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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Jahren mit dem Fächer that. Vor vierzig Jah-
ren seufzete sie; sie seufzt noch itzt. Damals sang
sie verbuhlte Lieder, und lachte: Was soll sie
nun thun? Sie singt noch, und weint, nicht über
ihre Sünden, nein, über ihre Runzeln. Als ein
junges Mädchen richtete sie den Putz, die Mienen,
die unschuldigsten Handlungen andrer Mädchen;
denn aus Hochmuth wollte sie allein gefallen: Hat
sie wohl eine andere Absicht, wenn sie itzt ihren
Nächsten verdammt? Sonst gab sie sich Mühe leb-
haft zu scheinen, wenn sie die stärksten Gesellschaf-
ten mit ihren gedankenlosen Reden übertäubte, und
bey allen Gelegenheiten allein plauderte; Hat sie
sich vielleicht hierinnen geändert? Nichts weniger.
Jhr alter andächtiger Hals überschreyt eine ganze
christliche Gemeine, mit ihrem gedankenlosen Sin-
gen. Niemand verlangt weiter mit ihr zu reden;
sie plaudert also mit Gott, und das nennt sie, Be-
ten. Es ist wahr, sie kleidet sich schlecht, einför-
mig, und bis zum Ekel unachtsam; gleichwohl er-
innern sich noch viel Leute ihrer Eitelkeit, und aus-
schweifenden Kleiderpracht. Das ist keine Ver-
änderung. Sonst liebte sie den Putz, um ihre Schön-
heit zu heben; itzt wählt sie eine unansehnliche ge-
ringe Kleidung, um ihre Häßlichkeit zu verbergen.
Mit einem Worte, die abgelebte Frau Richardtinn
ist immer noch das kleine, eitle, hochmüthige, und
boshafte Geschöpf, das sie in dem Frühlinge ihrer
Jahre war; der einzige Unterschied ist dieser: Jn
ihrem zwanzigsten Jahre buhlte sie mit der Welt,
im sechzigsten buhlt sie mit dem Himmel.

Bey

Antons Panßa von Mancha
Jahren mit dem Faͤcher that. Vor vierzig Jah-
ren ſeufzete ſie; ſie ſeufzt noch itzt. Damals ſang
ſie verbuhlte Lieder, und lachte: Was ſoll ſie
nun thun? Sie ſingt noch, und weint, nicht uͤber
ihre Suͤnden, nein, uͤber ihre Runzeln. Als ein
junges Maͤdchen richtete ſie den Putz, die Mienen,
die unſchuldigſten Handlungen andrer Maͤdchen;
denn aus Hochmuth wollte ſie allein gefallen: Hat
ſie wohl eine andere Abſicht, wenn ſie itzt ihren
Naͤchſten verdammt? Sonſt gab ſie ſich Muͤhe leb-
haft zu ſcheinen, wenn ſie die ſtaͤrkſten Geſellſchaf-
ten mit ihren gedankenloſen Reden uͤbertaͤubte, und
bey allen Gelegenheiten allein plauderte; Hat ſie
ſich vielleicht hierinnen geaͤndert? Nichts weniger.
Jhr alter andaͤchtiger Hals uͤberſchreyt eine ganze
chriſtliche Gemeine, mit ihrem gedankenloſen Sin-
gen. Niemand verlangt weiter mit ihr zu reden;
ſie plaudert alſo mit Gott, und das nennt ſie, Be-
ten. Es iſt wahr, ſie kleidet ſich ſchlecht, einfoͤr-
mig, und bis zum Ekel unachtſam; gleichwohl er-
innern ſich noch viel Leute ihrer Eitelkeit, und aus-
ſchweifenden Kleiderpracht. Das iſt keine Ver-
aͤnderung. Sonſt liebte ſie den Putz, um ihre Schoͤn-
heit zu heben; itzt waͤhlt ſie eine unanſehnliche ge-
ringe Kleidung, um ihre Haͤßlichkeit zu verbergen.
Mit einem Worte, die abgelebte Frau Richardtinn
iſt immer noch das kleine, eitle, hochmuͤthige, und
boshafte Geſchoͤpf, das ſie in dem Fruͤhlinge ihrer
Jahre war; der einzige Unterſchied iſt dieſer: Jn
ihrem zwanzigſten Jahre buhlte ſie mit der Welt,
im ſechzigſten buhlt ſie mit dem Himmel.

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[152/0174] Antons Panßa von Mancha Jahren mit dem Faͤcher that. Vor vierzig Jah- ren ſeufzete ſie; ſie ſeufzt noch itzt. Damals ſang ſie verbuhlte Lieder, und lachte: Was ſoll ſie nun thun? Sie ſingt noch, und weint, nicht uͤber ihre Suͤnden, nein, uͤber ihre Runzeln. Als ein junges Maͤdchen richtete ſie den Putz, die Mienen, die unſchuldigſten Handlungen andrer Maͤdchen; denn aus Hochmuth wollte ſie allein gefallen: Hat ſie wohl eine andere Abſicht, wenn ſie itzt ihren Naͤchſten verdammt? Sonſt gab ſie ſich Muͤhe leb- haft zu ſcheinen, wenn ſie die ſtaͤrkſten Geſellſchaf- ten mit ihren gedankenloſen Reden uͤbertaͤubte, und bey allen Gelegenheiten allein plauderte; Hat ſie ſich vielleicht hierinnen geaͤndert? Nichts weniger. Jhr alter andaͤchtiger Hals uͤberſchreyt eine ganze chriſtliche Gemeine, mit ihrem gedankenloſen Sin- gen. Niemand verlangt weiter mit ihr zu reden; ſie plaudert alſo mit Gott, und das nennt ſie, Be- ten. Es iſt wahr, ſie kleidet ſich ſchlecht, einfoͤr- mig, und bis zum Ekel unachtſam; gleichwohl er- innern ſich noch viel Leute ihrer Eitelkeit, und aus- ſchweifenden Kleiderpracht. Das iſt keine Ver- aͤnderung. Sonſt liebte ſie den Putz, um ihre Schoͤn- heit zu heben; itzt waͤhlt ſie eine unanſehnliche ge- ringe Kleidung, um ihre Haͤßlichkeit zu verbergen. Mit einem Worte, die abgelebte Frau Richardtinn iſt immer noch das kleine, eitle, hochmuͤthige, und boshafte Geſchoͤpf, das ſie in dem Fruͤhlinge ihrer Jahre war; der einzige Unterſchied iſt dieſer: Jn ihrem zwanzigſten Jahre buhlte ſie mit der Welt, im ſechzigſten buhlt ſie mit dem Himmel. Bey

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/174>, abgerufen am 27.11.2024.