[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Antons Panßa von Mancha vergiengen nicht vier Monate, so war er imStande, alle Hände nachzumalen. Bey müßigen Nebenstunden übte er sich in der Geschicklichkeit, Siegel nachzudrücken, und Briefe unvermerkt zu öffnen. Damit er einige Nahrung haben, und desto mehr aufgemuntert werden möchte; so lehrte ihn sein Gönner die einträgliche Kunst, Zeug- nisse abzulegen, und brachte ihn im Kurzen derge- stalt in die Kundschaft, daß er der ganzen Gegend, in allen möglichen Fällen, und wo es nur verlangt ward, mit seinem Zeugnisse gegen die Gebühr diente. Hievon hatte er einen dreyfachen Nutzen: Er verdiente Geld; er ward so unverschämt, als nach den Grundsätzen seines Lehrers ein Advocat seiner Art seyn mußte; und endlich lernte er zu- gleich durch eigne Erfahrung, wie man Zeugen abrichtet. Diese zween letzten Vortheile bringen noch mehr ein, als alle Titel aus den Pandekten. Nunmehr fand ihn sein Lehrer fähig, der Gerech- tigkeit den Krieg anzukündigen, und zu practici- ren. Seinen ersten Proceß verlor er. Sein Ge- gner war ein Advocat, der geschickt, ehrlich, und unerschrocken war: Sein Richter war einsehend und unpartheyisch. Unser Herkommann war noch nicht abgehärtet, und unverschämt genug, vor den Augen eines gerechten Richters, und eines Gegners, den die Wahrheit muthig machte, die augenscheinliche Ungerechtigkeit seiner Sache zu vertheidigen. Er konnte sich nicht fassen; der Richter überführte ihn seiner Bosheit; sein Client verlor seine Ansprüche, und sein baares Geld; der
Antons Panßa von Mancha vergiengen nicht vier Monate, ſo war er imStande, alle Haͤnde nachzumalen. Bey muͤßigen Nebenſtunden uͤbte er ſich in der Geſchicklichkeit, Siegel nachzudruͤcken, und Briefe unvermerkt zu oͤffnen. Damit er einige Nahrung haben, und deſto mehr aufgemuntert werden moͤchte; ſo lehrte ihn ſein Goͤnner die eintraͤgliche Kunſt, Zeug- niſſe abzulegen, und brachte ihn im Kurzen derge- ſtalt in die Kundſchaft, daß er der ganzen Gegend, in allen moͤglichen Faͤllen, und wo es nur verlangt ward, mit ſeinem Zeugniſſe gegen die Gebuͤhr diente. Hievon hatte er einen dreyfachen Nutzen: Er verdiente Geld; er ward ſo unverſchaͤmt, als nach den Grundſaͤtzen ſeines Lehrers ein Advocat ſeiner Art ſeyn mußte; und endlich lernte er zu- gleich durch eigne Erfahrung, wie man Zeugen abrichtet. Dieſe zween letzten Vortheile bringen noch mehr ein, als alle Titel aus den Pandekten. Nunmehr fand ihn ſein Lehrer faͤhig, der Gerech- tigkeit den Krieg anzukuͤndigen, und zu practici- ren. Seinen erſten Proceß verlor er. Sein Ge- gner war ein Advocat, der geſchickt, ehrlich, und unerſchrocken war: Sein Richter war einſehend und unpartheyiſch. Unſer Herkommann war noch nicht abgehaͤrtet, und unverſchaͤmt genug, vor den Augen eines gerechten Richters, und eines Gegners, den die Wahrheit muthig machte, die augenſcheinliche Ungerechtigkeit ſeiner Sache zu vertheidigen. Er konnte ſich nicht faſſen; der Richter uͤberfuͤhrte ihn ſeiner Bosheit; ſein Client verlor ſeine Anſpruͤche, und ſein baares Geld; der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0186" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/> vergiengen nicht vier Monate, ſo war er