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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
in voriger Messe um das reiche Kleid betrog, das
er itzt anhat. Der Kaufmann grüßt ihn trotzig:
aber sein vornehmer Schuldner lächelt ihn freund-
schaftlich an; denn im künftigen Monate ist große
Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die-
sem Augenblicke kömmt der Prinz gegangen.
Unser Hofmann springt aus dem Wagen, küßt
ihm die Hand, und sagt ihm eine wichtige Klei-
nigkeit ins Ohr; der Prinz lächelt und geht fort.
Das sieht der unzufriedne Kaufmann. Einen
Herrn, den der Prinz anlächelt, muß man zur
Kunde behalten. Er grüßt Jhro Excellenz demü-
thig, und bedauert, daß seine Waaren ihm gar
nicht mehr anständig sind. Dieser eigennützige
Wunsch wird endlich in Gnaden erhört, und ein
neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein
Geld, aber neue Versicherung vom Schutze und
hohem Wohlwollen gegeben. So muthig ist die-
ser Elende, welcher weit ärmer ist, als sein Be-
dienter.

Jch erinnere mich bey dieser Geschichte eines
Gesetzes, welches, nach unsern Familiennachrich-
ten, mein Urältervater, Sancho Panßa, seinen
glücklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte.
Schon am ersten Tage seiner Regierung hatte er
wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen
Wesen dergleichen Schuldner sind, welche durch
ihre Person, und ihre Art zu leben, dieser Betrü-
gerey ein verführerisches Ansehn zu geben wissen.
Der Handwerksmann verliert seinen nothdürfti-

gen

Antons Panßa von Mancha
in voriger Meſſe um das reiche Kleid betrog, das
er itzt anhat. Der Kaufmann gruͤßt ihn trotzig:
aber ſein vornehmer Schuldner laͤchelt ihn freund-
ſchaftlich an; denn im kuͤnftigen Monate iſt große
Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die-
ſem Augenblicke koͤmmt der Prinz gegangen.
Unſer Hofmann ſpringt aus dem Wagen, kuͤßt
ihm die Hand, und ſagt ihm eine wichtige Klei-
nigkeit ins Ohr; der Prinz laͤchelt und geht fort.
Das ſieht der unzufriedne Kaufmann. Einen
Herrn, den der Prinz anlaͤchelt, muß man zur
Kunde behalten. Er gruͤßt Jhro Excellenz demuͤ-
thig, und bedauert, daß ſeine Waaren ihm gar
nicht mehr anſtaͤndig ſind. Dieſer eigennuͤtzige
Wunſch wird endlich in Gnaden erhoͤrt, und ein
neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein
Geld, aber neue Verſicherung vom Schutze und
hohem Wohlwollen gegeben. So muthig iſt die-
ſer Elende, welcher weit aͤrmer iſt, als ſein Be-
dienter.

Jch erinnere mich bey dieſer Geſchichte eines
Geſetzes, welches, nach unſern Familiennachrich-
ten, mein Uraͤltervater, Sancho Panßa, ſeinen
gluͤcklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte.
Schon am erſten Tage ſeiner Regierung hatte er
wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen
Weſen dergleichen Schuldner ſind, welche durch
ihre Perſon, und ihre Art zu leben, dieſer Betruͤ-
gerey ein verfuͤhreriſches Anſehn zu geben wiſſen.
Der Handwerksmann verliert ſeinen nothduͤrfti-

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[204/0226] Antons Panßa von Mancha in voriger Meſſe um das reiche Kleid betrog, das er itzt anhat. Der Kaufmann gruͤßt ihn trotzig: aber ſein vornehmer Schuldner laͤchelt ihn freund- ſchaftlich an; denn im kuͤnftigen Monate iſt große Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die- ſem Augenblicke koͤmmt der Prinz gegangen. Unſer Hofmann ſpringt aus dem Wagen, kuͤßt ihm die Hand, und ſagt ihm eine wichtige Klei- nigkeit ins Ohr; der Prinz laͤchelt und geht fort. Das ſieht der unzufriedne Kaufmann. Einen Herrn, den der Prinz anlaͤchelt, muß man zur Kunde behalten. Er gruͤßt Jhro Excellenz demuͤ- thig, und bedauert, daß ſeine Waaren ihm gar nicht mehr anſtaͤndig ſind. Dieſer eigennuͤtzige Wunſch wird endlich in Gnaden erhoͤrt, und ein neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein Geld, aber neue Verſicherung vom Schutze und hohem Wohlwollen gegeben. So muthig iſt die- ſer Elende, welcher weit aͤrmer iſt, als ſein Be- dienter. Jch erinnere mich bey dieſer Geſchichte eines Geſetzes, welches, nach unſern Familiennachrich- ten, mein Uraͤltervater, Sancho Panßa, ſeinen gluͤcklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte. Schon am erſten Tage ſeiner Regierung hatte er wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen Weſen dergleichen Schuldner ſind, welche durch ihre Perſon, und ihre Art zu leben, dieſer Betruͤ- gerey ein verfuͤhreriſches Anſehn zu geben wiſſen. Der Handwerksmann verliert ſeinen nothduͤrfti- gen

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/226>, abgerufen am 25.11.2024.