[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Abhandlung von Sprüchwörtern. eine Stadtschule, wo er alle Tage gelehrter, undalle Tage unbescheidner ward. Auf hohen Schu- len bildete er seine grobe Seele sorgfältig aus. Er war unermüdet fleißig, um andern ins Gesicht sagen zu können, daß sie unwissender Pöbel wären. Jm Kurzen sagte er dieses seinem eignen Lehrer; und damit er die Freyheit erlangen möge, es öffent- lich behaupten zu dürfen, so öffnete er sich den Weg zur Katheder, und wies der Welt in dem schönsten Lateine, dessen sich in Rom kein Boots- knecht hätte schämen dürfen, daß alle seine Col- legen unwissende Esel, und deutsche Ochsen wären, und daß nur er von den Musen gesandt wäre, sei- nem blinden Vaterlande die Augen zu öffnen, und den hochmüthigen Ausländern einen Mann entge- gen zu setzen, der Knollius heiße. Es waren ei- nige Theile der Gelehrsamkeit, um die er wahre Verdienste hatte; Seine Feinde selbst konnten ihm das nicht absprechen: Aber auch seine besten Freunde mußten gestehen, daß diese Verdienste durch seine Eigenliebe, und beleidigende Grobhei- ten dergestalt verdunkelt würden, daß er allen un- erträglich sey, und ein unpartheyischer Richter im- mer unschlüßig bleibe, ob man mehr Ursache habe, ihn hoch zu schätzen, oder ihn zu verachten. Diese Aufführung, welche so gar die Critici in den Nie- derlanden für unhöflich hielten, erregte ihn viele heftige Gegner. Man griff ihn von allen Seiten unbarmherzig an, und zeigte ihm theils mit einer ernsthaften Gelassenheit, theils mit beißender Bit- terkeit, theils aber in seiner eignen groben Sprache, daß L 5
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. eine Stadtſchule, wo er alle Tage gelehrter, undalle Tage unbeſcheidner ward. Auf hohen Schu- len bildete er ſeine grobe Seele ſorgfaͤltig aus. Er war unermuͤdet fleißig, um andern ins Geſicht ſagen zu koͤnnen, daß ſie unwiſſender Poͤbel waͤren. Jm Kurzen ſagte er dieſes ſeinem eignen Lehrer; und damit er die Freyheit erlangen moͤge, es oͤffent- lich behaupten zu duͤrfen, ſo oͤffnete er ſich den Weg zur Katheder, und wies der Welt in dem ſchoͤnſten Lateine, deſſen ſich in Rom kein Boots- knecht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen, daß alle ſeine Col- legen unwiſſende Eſel, und deutſche Ochſen waͤren, und daß nur er von den Muſen geſandt waͤre, ſei- nem blinden Vaterlande die Augen zu oͤffnen, und den hochmuͤthigen Auslaͤndern einen Mann entge- gen zu ſetzen, der Knollius heiße. Es waren ei- nige Theile der Gelehrſamkeit, um die er wahre Verdienſte hatte; Seine Feinde ſelbſt konnten ihm das nicht abſprechen: Aber auch ſeine beſten Freunde mußten geſtehen, daß dieſe Verdienſte durch ſeine Eigenliebe, und beleidigende Grobhei- ten dergeſtalt verdunkelt wuͤrden, daß er allen un- ertraͤglich ſey, und ein unpartheyiſcher Richter im- mer unſchluͤßig bleibe, ob man mehr Urſache habe, ihn hoch zu ſchaͤtzen, oder ihn zu verachten. Dieſe Auffuͤhrung, welche ſo gar die Critici in den Nie- derlanden fuͤr unhoͤflich hielten, erregte ihn viele heftige Gegner. Man griff ihn von allen Seiten unbarmherzig an, und zeigte ihm theils mit einer ernſthaften Gelaſſenheit, theils mit beißender Bit- terkeit, theils aber in ſeiner eignen groben Sprache, daß L 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0191" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.