im<lb/> Stande, alle Haͤnde nachzumalen. Bey muͤßigen<lb/> Nebenſtunden uͤbte er ſich in der Geſchicklichkeit,<lb/> Siegel nachzudruͤcken, und Briefe unvermerkt zu<lb/> oͤffnen. Damit er einige Nahrung haben, und<lb/> deſto mehr aufgemuntert werden moͤchte; ſo<lb/> lehrte ihn ſein Goͤnner die eintraͤgliche Kunſt, Zeug-<lb/> niſſe abzulegen, und brachte ihn im Kurzen derge-<lb/> ſtalt in die Kundſchaft, daß er der ganzen Gegend,<lb/> in allen moͤglichen Faͤllen, und wo es nur verlangt<lb/> ward, mit ſeinem Zeugniſſe gegen die Gebuͤhr<lb/> diente. Hievon hatte er einen dreyfachen Nutzen:<lb/> Er verdiente Geld; er ward ſo unverſchaͤmt, als<lb/> nach den Grundſaͤtzen ſeines Lehrers ein Advocat<lb/> ſeiner Art ſeyn mußte; und endlich lernte er zu-<lb/> gleich durch eigne Erfahrung, wie man Zeugen<lb/> abrichtet. Dieſe zween letzten Vortheile bringen<lb/> noch mehr ein, als alle Titel aus den Pandekten.<lb/> Nunmehr fand ihn ſein Lehrer faͤhig, der Gerech-<lb/> tigkeit den Krieg anzukuͤndigen, und zu practici-<lb/> ren. Seinen erſten Proceß verlor er. Sein Ge-<lb/> gner war ein Advocat, der geſchickt, ehrlich, und<lb/> unerſchrocken war: Sein Richter war einſehend<lb/> und unpartheyiſch. Unſer Herkommann war<lb/> noch nicht abgehaͤrtet, und unverſchaͤmt genug,<lb/> vor den Augen eines gerechten Richters, und eines<lb/> Gegners, den die Wahrheit muthig machte, die<lb/> augenſcheinliche Ungerechtigkeit ſeiner Sache zu<lb/> vertheidigen. Er konnte ſich nicht faſſen; der<lb/> Richter uͤberfuͤhrte ihn ſeiner Bosheit; ſein Client<lb/> verlor ſeine Anſpruͤche, und ſein baares Geld;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0186]
Antons Panßa von Mancha
vergiengen nicht vier Monate, ſo war er im
Stande, alle Haͤnde nachzumalen. Bey muͤßigen
Nebenſtunden uͤbte er ſich in der Geſchicklichkeit,
Siegel nachzudruͤcken, und Briefe unvermerkt zu
oͤffnen. Damit er einige Nahrung haben, und
deſto mehr aufgemuntert werden moͤchte; ſo
lehrte ihn ſein Goͤnner die eintraͤgliche Kunſt, Zeug-
niſſe abzulegen, und brachte ihn im Kurzen derge-
ſtalt in die Kundſchaft, daß er der ganzen Gegend,
in allen moͤglichen Faͤllen, und wo es nur verlangt
ward, mit ſeinem Zeugniſſe gegen die Gebuͤhr
diente. Hievon hatte er einen dreyfachen Nutzen:
Er verdiente Geld; er ward ſo unverſchaͤmt, als
nach den Grundſaͤtzen ſeines Lehrers ein Advocat
ſeiner Art ſeyn mußte; und endlich lernte er zu-
gleich durch eigne Erfahrung, wie man Zeugen
abrichtet. Dieſe zween letzten Vortheile bringen
noch mehr ein, als alle Titel aus den Pandekten.
Nunmehr fand ihn ſein Lehrer faͤhig, der Gerech-
tigkeit den Krieg anzukuͤndigen, und zu practici-
ren. Seinen erſten Proceß verlor er. Sein Ge-
gner war ein Advocat, der geſchickt, ehrlich, und
unerſchrocken war: Sein Richter war einſehend
und unpartheyiſch. Unſer Herkommann war
noch nicht abgehaͤrtet, und unverſchaͤmt genug,
vor den Augen eines gerechten Richters, und eines
Gegners, den die Wahrheit muthig machte, die
augenſcheinliche Ungerechtigkeit ſeiner Sache zu
vertheidigen. Er konnte ſich nicht faſſen; der
Richter uͤberfuͤhrte ihn ſeiner Bosheit; ſein Client
verlor ſeine Anſpruͤche, und ſein baares Geld;
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |