finden. Aber das setze ich zum voraus, daß seine Frau eben so tugendhaft, eben so vernünftig sey, als die Frau meines Freundes war; außerdem treffen diese Grade nicht ein. Das habe ich doch in der That vergessen, ob die Frau meines Freun- des weiß oder braun war: Jch werde dieses dem Ausspruche meiner Leserinnen überlassen; denn mir ist es ganz unmöglich, mich darauf zu besinnen.
Jch habe mich vielleicht zu lange bey diesen Ehen aufgehalten, an denen die Schönheit mehr Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht entschuldigen mich diejenigen, welche bey den Ehen unserer Mitbürger so aufmerksam sind, wie ich, und daher auch so, wie ich, angemerkt ha- ben, daß eben diese Ehen diejenigen sind, die dem lieben Himmel die meiste Verantwortung machen. Wir wollen weiter gehen.
Die Ehen, die man aus Eigennutze schließt, werden dem Himmel auch sauer genug. Jch will mich aber wohl hüten, von diesen Ehen gar zu viel Böses zu reden; denn meine Freunde geben mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten male verheirathen sollte, so würde meine Ehe gewiß nicht im Himmel, sondern im Comtoir ge- schlossen werden. Jch kann mich bey diesem Vor- wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, ist es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr aufs Nützliche und Gründliche in der Ehe sehe. Da ich jung war, verführten mich die schwarzen
Augen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
finden. Aber das ſetze ich zum voraus, daß ſeine Frau eben ſo tugendhaft, eben ſo vernuͤnftig ſey, als die Frau meines Freundes war; außerdem treffen dieſe Grade nicht ein. Das habe ich doch in der That vergeſſen, ob die Frau meines Freun- des weiß oder braun war: Jch werde dieſes dem Ausſpruche meiner Leſerinnen uͤberlaſſen; denn mir iſt es ganz unmoͤglich, mich darauf zu beſinnen.
Jch habe mich vielleicht zu lange bey dieſen Ehen aufgehalten, an denen die Schoͤnheit mehr Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht entſchuldigen mich diejenigen, welche bey den Ehen unſerer Mitbuͤrger ſo aufmerkſam ſind, wie ich, und daher auch ſo, wie ich, angemerkt ha- ben, daß eben dieſe Ehen diejenigen ſind, die dem lieben Himmel die meiſte Verantwortung machen. Wir wollen weiter gehen.
Die Ehen, die man aus Eigennutze ſchließt, werden dem Himmel auch ſauer genug. Jch will mich aber wohl huͤten, von dieſen Ehen gar zu viel Boͤſes zu reden; denn meine Freunde geben mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten male verheirathen ſollte, ſo wuͤrde meine Ehe gewiß nicht im Himmel, ſondern im Comtoir ge- ſchloſſen werden. Jch kann mich bey dieſem Vor- wurfe beruhigen. Mir, als einem Wittwer, iſt es zu gute zu halten, wenn ich ein wenig mehr aufs Nuͤtzliche und Gruͤndliche in der Ehe ſehe. Da ich jung war, verfuͤhrten mich die ſchwarzen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
finden. Aber das ſetze ich zum voraus, daß ſeine
Frau eben ſo tugendhaft, eben ſo vernuͤnftig ſey,
als die Frau meines Freundes war; außerdem
treffen dieſe Grade nicht ein. Das habe ich doch
in der That vergeſſen, ob die Frau meines Freun-
des weiß oder braun war: Jch werde dieſes dem
Ausſpruche meiner Leſerinnen uͤberlaſſen; denn
mir iſt es ganz unmoͤglich, mich darauf zu beſinnen.
Jch habe mich vielleicht zu lange bey dieſen
Ehen aufgehalten, an denen die Schoͤnheit mehr
Antheil hat, als der Himmel. Aber vielleicht
entſchuldigen mich diejenigen, welche bey den
Ehen unſerer Mitbuͤrger ſo aufmerkſam ſind, wie
ich, und daher auch ſo, wie ich, angemerkt ha-
ben, daß eben dieſe Ehen diejenigen ſind, die dem
lieben Himmel die meiſte Verantwortung machen.
Wir wollen weiter gehen.
Die Ehen, die man aus Eigennutze ſchließt,
werden dem Himmel auch ſauer genug. Jch will
mich aber wohl huͤten, von dieſen Ehen gar zu
viel Boͤſes zu reden; denn meine Freunde geben
mir Schuld, daß, wenn ich mich zum zweyten
male verheirathen ſollte, ſo wuͤrde meine Ehe
gewiß nicht im Himmel, ſondern im Comtoir ge-
ſchloſſen werden. Jch kann mich bey dieſem Vor-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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