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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
glauben. Keiner wird mehr ein Pedant seyn, der
es nicht selbst von sich sagt; keiner wird sich des
Vorwurfs einer dummen Unwissenheit wider sei-
nen ausdrücklichen Willen befürchten dürfen.
Alle Vorreden werden untrügliche Zeugnisse ihrer
wichtigen Verdienste, ihrer gründlichen Wissen-
schaften und ihrer Demuth werden, welche man
bisher für lächerliche Großsprechereyen gehalten
hat; und alle Zueignungsschriften werden unpar-
theyische Denkmäler ihrer Ehrfurcht gegen ihre
Mäcenaten seyn, welche zeither niemand lesen mö-
gen, weil man in dem Vorurtheile stund, daß es
niederträchtige und eigennützige Schmeicheleyen
wären.

So weit kann ich allein es bringen, und wie
glücklich wäre die Welt, wenn ein jeder sich des
gemeinen Wesens so sorgfältig annähme, als ich
es thue, da ich bewiesen habe, daß keines Men-
schen Ehrlichkeit uns eher verdächtig seyn darf, bis
er uns das Gegentheil selbst zugesteht!

Der geneigte Leser wird mir großgünstig er-
lauben, daß ich mich hier ein wenig erhohle. Die-
ser Beweis von der Ehrlichkeit meiner Mitbürger
ist mir sehr schwer geworden. Es war ein ver-
zweifelter Handel, den ich unternahm, und ich habe
mich ganz aus dem Athem demonstrirt. Aber was
thut man nicht dem Vaterlande zum Besten?

Nun will ich wieder fortfahren. Da ich diese
große Wahrheit ausgeführt, und fest gestellet habe,

daß
F

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
glauben. Keiner wird mehr ein Pedant ſeyn, der
es nicht ſelbſt von ſich ſagt; keiner wird ſich des
Vorwurfs einer dummen Unwiſſenheit wider ſei-
nen ausdruͤcklichen Willen befuͤrchten duͤrfen.
Alle Vorreden werden untruͤgliche Zeugniſſe ihrer
wichtigen Verdienſte, ihrer gruͤndlichen Wiſſen-
ſchaften und ihrer Demuth werden, welche man
bisher fuͤr laͤcherliche Großſprechereyen gehalten
hat; und alle Zueignungsſchriften werden unpar-
theyiſche Denkmaͤler ihrer Ehrfurcht gegen ihre
Maͤcenaten ſeyn, welche zeither niemand leſen moͤ-
gen, weil man in dem Vorurtheile ſtund, daß es
niedertraͤchtige und eigennuͤtzige Schmeicheleyen
waͤren.

So weit kann ich allein es bringen, und wie
gluͤcklich waͤre die Welt, wenn ein jeder ſich des
gemeinen Weſens ſo ſorgfaͤltig annaͤhme, als ich
es thue, da ich bewieſen habe, daß keines Men-
ſchen Ehrlichkeit uns eher verdaͤchtig ſeyn darf, bis
er uns das Gegentheil ſelbſt zugeſteht!

Der geneigte Leſer wird mir großguͤnſtig er-
lauben, daß ich mich hier ein wenig erhohle. Die-
ſer Beweis von der Ehrlichkeit meiner Mitbuͤrger
iſt mir ſehr ſchwer geworden. Es war ein ver-
zweifelter Handel, den ich unternahm, und ich habe
mich ganz aus dem Athem demonſtrirt. Aber was
thut man nicht dem Vaterlande zum Beſten?

Nun will ich wieder fortfahren. Da ich dieſe
große Wahrheit ausgefuͤhrt, und feſt geſtellet habe,

daß
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[81/0103] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. glauben. Keiner wird mehr ein Pedant ſeyn, der es nicht ſelbſt von ſich ſagt; keiner wird ſich des Vorwurfs einer dummen Unwiſſenheit wider ſei- nen ausdruͤcklichen Willen befuͤrchten duͤrfen. Alle Vorreden werden untruͤgliche Zeugniſſe ihrer wichtigen Verdienſte, ihrer gruͤndlichen Wiſſen- ſchaften und ihrer Demuth werden, welche man bisher fuͤr laͤcherliche Großſprechereyen gehalten hat; und alle Zueignungsſchriften werden unpar- theyiſche Denkmaͤler ihrer Ehrfurcht gegen ihre Maͤcenaten ſeyn, welche zeither niemand leſen moͤ- gen, weil man in dem Vorurtheile ſtund, daß es niedertraͤchtige und eigennuͤtzige Schmeicheleyen waͤren. So weit kann ich allein es bringen, und wie gluͤcklich waͤre die Welt, wenn ein jeder ſich des gemeinen Weſens ſo ſorgfaͤltig annaͤhme, als ich es thue, da ich bewieſen habe, daß keines Men- ſchen Ehrlichkeit uns eher verdaͤchtig ſeyn darf, bis er uns das Gegentheil ſelbſt zugeſteht! Der geneigte Leſer wird mir großguͤnſtig er- lauben, daß ich mich hier ein wenig erhohle. Die- ſer Beweis von der Ehrlichkeit meiner Mitbuͤrger iſt mir ſehr ſchwer geworden. Es war ein ver- zweifelter Handel, den ich unternahm, und ich habe mich ganz aus dem Athem demonſtrirt. Aber was thut man nicht dem Vaterlande zum Beſten? Nun will ich wieder fortfahren. Da ich dieſe große Wahrheit ausgefuͤhrt, und feſt geſtellet habe, daß F

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/103>, abgerufen am 22.11.2024.