in voriger Messe um das reiche Kleid betrog, das er itzt anhat. Der Kaufmann grüßt ihn trotzig: aber sein vornehmer Schuldner lächelt ihn freund- schaftlich an; denn im künftigen Monate ist große Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die- sem Augenblicke kömmt der Prinz gegangen. Unser Hofmann springt aus dem Wagen, küßt ihm die Hand, und sagt ihm eine wichtige Klei- nigkeit ins Ohr; der Prinz lächelt und geht fort. Das sieht der unzufriedne Kaufmann. Einen Herrn, den der Prinz anlächelt, muß man zur Kunde behalten. Er grüßt Jhro Excellenz demü- thig, und bedauert, daß seine Waaren ihm gar nicht mehr anständig sind. Dieser eigennützige Wunsch wird endlich in Gnaden erhört, und ein neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein Geld, aber neue Versicherung vom Schutze und hohem Wohlwollen gegeben. So muthig ist die- ser Elende, welcher weit ärmer ist, als sein Be- dienter.
Jch erinnere mich bey dieser Geschichte eines Gesetzes, welches, nach unsern Familiennachrich- ten, mein Urältervater, Sancho Panßa, seinen glücklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte. Schon am ersten Tage seiner Regierung hatte er wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen Wesen dergleichen Schuldner sind, welche durch ihre Person, und ihre Art zu leben, dieser Betrü- gerey ein verführerisches Ansehn zu geben wissen. Der Handwerksmann verliert seinen nothdürfti-
gen
Antons Panßa von Mancha
in voriger Meſſe um das reiche Kleid betrog, das er itzt anhat. Der Kaufmann gruͤßt ihn trotzig: aber ſein vornehmer Schuldner laͤchelt ihn freund- ſchaftlich an; denn im kuͤnftigen Monate iſt große Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die- ſem Augenblicke koͤmmt der Prinz gegangen. Unſer Hofmann ſpringt aus dem Wagen, kuͤßt ihm die Hand, und ſagt ihm eine wichtige Klei- nigkeit ins Ohr; der Prinz laͤchelt und geht fort. Das ſieht der unzufriedne Kaufmann. Einen Herrn, den der Prinz anlaͤchelt, muß man zur Kunde behalten. Er gruͤßt Jhro Excellenz demuͤ- thig, und bedauert, daß ſeine Waaren ihm gar nicht mehr anſtaͤndig ſind. Dieſer eigennuͤtzige Wunſch wird endlich in Gnaden erhoͤrt, und ein neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein Geld, aber neue Verſicherung vom Schutze und hohem Wohlwollen gegeben. So muthig iſt die- ſer Elende, welcher weit aͤrmer iſt, als ſein Be- dienter.
Jch erinnere mich bey dieſer Geſchichte eines Geſetzes, welches, nach unſern Familiennachrich- ten, mein Uraͤltervater, Sancho Panßa, ſeinen gluͤcklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte. Schon am erſten Tage ſeiner Regierung hatte er wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen Weſen dergleichen Schuldner ſind, welche durch ihre Perſon, und ihre Art zu leben, dieſer Betruͤ- gerey ein verfuͤhreriſches Anſehn zu geben wiſſen. Der Handwerksmann verliert ſeinen nothduͤrfti-
gen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0226"n="204"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
in voriger Meſſe um das reiche Kleid betrog, das<lb/>
er itzt anhat. Der Kaufmann gruͤßt ihn trotzig:<lb/>
aber ſein vornehmer Schuldner laͤchelt ihn freund-<lb/>ſchaftlich an; denn im kuͤnftigen Monate iſt große<lb/>
Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die-<lb/>ſem Augenblicke koͤmmt der Prinz gegangen.<lb/>
Unſer Hofmann ſpringt aus dem Wagen, kuͤßt<lb/>
ihm die Hand, und ſagt ihm eine wichtige Klei-<lb/>
nigkeit ins Ohr; der Prinz laͤchelt und geht fort.<lb/>
Das ſieht der unzufriedne Kaufmann. Einen<lb/>
Herrn, den der Prinz anlaͤchelt, muß man zur<lb/>
Kunde behalten. Er gruͤßt Jhro Excellenz demuͤ-<lb/>
thig, und bedauert, daß ſeine Waaren ihm gar<lb/>
nicht mehr anſtaͤndig ſind. Dieſer eigennuͤtzige<lb/>
Wunſch wird endlich in Gnaden erhoͤrt, und ein<lb/>
neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein<lb/>
Geld, aber neue Verſicherung vom Schutze und<lb/>
hohem Wohlwollen gegeben. So muthig iſt die-<lb/>ſer Elende, welcher weit aͤrmer iſt, als ſein Be-<lb/>
dienter.</p><lb/><p>Jch erinnere mich bey dieſer Geſchichte eines<lb/>
Geſetzes, welches, nach unſern Familiennachrich-<lb/>
ten, mein Uraͤltervater, Sancho Panßa, ſeinen<lb/>
gluͤcklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte.<lb/>
Schon am erſten Tage ſeiner Regierung hatte er<lb/>
wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen<lb/>
Weſen dergleichen Schuldner ſind, welche durch<lb/>
ihre Perſon, und ihre Art zu leben, dieſer Betruͤ-<lb/>
gerey ein verfuͤhreriſches Anſehn zu geben wiſſen.<lb/>
Der Handwerksmann verliert ſeinen nothduͤrfti-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[204/0226]
Antons Panßa von Mancha
in voriger Meſſe um das reiche Kleid betrog, das
er itzt anhat. Der Kaufmann gruͤßt ihn trotzig:
aber ſein vornehmer Schuldner laͤchelt ihn freund-
ſchaftlich an; denn im kuͤnftigen Monate iſt große
Galla, und er braucht ein neues Kleid. Jn die-
ſem Augenblicke koͤmmt der Prinz gegangen.
Unſer Hofmann ſpringt aus dem Wagen, kuͤßt
ihm die Hand, und ſagt ihm eine wichtige Klei-
nigkeit ins Ohr; der Prinz laͤchelt und geht fort.
Das ſieht der unzufriedne Kaufmann. Einen
Herrn, den der Prinz anlaͤchelt, muß man zur
Kunde behalten. Er gruͤßt Jhro Excellenz demuͤ-
thig, und bedauert, daß ſeine Waaren ihm gar
nicht mehr anſtaͤndig ſind. Dieſer eigennuͤtzige
Wunſch wird endlich in Gnaden erhoͤrt, und ein
neues Kleid ausgenommen, und ihm zwar kein
Geld, aber neue Verſicherung vom Schutze und
hohem Wohlwollen gegeben. So muthig iſt die-
ſer Elende, welcher weit aͤrmer iſt, als ſein Be-
dienter.
Jch erinnere mich bey dieſer Geſchichte eines
Geſetzes, welches, nach unſern Familiennachrich-
ten, mein Uraͤltervater, Sancho Panßa, ſeinen
gluͤcklichen Unterthanen zu Barataria geben wollte.
Schon am erſten Tage ſeiner Regierung hatte er
wahrgenommen, wie nachtheilig dem gemeinen
Weſen dergleichen Schuldner ſind, welche durch
ihre Perſon, und ihre Art zu leben, dieſer Betruͤ-
gerey ein verfuͤhreriſches Anſehn zu geben wiſſen.
Der Handwerksmann verliert ſeinen nothduͤrfti-
gen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/226>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.