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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
und ich getraue mir, die größte Kirche zu füllen.
Die Orgel schlage ich frisch, und in Fugen bin ich
stark. Jch habe das Unglück gehabt, dreymal ab-
gesetzt zu werden; aber meine Feinde sind Schuld
dran, und vielleicht wäre es das letztemal auch
nicht geschehen, wenn ich dem Superintendenten zu
rechter Zeit einen gemästeten Truthahn geschickt
hätte. Das erstemal kam es über des Schulzens
Frau her. Der Corporal gab mich an; aber
er mochte wohl seine Ursachen haben. Es
giebt böse Leute, die alles zu Bolzen drehn, und
ich war noch nicht verheirathet. Das zweytemal
war mein eigener Pfarrer Schuld dran. Jch wei-
gerte mich, ihm den Priesterrock aufs Filial nach-
zutragen; und deswegen machte er dem Kirchen-
patrone weiß, ich sey alle Tage im Brandtweine
besoffen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß es
alle Wochen nur ein paarmal geschahe, und noch
dazu war es im damaligen Winter grimmig kalt.
Das drittemal war ich vollends gar unschuldig.
Es fiel dem Superintendenten ein, daß ich in sei-
ner Gegenwart catechisiren mußte. Freylich gieng
es nicht recht, wie es seyn sollte, und meine Jun-
gen wußten mehr, als ich sie fragen konnte; aber
der Catechismus ist auch niemals mein Hauptstu-
dium gewesen, weil ich mich von Jugend an, aufs
Vogelstellen gelegt habe. Soll man deswegen ei-
nen ehrlichen Mann absetzen, wenn er das nicht
versteht, was zu seinem Amte gehört? Wie viel
Pfarrer und Superintendenten würden ohne Amt

herum

Satyriſche Briefe.
und ich getraue mir, die groͤßte Kirche zu fuͤllen.
Die Orgel ſchlage ich friſch, und in Fugen bin ich
ſtark. Jch habe das Ungluͤck gehabt, dreymal ab-
geſetzt zu werden; aber meine Feinde ſind Schuld
dran, und vielleicht waͤre es das letztemal auch
nicht geſchehen, wenn ich dem Superintendenten zu
rechter Zeit einen gemaͤſteten Truthahn geſchickt
haͤtte. Das erſtemal kam es uͤber des Schulzens
Frau her. Der Corporal gab mich an; aber
er mochte wohl ſeine Urſachen haben. Es
giebt boͤſe Leute, die alles zu Bolzen drehn, und
ich war noch nicht verheirathet. Das zweytemal
war mein eigener Pfarrer Schuld dran. Jch wei-
gerte mich, ihm den Prieſterrock aufs Filial nach-
zutragen; und deswegen machte er dem Kirchen-
patrone weiß, ich ſey alle Tage im Brandtweine
beſoffen. Der Himmel iſt mein Zeuge, daß es
alle Wochen nur ein paarmal geſchahe, und noch
dazu war es im damaligen Winter grimmig kalt.
Das drittemal war ich vollends gar unſchuldig.
Es fiel dem Superintendenten ein, daß ich in ſei-
ner Gegenwart catechiſiren mußte. Freylich gieng
es nicht recht, wie es ſeyn ſollte, und meine Jun-
gen wußten mehr, als ich ſie fragen konnte; aber
der Catechismus iſt auch niemals mein Hauptſtu-
dium geweſen, weil ich mich von Jugend an, aufs
Vogelſtellen gelegt habe. Soll man deswegen ei-
nen ehrlichen Mann abſetzen, wenn er das nicht
verſteht, was zu ſeinem Amte gehoͤrt? Wie viel
Pfarrer und Superintendenten wuͤrden ohne Amt

herum
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[43/0071] Satyriſche Briefe. und ich getraue mir, die groͤßte Kirche zu fuͤllen. Die Orgel ſchlage ich friſch, und in Fugen bin ich ſtark. Jch habe das Ungluͤck gehabt, dreymal ab- geſetzt zu werden; aber meine Feinde ſind Schuld dran, und vielleicht waͤre es das letztemal auch nicht geſchehen, wenn ich dem Superintendenten zu rechter Zeit einen gemaͤſteten Truthahn geſchickt haͤtte. Das erſtemal kam es uͤber des Schulzens Frau her. Der Corporal gab mich an; aber er mochte wohl ſeine Urſachen haben. Es giebt boͤſe Leute, die alles zu Bolzen drehn, und ich war noch nicht verheirathet. Das zweytemal war mein eigener Pfarrer Schuld dran. Jch wei- gerte mich, ihm den Prieſterrock aufs Filial nach- zutragen; und deswegen machte er dem Kirchen- patrone weiß, ich ſey alle Tage im Brandtweine beſoffen. Der Himmel iſt mein Zeuge, daß es alle Wochen nur ein paarmal geſchahe, und noch dazu war es im damaligen Winter grimmig kalt. Das drittemal war ich vollends gar unſchuldig. Es fiel dem Superintendenten ein, daß ich in ſei- ner Gegenwart catechiſiren mußte. Freylich gieng es nicht recht, wie es ſeyn ſollte, und meine Jun- gen wußten mehr, als ich ſie fragen konnte; aber der Catechismus iſt auch niemals mein Hauptſtu- dium geweſen, weil ich mich von Jugend an, aufs Vogelſtellen gelegt habe. Soll man deswegen ei- nen ehrlichen Mann abſetzen, wenn er das nicht verſteht, was zu ſeinem Amte gehoͤrt? Wie viel Pfarrer und Superintendenten wuͤrden ohne Amt herum

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/71>, abgerufen am 23.11.2024.