lb/>
chen zu heirathen: das will viel ſagen! Sonſt war<lb/>
ich der erſte, der gegen dergleichen widernatuͤrliche<lb/>
Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eiſen! Meine<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Um-</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[377/0405]
Satyriſche Briefe.
„winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger
„Patriot wieder.
Mademoiſelle,
Jch habe Jhnen einen Vorſchlag zu thun, der
Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete
ein blutarmes Fraͤulein aus einem uralten Hauſe.
Mein Großvater vermaͤhlte ſich mit der Baroneſ-
ſinn von ‒ ‒ ‒ deren Vorfahren zu Kaiſer Frie-
drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe
als Ritter reiſten. Von meinem Urgroßvater iſt
es bekannt, daß er ſich nicht entſchlieſſen konnte,
eine reiche Graͤfinn zu heirathen, bloß darum, weil
ihr Vater ein Kaufmann geweſen war. Er nahm
ein armes Fraͤulein, welche von ſo gutem Adel
war, daß ſie ſelbſt den Beyfall des Herzogs erhielt.
Mit einem Worte, alle meine Vorfahren ſind ſo
vorſichtig geweſen, daß ſie nicht unter ihren Stand
geheirathet, und niemals ihren Adel mit buͤrgerli-
chem Blute befleckt und vermengt haben. Und
dennoch habe ich ſo viel Ueberwindung, Jhnen,
Mademoiſelle, zu ſagen, daß ich Sie liebe, und
dieſes in der ernſtlichen Abſicht, Sie zu meiner Ge-
mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach-
tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl;
aber ich kann es nicht aͤndern. Ein Buͤrgermaͤd-
chen zu heirathen: das will viel ſagen! Sonſt war
ich der erſte, der gegen dergleichen widernatuͤrliche
Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eiſen! Meine
Um-
A a 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/405>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.