"Jch bin überzeugt, daß dem gemeinen Vol- "ke, und besonders dem Landvolke, ein ge- "schickter und fleißiger Schulmeister fast "noch unentbehrlicher sey, als ein gelehrter, und "beredter Prediger. Und dennoch ist man an "vielen Orten bey der Besetzung dieses Amts bey- "nahe noch leichtsinniger, und noch weniger besorgt, "als bey den andern geistlichen Aemtern. Jch "will mich nicht dabey aufhalten. Jch will mei- "nen Schulmeister reden lassen. Noch zur Zeit "ist er nicht befördert; ich weiß aber ein gewisses "Ritterguth, wo ich ihn in Vorschlag bringen will, "und ich hoffe gewiß, er wird sein Glück daselbst "machen."
Unser Schäfer hat mir erzählt, daß ihr Schul- meister in voriger Woche gestorben ist, und daß Sie bemüht sind, diese Stelle, so bald möglich, wieder zu besetzen. Da ich in vorigem Jahre den Lerchenstrich von Ew. Gnaden gepachtet, und zwey Gulden mehr gegeben habe, als mein Vorfahr: so nehme ich mir die Freyheit, Ew. Excellenz dienst- freundlichst zu bitten, Sie wollen die hohe Gnade haben und mich zu Jhrem allerunterthänigsten Schulmeister machen. Meine Stimme ist gut,
und
Satyriſche Briefe.
„Jch bin uͤberzeugt, daß dem gemeinen Vol- „ke, und beſonders dem Landvolke, ein ge- „ſchickter und fleißiger Schulmeiſter faſt „noch unentbehrlicher ſey, als ein gelehrter, und „beredter Prediger. Und dennoch iſt man an „vielen Orten bey der Beſetzung dieſes Amts bey- „nahe noch leichtſinniger, und noch weniger beſorgt, „als bey den andern geiſtlichen Aemtern. Jch „will mich nicht dabey aufhalten. Jch will mei- „nen Schulmeiſter reden laſſen. Noch zur Zeit „iſt er nicht befoͤrdert; ich weiß aber ein gewiſſes „Ritterguth, wo ich ihn in Vorſchlag bringen will, „und ich hoffe gewiß, er wird ſein Gluͤck daſelbſt „machen.„
Unſer Schaͤfer hat mir erzaͤhlt, daß ihr Schul- meiſter in voriger Woche geſtorben iſt, und daß Sie bemuͤht ſind, dieſe Stelle, ſo bald moͤglich, wieder zu beſetzen. Da ich in vorigem Jahre den Lerchenſtrich von Ew. Gnaden gepachtet, und zwey Gulden mehr gegeben habe, als mein Vorfahr: ſo nehme ich mir die Freyheit, Ew. Excellenz dienſt- freundlichſt zu bitten, Sie wollen die hohe Gnade haben und mich zu Jhrem allerunterthaͤnigſten Schulmeiſter machen. Meine Stimme iſt gut,
und
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Satyriſche Briefe.
„Jch bin uͤberzeugt, daß dem gemeinen Vol-
„ke, und beſonders dem Landvolke, ein ge-
„ſchickter und fleißiger Schulmeiſter faſt
„noch unentbehrlicher ſey, als ein gelehrter, und
„beredter Prediger. Und dennoch iſt man an
„vielen Orten bey der Beſetzung dieſes Amts bey-
„nahe noch leichtſinniger, und noch weniger beſorgt,
„als bey den andern geiſtlichen Aemtern. Jch
„will mich nicht dabey aufhalten. Jch will mei-
„nen Schulmeiſter reden laſſen. Noch zur Zeit
„iſt er nicht befoͤrdert; ich weiß aber ein gewiſſes
„Ritterguth, wo ich ihn in Vorſchlag bringen will,
„und ich hoffe gewiß, er wird ſein Gluͤck daſelbſt
„machen.„
Hochwuͤrdiger, Hochgelahrter Herr,
Gnaͤdiger Herr Lieutenant,
Unſer Schaͤfer hat mir erzaͤhlt, daß ihr Schul-
meiſter in voriger Woche geſtorben iſt, und
daß Sie bemuͤht ſind, dieſe Stelle, ſo bald moͤglich,
wieder zu beſetzen. Da ich in vorigem Jahre den
Lerchenſtrich von Ew. Gnaden gepachtet, und zwey
Gulden mehr gegeben habe, als mein Vorfahr:
ſo nehme ich mir die Freyheit, Ew. Excellenz dienſt-
freundlichſt zu bitten, Sie wollen die hohe Gnade
haben und mich zu Jhrem allerunterthaͤnigſten
Schulmeiſter machen. Meine Stimme iſt gut,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/70>, abgerufen am 23.11.2024.
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