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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Glück durch den Handel zu versuchen. Jsabelle
war untröstbar. Diego fand in Amerika sein
Glück, und gelangte durch eine Heirath zu gros-
sen Schätzen. Er lebte mit seiner Frau sehr zu-
frieden, und wußte an ihr nichts zu tadeln, als
daß sie nicht Jsabelle war. Diese hatte sechs
Jahre unter der Tyranney ihres Eifersüchtigen ge-
seufzet, und ihr Unglück alsdenn doppelt empfun-
den, wenn es ihr einfiel, daß es ihre eigne Wahl
gewesen, und daß sie mit ihrem Diego hätte glück-
lich leben können, wenn sie nur noch einen Monat
mit dieser Wahl angestanden. Der Tod war
zum zweytenmale so gefällig, sie aus diesem Joche
zu reissen. So bald die Zeit vorbey war, welche,
nicht die Liebe, sondern der Wohlstand zur Trauer
erfoderte; so gab sie sich Mühe, zu erfahren, ob
Diego lebe. Sie erfuhr gar bald, daß er in Me-
xiko sey. Man wußte nichts von seiner Heirath;
und vor heftiger Liebe vergaß sie, sich darnach ge-
nauer zu erkundigen. Eben diese Liebe verhin-
derte sie, auf den Zweifel zu fallen, ob sie wohl ih-
rem Diego im vierzigsten Jahre noch eben so rei-
zend seyn werde, als sie es im sechzehenten gewesen
war. Sie eilte von den Füßen der pyrenäischen
Gebürge nach Mexiko, in Begleitung eines ihrer
nahen Verwandten, der ein Kaufmann war. Sie
kam gesund an, und war trunken von zärtlicher Hoff-
nung, daß sie wenigstens nunmehro die Glückliche
werden würde, welche sie seit dreyßig Jahren zu seyn
gewünscht. Eben war sie im Begriffe, ans Land
zu steigen, als sie ihren Diego an dem Ufer gehen

sah,

Antons Panßa von Mancha
Gluͤck durch den Handel zu verſuchen. Jſabelle
war untroͤſtbar. Diego fand in Amerika ſein
Gluͤck, und gelangte durch eine Heirath zu groſ-
ſen Schaͤtzen. Er lebte mit ſeiner Frau ſehr zu-
frieden, und wußte an ihr nichts zu tadeln, als
daß ſie nicht Jſabelle war. Dieſe hatte ſechs
Jahre unter der Tyranney ihres Eiferſuͤchtigen ge-
ſeufzet, und ihr Ungluͤck alsdenn doppelt empfun-
den, wenn es ihr einfiel, daß es ihre eigne Wahl
geweſen, und daß ſie mit ihrem Diego haͤtte gluͤck-
lich leben koͤnnen, wenn ſie nur noch einen Monat
mit dieſer Wahl angeſtanden. Der Tod war
zum zweytenmale ſo gefaͤllig, ſie aus dieſem Joche
zu reiſſen. So bald die Zeit vorbey war, welche,
nicht die Liebe, ſondern der Wohlſtand zur Trauer
erfoderte; ſo gab ſie ſich Muͤhe, zu erfahren, ob
Diego lebe. Sie erfuhr gar bald, daß er in Me-
xiko ſey. Man wußte nichts von ſeiner Heirath;
und vor heftiger Liebe vergaß ſie, ſich darnach ge-
nauer zu erkundigen. Eben dieſe Liebe verhin-
derte ſie, auf den Zweifel zu fallen, ob ſie wohl ih-
rem Diego im vierzigſten Jahre noch eben ſo rei-
zend ſeyn werde, als ſie es im ſechzehenten geweſen
war. Sie eilte von den Fuͤßen der pyrenaͤiſchen
Gebuͤrge nach Mexiko, in Begleitung eines ihrer
nahen Verwandten, der ein Kaufmann war. Sie
kam geſund an, und war trunken von zaͤrtlicher Hoff-
nung, daß ſie wenigſtens nunmehro die Gluͤckliche
werden wuͤrde, welche ſie ſeit dreyßig Jahren zu ſeyn
gewuͤnſcht. Eben war ſie im Begriffe, ans Land
zu ſteigen, als ſie ihren Diego an dem Ufer gehen

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[108/0130] Antons Panßa von Mancha Gluͤck durch den Handel zu verſuchen. Jſabelle war untroͤſtbar. Diego fand in Amerika ſein Gluͤck, und gelangte durch eine Heirath zu groſ- ſen Schaͤtzen. Er lebte mit ſeiner Frau ſehr zu- frieden, und wußte an ihr nichts zu tadeln, als daß ſie nicht Jſabelle war. Dieſe hatte ſechs Jahre unter der Tyranney ihres Eiferſuͤchtigen ge- ſeufzet, und ihr Ungluͤck alsdenn doppelt empfun- den, wenn es ihr einfiel, daß es ihre eigne Wahl geweſen, und daß ſie mit ihrem Diego haͤtte gluͤck- lich leben koͤnnen, wenn ſie nur noch einen Monat mit dieſer Wahl angeſtanden. Der Tod war zum zweytenmale ſo gefaͤllig, ſie aus dieſem Joche zu reiſſen. So bald die Zeit vorbey war, welche, nicht die Liebe, ſondern der Wohlſtand zur Trauer erfoderte; ſo gab ſie ſich Muͤhe, zu erfahren, ob Diego lebe. Sie erfuhr gar bald, daß er in Me- xiko ſey. Man wußte nichts von ſeiner Heirath; und vor heftiger Liebe vergaß ſie, ſich darnach ge- nauer zu erkundigen. Eben dieſe Liebe verhin- derte ſie, auf den Zweifel zu fallen, ob ſie wohl ih- rem Diego im vierzigſten Jahre noch eben ſo rei- zend ſeyn werde, als ſie es im ſechzehenten geweſen war. Sie eilte von den Fuͤßen der pyrenaͤiſchen Gebuͤrge nach Mexiko, in Begleitung eines ihrer nahen Verwandten, der ein Kaufmann war. Sie kam geſund an, und war trunken von zaͤrtlicher Hoff- nung, daß ſie wenigſtens nunmehro die Gluͤckliche werden wuͤrde, welche ſie ſeit dreyßig Jahren zu ſeyn gewuͤnſcht. Eben war ſie im Begriffe, ans Land zu ſteigen, als ſie ihren Diego an dem Ufer gehen ſah,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/130>, abgerufen am 23.11.2024.