</hi></fw><lb/> eine Stadtſchule, wo er alle Tage gelehrter, und<lb/> alle Tage unbeſcheidner ward. Auf hohen Schu-<lb/> len bildete er ſeine grobe Seele ſorgfaͤltig aus. Er<lb/> war unermuͤdet fleißig, um andern ins Geſicht<lb/> ſagen zu koͤnnen, daß ſie unwiſſender Poͤbel waͤren.<lb/> Jm Kurzen ſagte er dieſes ſeinem eignen Lehrer;<lb/> und damit er die Freyheit erlangen moͤge, es oͤffent-<lb/> lich behaupten zu duͤrfen, ſo oͤffnete er ſich den<lb/> Weg zur Katheder, und wies der Welt in dem<lb/> ſchoͤnſten Lateine, deſſen ſich in Rom kein Boots-<lb/> knecht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen, daß alle ſeine Col-<lb/> legen unwiſſende Eſel, und deutſche Ochſen waͤren,<lb/> und daß nur er von den Muſen geſandt waͤre, ſei-<lb/> nem blinden Vaterlande die Augen zu oͤffnen, und<lb/> den hochmuͤthigen Auslaͤndern einen Mann entge-<lb/> gen zu ſetzen, der Knollius heiße. Es waren ei-<lb/> nige Theile der Gelehrſamkeit, um die er wahre<lb/> Verdienſte hatte; Seine Feinde ſelbſt konnten ihm<lb/> das nicht abſprechen: Aber auch ſeine beſten<lb/> Freunde mußten geſtehen, daß dieſe Verdienſte<lb/> durch ſeine Eigenliebe, und beleidigende Grobhei-<lb/> ten dergeſtalt verdunkelt wuͤrden, daß er allen un-<lb/> ertraͤglich ſey, und ein unpartheyiſcher Richter im-<lb/> mer unſchluͤßig bleibe, ob man mehr Urſache habe,<lb/> ihn hoch zu ſchaͤtzen, oder ihn zu verachten. Dieſe<lb/> Auffuͤhrung, welche ſo gar die Critici in den Nie-<lb/> derlanden fuͤr unhoͤflich hielten, erregte ihn viele<lb/> heftige Gegner. Man griff ihn von allen Seiten<lb/> unbarmherzig an, und zeigte ihm theils mit einer<lb/> ernſthaften Gelaſſenheit, theils mit beißender Bit-<lb/> terkeit, theils aber in ſeiner eignen groben Sprache,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 5</fw><fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0191]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
eine Stadtſchule, wo er alle Tage gelehrter, und
alle Tage unbeſcheidner ward. Auf hohen Schu-
len bildete er ſeine grobe Seele ſorgfaͤltig aus. Er
war unermuͤdet fleißig, um andern ins Geſicht
ſagen zu koͤnnen, daß ſie unwiſſender Poͤbel waͤren.
Jm Kurzen ſagte er dieſes ſeinem eignen Lehrer;
und damit er die Freyheit erlangen moͤge, es oͤffent-
lich behaupten zu duͤrfen, ſo oͤffnete er ſich den
Weg zur Katheder, und wies der Welt in dem
ſchoͤnſten Lateine, deſſen ſich in Rom kein Boots-
knecht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen, daß alle ſeine Col-
legen unwiſſende Eſel, und deutſche Ochſen waͤren,
und daß nur er von den Muſen geſandt waͤre, ſei-
nem blinden Vaterlande die Augen zu oͤffnen, und
den hochmuͤthigen Auslaͤndern einen Mann entge-
gen zu ſetzen, der Knollius heiße. Es waren ei-
nige Theile der Gelehrſamkeit, um die er wahre
Verdienſte hatte; Seine Feinde ſelbſt konnten ihm
das nicht abſprechen: Aber auch ſeine beſten
Freunde mußten geſtehen, daß dieſe Verdienſte
durch ſeine Eigenliebe, und beleidigende Grobhei-
ten dergeſtalt verdunkelt wuͤrden, daß er allen un-
ertraͤglich ſey, und ein unpartheyiſcher Richter im-
mer unſchluͤßig bleibe, ob man mehr Urſache habe,
ihn hoch zu ſchaͤtzen, oder ihn zu verachten. Dieſe
Auffuͤhrung, welche ſo gar die Critici in den Nie-
derlanden fuͤr unhoͤflich hielten, erregte ihn viele
heftige Gegner. Man griff ihn von allen Seiten
unbarmherzig an, und zeigte ihm theils mit einer
ernſthaften Gelaſſenheit, theils mit beißender Bit-
terkeit, theils aber in ſeiner eignen groben Sprache,
daß
L 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |